
In dieser Woche soll der erste Schnee fallen. Damit würde der zweite Corona-Winter beginnen. Der erste ist vielen noch im Gedächtnis; Staus, viele rücksichtslose Touristen und Müll. Manch einer forderte die Sperrung wichtiger Touristenziele. Droht der Rhön nun ein zweiter Winter mit Overtourism und haben sich Behörden darauf vorbereitet?
Klaus Spitzl, Geschäftsführer des Vereins Naturpark und Biosphärenreservat Bayerische Rhön, meint: "Eine profunde Antwort darauf wäre nur Spekulation." Aktuell seien noch zu viele Unbekannten im Spiel. Thomas Vöth, der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Bad Brückenau, hält sich ebenfalls mit Prognosen zurück. "Es ist schwer zu sagen, wie es mit den Touristen heuer wird. Prinzipiell gilt: Wenn Schnee liegt, kommen Wintergäste. Aber ob das überhandnimmt, können wir noch nicht sagen."
Es könnte nicht so brisant werden
Seine Vermutung: "Ich schätze, dass es nicht so brisant wird wie im vergangenen Jahr." Das begründet der Polizist damit, dass im Winter 2020 noch andere Corona-Auflagen gegolten hätten – etwa die Ausgangsbeschränkungen. "Vielleicht entzerrt es sich dadurch. Aber wir schauen uns die Situation genau an und reagieren dann entsprechend." Die Rhön GmbH – die hiesigen Touristikern – gehen von einer „unvorhersehbaren Situation“ aus. "Daher werden wir uns und alle beteiligten Akteure möglichst flexibel aufstellen, um auf die kurzfristigen Veränderungen reagieren zu können", heißt es aus Oberbach.
Die Menschenmassen kanalisieren
Davon, dass Handlungsbedarf herrscht, ist Enno Piening aus Bad Kissingen überzeugt. Er ist Vorsitzender des Birkwild-Hegerings, der sich in der Hochrhön dem Erhalt des Birkhuhns gewidmet hat. Er meint: "Die Situation ist schwierig. Im Naturschutzgebiet sind Zustände, die mit dem Status nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Die Leute laufen kreuz und quer." Er meint: "So ergibt das keinen Sinn mehr, es braucht eine Strategie, um die Menschenmassen zu kanalisieren."
Mit dem Beginn der Pandemie sei der Drang, nach draußen zu gehen, gewachsen. "Ich verstehe es ja, die Rhön ist wunderschön – aber die Landschaft lässt sich auch genießen, wenn man auf den Wegen bleibt." Dafür plädiert auch Klaus Spitzl. Es sei eine stetige Herausforderung für das Personal, die Touristen darauf hinzuweisen. Kritisch sieht Enno Piening die menschlichen Hinterlassenschaften.
Es fehlt an Toiletten
"Es gibt in der Rhön kaum öffentliche Toiletten. Es braucht Strukturen in den Orten“, meint er. Somit könnten auch ansässige Bäcker und Metzger von den Touristen profitieren. Und: Die Lage in den sensiblen Gebieten würde sich entzerren. Seine Wahrnehmung: "Die Leute sind teils rücksichts- aber auch teils gedankenlos in dem Schutzgebiet unterwegs." Für ihn ist klar: "Es braucht ein Strategiepapier.“ Davon ist auch Torsten Kirchner überzeugt. Er ist Gebietsbetreuer für das Naturschutzgebiet der Langen Rhön.

"Wenn gegen Mitte der Woche der Wetterbericht mit Schnee fürs Wochenende kommt, bleibt uns wenig Zeit, um die Welt noch zu retten. Das funktioniert nicht." Hinzu komme noch die Gliederung der Rhön auf drei Länder und diverse Zuständigkeiten. "Es braucht einen Einsatzplan auf Knopfdruck." Doch den gibt es bisher nicht. Laut der Rhön GmbH versuche man bereits im Vorfeld, kritische Situationen zu sehen. Aber: Verschiedene Ferien- und Feiertagsdaten und nicht zuletzt das Wetter erschwerten das Vorgehen.
Hilft die Digitalisierung
Ende November ist laut Torsten Kirchner eine Besprechung angesetzt. Das große Thema ist die Besucherlenkung. Er ist sicher: "Dabei wird der Winter sicherlich thematisiert." Sein Wunsch: "Es braucht einen länderübergreifenden Ansatz, dass beispielsweise Parkplätze gesperrt werden. Das Konzept und dessen Durchsetzung muss aber jemand schultern." Klaus Spitzl: "Das ist ein dickes Brett – nur Schilder aufstellen hilft da meines Erachtens nichts.“ Sein Vorschlag: "Das Thema ist insbesondere mit den digitalen Medien zu bearbeiten, wie etwa dem Ausflugsticker Bayern."
Die Situation in der Rhön hat laut Torsten Kirchner neue Dimensionen angenommen. "Einerseits die Menschenmassen und andererseits das Verhalten der Menschen. Wir hatten alles in diesem Jahr. Leute, die ihre Chemieklos ins Naturschutzgebiet ausleeren, Einweggrills und auch Lagerfeuer im Fichtenwald während des Sommers."
Selbstkritik der Touristiker
Allerdings übt er auch Selbstkritik: "Wir müssen besser bei der Kommunikation werden. Es ist fragwürdig, ob ein Schild mit viel Text von 1983 heute noch zeitgemäß ist, um die Leute aufzuklären, was erlaubt ist." Für Unmut sorgt bei ihm auch das Verhalten mancher Gäste, wenn ein Ranger sie mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert. „Sie fragen nach der Strafe, und dann kommt ein 'Geld ist unser geringstes Problem. Zahlen wir es halt'“, sagt Kirchner. Einen Teil des Verhaltens führt er auf die Pandemie zurück. "Die Leute sind regelmüde." Einen Vorteil zum vergangenen Winter gebe es jedoch. "Wir sind personell besser aufgestellt. Es gibt mehr Ranger." Ob das reicht?