Mensch und Umwelt sind nicht unbedingt ein Traumpaar. Davon können Theresa Kneuer und das Team der Wildvogelstation Rhön-Saale ein trauriges Liedchen tschilpen. Als eine Art Wiedergutmacher versuchen sie immer wieder, hinzubiegen, was andere Menschen durch Eingriffe in die Natur verschulden.
Zahllose Vögel in Not, vereinzelt auch Igel und Eichhörnchen, konnten dank ihres ehrenamtlichen Einsatzes in den letzten Jahren überleben und am Ende wieder in Freiheit entlassen werden. Doch die Pfleglinge, die Kneuer und Co. seit wenigen Tagen beherbergen, sind auch für die routinierten Helfer außergewöhnliche Gäste. Und sollen, so betonen sie, auch künftig „die absolute Ausnahme“ bleiben.
Füchse sind Wildtiere
Vier junge Füchse päppeln die Vereinsverantwortlichen derzeit in der Quarantänestation des Vereins in Roth bei Steinach (Lkr. Bad Kissingen) auf. Circa vier Wochen sind die tapsigen Tierchen alt. Und so süß die Welpen auch durchs Gitter spitzen, Theresa Kneuer hätte viel darum gegeben, sie nie dorthin bringen zu müssen.
„Füchse sind Wildtiere“, sagt sie. Was selbstverständlich klingt, ist vielen Rhön-Grabfeldern wohl mittlerweile nicht mehr bewusst. Wäre es das gewesen, würden die Füchse vielleicht noch heute in ihrem Bau in Nordheim (Lkr. Rhön-Grabfeld) sitzen.
Fuchsbau als Pilgerstätte
Zugegeben, die Behausung für ihren Nachwuchs hatte die Fuchsmutter dort nicht gerade günstig gewählt, befand sich der Bau doch nur rund 15 Meter von der Hauptstraße entfernt direkt neben einem Fahrradweg. Dass ihr Zuhause mitsamt ihrer fünf Jungen aber zur Pilgerstätte für Fahrradfahrer, Familien und andere Interessierte werden könnte, die die Tiere nicht nur füttern, sondern auch streicheln, hätte wohl auch die schlaueste Füchsin nicht ahnen können.
Fast zwei Wochen ist es her, dass die Wildvogelstation Rhön-Saale erste besorgte Anrufe zum Fuchsbau in Nordheim erhielt. Den Tieren dort scheint es nicht gut zu gehen, sagten Bürger. Andere berichteten, dass sie keinerlei Scheu vor Menschen zeigten. Wieder andere fürchteten um ihre Kinder und den Fuchsbandwurm.
Füchse im Privathaushalt
Theresa Kneuer und ihr Mann verschafften sich einen ersten Überblick. Sie waren vorerst erleichtert: Keine Menschentraube, nur ein Fuchs, der neugierig aus dem Bau spähte und wieder verschwand. So weit, so gut. Angesichts der Lage entschieden sie, abzuwarten.
Tage später, am Wochenende, erneut Anrufe. Wieder fuhren die Kneuers vor Ort. Und waren entsetzt von den Menschenmassen am Fuchsbau. „Ein richtiges Schaulaufen, der Fuchsbau war eine wahre Pilgerstätte.“ Schlimmer als das: Zwei der fünf Fuchsjungen fehlten. Theresa Kneuer fand sie in einem Privathaushalt. Dorthin hätten Zeugen eines Beinahe-Verkehrsunfalls die beiden Welpen mitgenommen.
Korrespondenz mit Behörden und Experten
Der Bad Kissinger Tierarzt Heiko Grappendorf kümmerte sich um die Erstversorgung der beiden dehydrierten und mangelernährten Füchse, bevor er sie in Obhut der Wildvogelstation Rhön-Saale gab. Dort werden sie seither in der Quarantäne-Station aufgepäppelt.
Die Vereinsverantwortlichen korrespondierten sofort mit der Jagdbehörde, dem Veterinäramt und zogen einen Fachmann für große Beutegreifer, Andreas Pfister aus Bastheim, hinzu. Denn das Schicksal der verbliebenen drei Fuchswelpen war ungewiss.
Von der Fähe fehlte jede Spur
„Die Gefahr bestand, dass die Fähe bei dem Trubel am Bau wegbleibt und die Jungen nicht mehr versorgt", so Kneuer. Bei einer Begehung mit Verantwortlichen des Veterinäramts – die Zusammenarbeit mit der Behörde und Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann bezeichnet Kneuer als vorbildlich – konnten zwei der ursprünglich drei Jungtiere gesichtet werden. Von der Fähe fehlte jede Spur.
Das Landratsamt ließ den Bau absperren, organisierte Wildkameras, die aufzeichnen sollten, ob die Mutter in der Nacht zurückkäme. „Kam sie nicht“, berichtet Kneuer. Stattdessen habe ein Junges jämmerlich vor dem Bau geschrien, bei Kontrolle blieb die Hautfalte stehen, so dehydriert war das Tier. „Wir bekamen am Morgen das Go, die Tiere zu sichern.“
Das Go, die Tiere zu sichern
Einen Jungfuchs erwischte Kneuers Team am Dienstagvormittag, den anderen am Dienstagabend. „Das war dann höchste Eisenbahn.“ In der Quarantänestation konnten die vier Geschwister wieder zusammengeführt werden. Vom fünften Jungen wie auch von der Fuchsmutter fehlt bislang jede Spur. Kneuer geht davon aus, dass das Kleine eingegangen oder Opfer eines Verkehrsunfalls geworden ist.
Die kommenden Wochen werde man nun „sehr viel Zeit und Geld investieren müssen“, um das zu tun, was in der Natur ganz selbstverständlich passiert wäre, hätte sich nie ein Mensch eingemischt: Die Tiere so weit stabilisieren und aufziehen, dass man sie im August wieder in Nordheim auswildern kann.
Ziel: Aufpäppeln und Auswildern
Dass das gelingt, davon ist Theresa Kneuer überzeugt. Die Voraussetzungen seien gut: Man habe die verbliebenen Jungtiere zusammenbringen können. Nun könnten sie unter minimalem Kontakt zum Menschen im Gruppenverband Sozialverhalten erlernen. „Nach dem Verlust der Fähe haben wir die Tiere früh genug sicher können, um eine Domestizierung zu vermeiden.“
Zunächst, so ist der Plan, bleiben die Tiere zwei bis drei Wochen in Quarantäne in Roth bei Steinach, in der Zeit muss nach klaren gesetzlichen Vorgaben ein Außengehege geschaffen werden. Dort sollen sie mit so wenig Menschenkontakt wie möglich aufwachsen und beispielsweise die nötige Sprungmuskulatur entwickeln können. Den Rest erledigt der Instinkt. „Auch wenn den Fuchsjungen nie eine Mutter zeigte, wie man jagt, können sie das in freier Wildbahn genetisch bedingt dann ganz automatisch“, so Kneuer.
„Keine Gefahr für Menschen“
Verantworten könnten den Auswilderungs-Versuch die Wildvogel-Station Rhön-Saale sowie die Behörden deshalb, weil vom Menschen aufgezogene Füchse anders als vielleicht Marder oder Wölfe dem Menschen nicht gefährlich werden.
Der Aufwand, der für das Wohl der Füchse betrieben werden muss, ist allerdings hoch. Alle drei bis vier Stunden müssen die Tiere gefüttert werden, momentan erhalten sie Rindfleisch, Geflügelleber, Mäuse, Küken und natürlich spezielle Milch. Sie werden medizinisch versorgt, der Kot wird untersucht. Mit über 100 Euro pro Fuchs und Monat Kosten rechnet Kneuer derzeit. Die Station muss mindestens zwei Mal am Tag gereinigt und desinfiziert werden. Drei Maschinen Wäsche pro Tag hat Familie Kneuer allein der Füchse wegen.
Verein bittet um Spenden
Sind die Tiere so weit stabil, dass sie ins Außengehege können, wird es einfacher. Wo das Außengehege entstehen wird, ist auch schon klar: Bei dem Experten für große Beutegreifer in Bastheim. Mit welchem Geld das bezahlt wird, ist noch unklar. Die Wildvogelstation hofft auf Spenden aus der Bevölkerung. Der Landkreis habe seine Unterstützung bereits zugesagt.
Damit sich derartige Vorfälle nicht wiederholen, appelliert Theresa Kneuer noch einmal eindringlich an die Bevölkerung, sich von Fuchsbauten in freier Wildbahn fern zu halten und die Tiere weder zu füttern noch sie zu berühren. Im Zweifel dürfe man natürlich die Notrufnummer ihres Vereins wählen, sagt sie in der Hoffnung, dass das Nebeneinander von Mensch und Natur künftig wieder ein bisschen besser funktioniert.
Spenden für die Füchse kann man an die Wildvogelstation Rhön-Saale unter der IBAN DE47 7935 3090 0011 2541 74, Stichwort „Fuchsrettung“. Wer Futterpate und Namensgeber eines Tieres werden will, kann sich beim Verein melden, Tel. 0171/51 59 064.