zurück
Bad Kissingen
Drohende Schließung des Parkwohnstifts Bad Kissingen: Betroffene sind schockiert, wütend und verzweifelt
Seitdem die Schließung des Parkwohnstiftes im Raum steht, ist's für viele mit der Ruhe vorbei. Betroffenheit und Missmut sind zu spüren. Aber es gibt auch Hoffnung.
'Wohin mit uns?' Um ihren Protest gegen die drohende Schließung des Parkwohnstifts in Bad Kissingen zu untermauern, fanden sich etliche Bewohnerinnen und Bewohner vor dem Eingang ein.   
Foto: Anand Anders | "Wohin mit uns?" Um ihren Protest gegen die drohende Schließung des Parkwohnstifts in Bad Kissingen zu untermauern, fanden sich etliche Bewohnerinnen und Bewohner vor dem Eingang ein.   
Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 07.03.2024 02:54 Uhr

Am Faschingsdienstag wurde die Ruhe in der Seniorenresidenz Parkwohnstift mit einer schlechten Nachricht jäh gestört. Nach Feiern war plötzlich keinem mehr gewesen. Beim Spielnachmittag an diesem Tag habe es sogar "Tumult" gegeben, berichten Betroffene im Gespräch mit dieser Redaktion.

Nach Verkündung der Insolvenz der Parkwohnstift GmbH als Tochterunternehmen der Arbeiterwohlfahrt, samt drohender Schließung des Hauses mit 273 Bewohnern und 159 Mitarbeitern zum 30. Juni, ist nichts mehr wie es war. Sogar Suizidgedanken sollen einzelne Bewohner angesichts empfundener Ausweglosigkeit geäußert haben, erfährt diese Redaktion im Gespräch mit den Menschen, die dort wohnen. 97 Bewohner der Pflege haben, laut AWO, schon neue Unterbringungsangebote. Andere stehen bereits unter dem bitteren Eindruck, dass es bundesweit so gut wie keine Wohnalternativen für sie gibt.

Nach den Gesprächen folgte der Protest

Nach der ersten Schockstarre machen die Leidtragenden mobil. Ein Gesprächstermin einiger Bewohnerinnen und Bewohner mit dieser Redaktion vor Ort mündet in eine spontane Protestbekundung. Um ihrer Betroffenheit Ausdruck zu verleihen, stellen sich zahlreicher Senioren und Seniorinnen zum Gruppenfoto auf.

Gerhard Bauer würde gerne im Parkwohnstift bleiben. Eine andere Wohnung hat er gar nicht in Aussicht.  
Foto: Anand Anders | Gerhard Bauer würde gerne im Parkwohnstift bleiben. Eine andere Wohnung hat er gar nicht in Aussicht.  

Bei aller Fassungslosigkeit gibt es aber auch Stimmen unter den Bewohnern, die zur Besonnenheit mahnen. Dass etliche Personen jetzt an Auszug denken, könne den Fortbestand des Hauses zusätzlich gefährden, heißt es. Dabei gibt es ja offenbar noch Hoffnung: Am Dienstagnachmittag informierte die AWO im Haus, dass die AXA nun kompromissbereit sei, um die Residenz gemeinsam an einen Investor abzugeben.

AWO will im März über den Stand der Dinge informieren

Offiziell bestätigt wird das nicht. "Es gibt keinen neuen Sachstand", teilt die AWO Unterfranken dazu auf Nachfrage mit. Aber es seien Gespräche "mit verschiedenen Akteuren" aufgenommen worden. Voraussichtlich am  15. März werde man bei einem Pressegespräch darüber informieren, eventuell auch früher.

Vor allem die Informationspolitik sorgt bei den Bewohnern des Parkwohnstifts für Verärgerung. "Die Aufregung der vergangenen Tage kostet mich drei Jahre meines Lebens", ist Doris Drochner (82) überzeugt, die in der hausinternen Interessenvertretung Appartements (IFA) mitwirkt.

"Wir drängen jetzt auf Tempo, sonst werden die Leute hier verrückt." 
Doris Drochner von der Interessenvertretung Appartements

Damit die Betroffenen nicht weiter in der Luft hängen, sei jetzt vereinbart worden, dass am schwarzen Brett in kurzen Abständen über den Stand der Dinge informiert werden soll. Außerdem sollen "der oberste AWO-Boss" (Drochner) sowie Oberbürgermeister Dirk Vogel, Landrat Thomas Bold und auch Bundestagsabgeordnete eingeladen werden, damit Bewohner und Angestellte das Gefühl bekommen, dass sie nicht alleine dastehen.

Heidi Vorndran warnt ihre Mitbewohner vor übereilten Schritten.
Foto: Anand Anders | Heidi Vorndran warnt ihre Mitbewohner vor übereilten Schritten.

"Wir drängen jetzt auf Tempo, sonst werden die Leute hier verrückt", sagt Drochner. Wie zu hören war, würden sich einzelne Mieter nun getäuscht fühlen, dass sie, im Vertrauen auf den Fortbestand des Parkwohnstifts, gerade erst bis zu 70.000 Euro investiert hätten, um ihre Mietappartements zu optimieren. Es gebe sogar Arbeiten, die unter dem Eindruck der Insolvenz kurzfristig eingestellt worden seien. 

"Das ist alles sehr grenzwertig", beschreibt Drochner im Gespräch mit der Redaktion den Umgang der AWO mit den Mietern unter dem Eindruck ihrer eigenen Betroffenheit. Erst 2022 hatte sie mit ihrem Mann Hartmut (85) das eigene Haus verkauft, um im Parkwohnstift einzuziehen. Bislang seien sie sehr glücklich gewesen.

"Für Bad Kissingen haben wir uns entschieden, weil wir dachten, das Haus gehöre der gemeinnützigen AWO", erzählt Drochner. Erst bei der Anmeldung im Bürgerbüro habe das Paar erkannt, dass die AXA dahinter steht.

"Wir waren völlig von den Socken."
Doris Drochner, 82

Der größte "Schlag ins Kontor" sei die Verkündung der Insolvenz gewesen. "Wir waren völlig von den Socken", sagt Drochner. Eigentlich habe die IFA nur eine Petition gegen die schlechte Internetanbindung der Appartements übergeben wollen.

Anderswo Wartezeiten von bis zu sechs Jahren   

Heidi Vorndran (84) ist seitdem ebenfalls in großer Sorge, rät aber als IFA-Vertreterin auch dazu, Ruhe zu bewahren. "Nichts wird so heißt gegessen, wie es gekocht wird", sagt sie im Gespräch in ihrem Appartement. Die Nachricht sei noch zu frisch und die Mietverträge nicht einmal gekündigt.

Helge Bonnet hat bisher vergeblich nach einem anderen Quartier gesucht. Dabei will sie wie viele andere gar nicht ausziehen.
Foto: Anand Anders | Helge Bonnet hat bisher vergeblich nach einem anderen Quartier gesucht. Dabei will sie wie viele andere gar nicht ausziehen.

Weniger gelassen ist Helge Bonnet. "Wir sind praktisch obdachlos", zeichnet sie mit Blick auf ihre ungewisse Zukunft düsteres Bild. Die 88-Jährige hat nach eigenen Angaben bereits von Hamburg bis nach München telefoniert. "Es ist alles ausgebucht", beschreibt sie Wartezeiten von bis zu sechs Jahren. 

Dass ihr Leben im Alter so turbulent werden würde, hätte sie sich nicht träumen lassen, als sie ihre Wohnung in Paris veräußerte, um in die Welterbestadt an der Saale zu ziehen. Gelockt habe die Möglichkeit, künftig mit den Pflegeoptionen im Parkwohnstift alt zu werden. Sieben Konzerte habe sie 2023 beim Kissinger Sommer gebucht. "Dieses Jahr wegen der aktuellen Unsicherheit erst einmal gar nichts mehr", verrät sie.

Völlig vor den Kopf gestoßen

Vor den Kopf gestoßen ist durch die Insolvenz auch Gerhard Bauer. Der 87-Jährige hatte 2022 sein Haus in München verkauft, um näher bei der Verwandtschaft in Elfershausen zu sein. "Jetzt bin ich richtig hilflos", sagt er in seiner Zweizimmerwohnung zur bisher vergeblichen Suche nach einer neuen Wohnung. Er habe die Seniorenresidenz "mit der AWO dahinter" für eine sichere Sache gehalten. 

Marliese Baltrock fühlt sich im Parkwohnstift bestens vernetzt. An einen Umzug mag sie gar nicht denken.   
Foto: Anand Anders | Marliese Baltrock fühlt sich im Parkwohnstift bestens vernetzt. An einen Umzug mag sie gar nicht denken.   

Marliese Baltrock (80) stellt sich in ihrem Zimmer als rheinische Frohnatur vor. Den Einzug in das 32-Quadratmeter-Zimmer mit Klappbett hatte sie sich als Ersatz für eine geplante Kreuzfahrt vor zehn Jahren zum Geburtstag geschenkt. "Das Parkwohnstift war mein Traumschiff", sagt sie.

Nur noch ein Thema im Friseursalon

Doch jetzt liegt dieser Schatten über dem Wohnglück. Tatsächlich kann Baltrock die Tränen kaum verdrücken, wenn sie vom drohenden Auszug spricht. Sie gehört einem ehrenamtlichen Team an, das Gesellschaftsspiele, wie Canasta und Skat, jeden Dienstag mit rund 25 Teilnehmern anbietet. Die jüngsten Begegnungen musste sie immer wieder unterbrechen, damit sich die Mitspielerinnen und Mitspieler wegen des Themas Insolvenz Luft machen konnten.

Als "Stadt in der Stadt" mit ihren vielen Beschäftigten bezeichnet Friseurmeisterin Ilona Heilmann das Parkwohnstift mit seinen Angeboten samt Hallenbad, Lädchen und dem Taxistand davor. In ihrem Salon gebe es unter den Kunden aktuell nur ein Thema. Keiner könne sich vorstellen, dass in dem nachts hoch über Garitz leuchtenden Wahrzeichen tatsächlich die Lichter ausgehen sollen. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Wolfgang Dünnebier
AXA
Arbeiterwohlfahrt
Gesprächstermine
Insolvenzen
Kissinger Sommer
Stadt Bad Kissingen
Thomas Bold
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Peter Koch
    Was sich die AWO da geleistet hat ist schon übel. In den letzen 10 Jahren hat das Heim nur 2017 und 2018 insgesamt 1 Million Euro Gewinn gemacht, sonst nur Verluste die nach 2018 nicht mehr durch das Eigenkapital gedeckt waren. Die AWO musste nach 2018 mit Patronatserklärungen die eigentlich fällige Insolvenz verhindern.
    Dass die AWO in dieser Situation Mieter noch Geld für Modernisierungen inverstieren liess ist eine Sauerei die man sonst nur von Finanzheuschrecken kennt.
    Übrigens kassierte die AWO Bezirksverband Unterfranken e. V 2019 € 3.946.000 Pachtzins.

    Quelle www.bundesanzeiger.de
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Roland Albert
    Linke Tasche, Rechte Tasche.
    Die Politik machts vor und viele machen das nach.
    Und dann noch gemeinnützige GmbH.
    Manchmal fehlen einem nicht nur die Worte, sondern auch das Verständnis. Jede Lücke wird genutzt um den anderen einen einzuschenken. Die Schwächsten trifft es immer, wobei in diesem Hause die finanziell eher gut bis sehr gut betuchten Senioren residieren. Deswegen heisst es auch nicht Altenheim oder Wohnheim, sondern Seniorenresidenz.
    Es geht nur um die Plätze. Wenn man "etwas" zurückstecken würde, gäbe es in anderen Häusern ebenfalls privilegierte Einheiten. Es ist aber schon ein Unterschied, ob man in einer Weltsterbe- äh Welterbestadt residiert oder halt in Nüdlingen hinter der Haardstrasse.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Roland Albert
    Ist das mit der Weltsterbestadt ein schlechter Scherz? Wenn man derartige Artikel mit Diktierfunktion schreibt, sollte man genau Korrektur lesen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten