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Hammelburg
Für Friedensnobelpreis vorgeschlagen: Wie sind Ihre Chancen, Hans-Josef Fell?
Er engagiert sich seit Jahrzehnten für die Umstellung auf erneuerbare Energien. Jetzt soll der Hammelburger den Nobelpreis erhalten. Was hat Solarenergie mit Frieden zu tun?
Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen.
Foto: René Ruprecht | Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen.
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:52 Uhr

Jedes Jahr können Mitglieder einer Regierung, eines Parlaments oder Gerichts eines souveränen Staates eine Nominierung für den Friedensnobelpreis einreichen. Gleiches gilt für Professoren von  Fakultäten und Leiter von Friedensforschungsinstituten. Jetzt will ein Komitee von weltweit tätigen Wissenschaftlern um den Plettenberger Grünen-Politiker Dr. Ingo Stuckmann den Hammelburger Hans-Josef Fell für den Friedensnobelpreis vorschlagen - zusammen mit dem verstorbenen Hermann Scheer. Eine entsprechende Petition läuft. Die Begründung des Komitees: Fell und Scheer hätten vor 20 Jahren mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen enormen Innovationsschub ausgelost. 

Frage: Herr Fell, es gibt ein Komitee, das Sie für den Friedensnobelpreis nominieren will. Was bedeutet das für Sie?

Hans-Josef Fell: Das ist natürlich eine sehr große Überraschung, aber auch eine Ehre und sehr große Freude für mich, das hätte ich nie erwartet. Aber es gibt Menschen, die meine Arbeit als sehr bedeutsam einschätzen.

Sie sind für Ihr Engagement für erneuerbare Energien bekannt. Können Sie den Zusammenhang zwischen Bodenschätzen und Frieden erklären?

Fell: Es gibt da einen sehr engen Zusammenhang. Zum einen werden durch die Erderwärmung, infolge der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle, die Lebensräume vieler Menschen zerstört, sodass wir zig Millionen Flüchtlinge auf der Welt haben. Das führt zu kriegerischen Entwicklungen genauso wie die Kämpfe um diese Rohstoffe, insbesondere im nahen Osten, zum Beispiel in Syrien. Insofern kann die Umstellung auf erneuerbare Energien einen entscheidenden Beitrag zum Frieden in der Welt schaffen. Um Sonnenstrahlen kann man keine Kriege führen – um Erdöl wird viel Krieg geführt.

Sehen Sie auch in Afghanistan einen Zusammenhang?

Fell: Indirekt schon, weil zwar in Afghanistan weniger, aber in den Nachbarländern sehr viele Bodenschätze liegen. Und Erdöl spielt eine dominante Rolle. Afghanistan ist ein Transitland. Der Kampf um Rohstoffe destabilisiert die Region. Außerdem wird der terroristische Fundamentalismus sehr stark finanziert von Ölscheichs aus den Golfstaaten, somit bietet unsere Nutzung des Erdöls und Erdgases eine Finanzquelle für den Terrorismus. Das ist nicht die einzige Quelle, denn die Taliban zum Beispiel haben ihre Haupteinnahmen aus dem Drogenanbau.

Für 2021 sind insgesamt 329 Menschen und Organisationen für den Friedensnobelpreis nominiert, im nächsten Jahr wird es ähnlich sein. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Fell: Die Chancen sind aufgrund der großen Menge an Menschen, die in der Tat vieles für den Frieden geleistet haben, nicht abzuschätzen. Das Thema selbst könnte zielführend sein, denn es hat ja schon einmal zu einem Nobelpreis geführt: für die mahnende Stimme des Weltklimarats und Al Gore. Meine Nominierung zielt auf die praktische Seite: Was muss man tun? Da spielen meine gesamten Klimaschutzaktivitäten zur Ablösung des konventionellen Energiesystems eine zentrale Rolle, denn 60 Prozent der CO2-Emissionen in der Welt stammen aus Erdöl, Kohle und Erdgas. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das ich zusammen mit Hermann Scheer auf den Weg gebracht habe, ist das Fundament für die industrielle Revolution für erneuerbare Energien. Es wurde bereits von rund 70 Ländern der Erde kopiert. Die Preise sind derart gepurzelt, dass wir aktuell mit Wind und Sonne die billigste Art der Energieerzeugung haben. Das ist die Weltrevolution, die viele anerkennen und schon für nobelpreiswürdig halten.

Sie sind Präsident der Energy Watch Group. Was macht diese Gruppe?

Fell: Diese Gruppe hatte ich 2006 ins Leben gerufen, weil die Wissenschaft, die zur Politikberatung herangezogen wird, im Wesentlichen finanziert und lobbyiert ist von der fossilen und atomaren Energiewirtschaft. Ganze Lehrstühle haben sie gesponsert. Ich habe ein Netzwerk von Wissenschaftlern um mich geschart, die an erneuerbaren Energien und anderen Klimaschutzlösungen arbeiten.

Wann könnte Deutschland klimaneutral sein?

Fell: Im Jahr 2030 müssten wir 100 Prozent erneuerbare Energien umgesetzt haben, alles andere kommt zu spät und rettet uns nicht mehr vor einer unbeherrschbaren Heißzeit. Die Energie Watch Group hat Studien dazu herausgebracht, wie es möglich ist, 100 Prozent erneuerbare Energien für ganz Deutschland zu etablieren.

Was kann der Einzelne tun?

Fell: Der Einzelne ist ein sehr wesentliches Element, er kann zum Beispiel eine Solaranlage auf dem Dach installieren für sein Elektroauto oder eine Wärmepumpe. Der Strom vom eigenen Dach ist billiger. Vor allem: Grün, grün, grün! Wir brauchen grüne Gärten statt Steingärten, Umrandungen mit Büschen und Hecken. Landwirte und Kommunen können Terra Preta schaffen, also kohlenstoffsenkende Böden. Beim Einkauf sollte man Plastikmüll vermeiden, Öko-Kleidung kaufen aus nachwachsenden Rohstoffen, die mit sozial gerechten Löhnen hergestellt wurden. Bei Lebensmitteln gilt dasselbe. Der Einzelne kann enorm viel tun und fördert damit Arbeitsplätze, Wertschöpfung vor Ort und Wohlstand, aber auch die Gesundheit mit sauberen Lebensmitteln und sauberer Luft.

Hans-Josef Fell

Geboren 1952 in Hammelburg, studierte Hans-Josef Fell Physik und Sport für das Lehramt und war 1978 bis 1998 als Gymnasiallehrer tätig. Von 1999 bis 2000 war er Stadtrat in Hammelburg und Kreisrat in Bad Kissingen. Von 1998 bis 2013 vertrat Fell als Abgeordneter Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. In dieser Zeit war er gemeinsam mit dem verstorbenen Hermann Scheer Autor des Gesetzentwurfes für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 verabschiedet wurde.
Der 69-Jährige ist Präsident der Energy Watch Group, Botschafter für 100 Prozent erneuerbare Energien, Buchautor und weltweit als Berater für Regierungen und Parlamente tätig. Fell wurde vielfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt er 2018 in Hong Kong den LUI Che Woo Preis (Prize for World Civilisation) in der Kategorie Nachhaltigkeit, 2015 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2012 den Bayerischen Verdienstorden.
Quelle: regi/ hans-josef-fell.de
 
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  • W. W.
    Friedensnobelpreis für was? 1. War es als Angehöriger der Regierung nicht seine Aufgabe sich zu engagieren? 2. Hat er nicht schon vom Ausland genug Geldgeschenke bekommen? 3. Wer muss denn die Kosten seiner Ideen tragen? Wir Kleinen vor allem Rentner können dem nicht beistimmen, denn durch die Gedanken dieses Herrn hat sich einiges verteuert, vor allem der Strom! Er setzte sich ein für Windräder aber nicht an seinem Grundstück! Andere dürfen belästigt werden! Es gäbe noch vieles zu sagen, ist aber alles umsonst, Lobby eben.
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