
Jedes Jahr können Mitglieder einer Regierung, eines Parlaments oder Gerichts eines souveränen Staates eine Nominierung für den Friedensnobelpreis einreichen. Gleiches gilt für Professoren von Fakultäten und Leiter von Friedensforschungsinstituten. Jetzt will ein Komitee von weltweit tätigen Wissenschaftlern um den Plettenberger Grünen-Politiker Dr. Ingo Stuckmann den Hammelburger Hans-Josef Fell für den Friedensnobelpreis vorschlagen - zusammen mit dem verstorbenen Hermann Scheer. Eine entsprechende Petition läuft. Die Begründung des Komitees: Fell und Scheer hätten vor 20 Jahren mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen enormen Innovationsschub ausgelost.
Hans-Josef Fell: Das ist natürlich eine sehr große Überraschung, aber auch eine Ehre und sehr große Freude für mich, das hätte ich nie erwartet. Aber es gibt Menschen, die meine Arbeit als sehr bedeutsam einschätzen.
Fell: Es gibt da einen sehr engen Zusammenhang. Zum einen werden durch die Erderwärmung, infolge der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle, die Lebensräume vieler Menschen zerstört, sodass wir zig Millionen Flüchtlinge auf der Welt haben. Das führt zu kriegerischen Entwicklungen genauso wie die Kämpfe um diese Rohstoffe, insbesondere im nahen Osten, zum Beispiel in Syrien. Insofern kann die Umstellung auf erneuerbare Energien einen entscheidenden Beitrag zum Frieden in der Welt schaffen. Um Sonnenstrahlen kann man keine Kriege führen – um Erdöl wird viel Krieg geführt.
Fell: Indirekt schon, weil zwar in Afghanistan weniger, aber in den Nachbarländern sehr viele Bodenschätze liegen. Und Erdöl spielt eine dominante Rolle. Afghanistan ist ein Transitland. Der Kampf um Rohstoffe destabilisiert die Region. Außerdem wird der terroristische Fundamentalismus sehr stark finanziert von Ölscheichs aus den Golfstaaten, somit bietet unsere Nutzung des Erdöls und Erdgases eine Finanzquelle für den Terrorismus. Das ist nicht die einzige Quelle, denn die Taliban zum Beispiel haben ihre Haupteinnahmen aus dem Drogenanbau.
Fell: Die Chancen sind aufgrund der großen Menge an Menschen, die in der Tat vieles für den Frieden geleistet haben, nicht abzuschätzen. Das Thema selbst könnte zielführend sein, denn es hat ja schon einmal zu einem Nobelpreis geführt: für die mahnende Stimme des Weltklimarats und Al Gore. Meine Nominierung zielt auf die praktische Seite: Was muss man tun? Da spielen meine gesamten Klimaschutzaktivitäten zur Ablösung des konventionellen Energiesystems eine zentrale Rolle, denn 60 Prozent der CO2-Emissionen in der Welt stammen aus Erdöl, Kohle und Erdgas. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das ich zusammen mit Hermann Scheer auf den Weg gebracht habe, ist das Fundament für die industrielle Revolution für erneuerbare Energien. Es wurde bereits von rund 70 Ländern der Erde kopiert. Die Preise sind derart gepurzelt, dass wir aktuell mit Wind und Sonne die billigste Art der Energieerzeugung haben. Das ist die Weltrevolution, die viele anerkennen und schon für nobelpreiswürdig halten.
Fell: Diese Gruppe hatte ich 2006 ins Leben gerufen, weil die Wissenschaft, die zur Politikberatung herangezogen wird, im Wesentlichen finanziert und lobbyiert ist von der fossilen und atomaren Energiewirtschaft. Ganze Lehrstühle haben sie gesponsert. Ich habe ein Netzwerk von Wissenschaftlern um mich geschart, die an erneuerbaren Energien und anderen Klimaschutzlösungen arbeiten.
Fell: Im Jahr 2030 müssten wir 100 Prozent erneuerbare Energien umgesetzt haben, alles andere kommt zu spät und rettet uns nicht mehr vor einer unbeherrschbaren Heißzeit. Die Energie Watch Group hat Studien dazu herausgebracht, wie es möglich ist, 100 Prozent erneuerbare Energien für ganz Deutschland zu etablieren.
Fell: Der Einzelne ist ein sehr wesentliches Element, er kann zum Beispiel eine Solaranlage auf dem Dach installieren für sein Elektroauto oder eine Wärmepumpe. Der Strom vom eigenen Dach ist billiger. Vor allem: Grün, grün, grün! Wir brauchen grüne Gärten statt Steingärten, Umrandungen mit Büschen und Hecken. Landwirte und Kommunen können Terra Preta schaffen, also kohlenstoffsenkende Böden. Beim Einkauf sollte man Plastikmüll vermeiden, Öko-Kleidung kaufen aus nachwachsenden Rohstoffen, die mit sozial gerechten Löhnen hergestellt wurden. Bei Lebensmitteln gilt dasselbe. Der Einzelne kann enorm viel tun und fördert damit Arbeitsplätze, Wertschöpfung vor Ort und Wohlstand, aber auch die Gesundheit mit sauberen Lebensmitteln und sauberer Luft.