Der Schwammspinner treibt zurzeit die Kommunalpolitik im Landkreis Bad Kissingen um. Einige Stadt- und Gemeinderäte haben bereits einem Insektizideinsatz gegen die Ausbreitung der Raupe zugestimmt, wie ihn die Bayerischen Forstverwaltung empfiehlt. In anderen steht die Entscheidung noch an. So auch am Mittwoch im Bad Kissinger Stadtrat. Die Bekämpfung ist aber nicht unumstritten. In Hammelburg stimmte der Umweltausschuss am Montag unter einem Vorbehalt zu.
Gegensätzliche Positionen zur Schwammspinner-Bekämpfung im Wald prallten bei einem Ortstermin im Revier von Förster Mathias Lunz bei Oerlenbach aufeinander. Es ging um die Frage, wie gefährdete Eichenwälder vor der zerstörerischen Fressraupe gerettet werden können. Im Wald diskutierten Forstleute und Vertreter von Kommunen auf Einladung vom Bund Naturschutz (BN) und Rannungens Zweitem Bürgermeister Werner Keller.
Der Bund Naturschutz lehnt den Pestizideinsatz ab. „Es kann doch nicht sein, dass sich mehr als 18 Prozent der Bevölkerung beim Volksbegehren für mehr Artenschutz auch bei Insekten aussprechen und wir dann zur Tagesordnung übergehen. Das ist der Bevölkerung nicht vermittelbar,“ erklärte der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Franz Zang.
Die Ausgangslage erläuterte Hubert Türich, Abteilungsleiter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF). Die Häufung trockener, heißer Jahre schwäche auch die Eichenwälder. Dies führe zu einer Vermehrung des Schwammspinners. Dessen Raupen fressen schon geschwächte Eichen kahl, die damit vom Absterben bedroht sind. Nicht zu verwechseln ist er mit dem Eichenprozessionsspinner, der bekämpft wird, weil er beim Menschen allergische Reaktionen hervorruft.
Über Zählungen von Schwammspinnergelegen hat die Bayerische- Forstverwaltung zusammen mit der Landesanstalt für Wald (LWF) eine Prognose für den Schwammspinnerbefall 2019 erstellt und an die Waldbesitzer weitergegeben. Erstmalig ist nun Massenvermehrung auch im Kreis Kissingen zu befürchten. Von 7000 Hektar Eichenwäldern droht nach der Erhebung auf 360 Hektar in 17 Beständen Massenvermehrung.
Die Ausbringung von Mimic wird von den Forstverwaltung finanziert und organisiert. Das Mittel wird von Raupen gefressen und greift in den Häutungsprozess ein. Hier setzt die Kritik des BN ein. Denn es sterben nicht nur die Schwammspinnerraupen, sondern Raupen aller Schmetterlingsarten, die während dieser Zeit im Blattwerk der Eiche fressen. Das können in den artenreichen Eichenwäldern bis zu 400 Arten sein. Unterschiedliche Auffassungen gab es auf Seiten von LWF und des BN, ob das verwendete Mittel auch gegen alle sich häutenden Gliederfüßer wirkt, die zum Teil für das Bodenleben eine wichtige Rolle spielen.
Diskutiert wurde, ob mit dem Spritzen auch die natürlichen Fressfeinde wie etwa der Kleine Puppenräuber oder streng geschützte Arten wie die Spanische Fahne getötet werden. „Vor solch einem Einsatz müssten die Flächen erst artenschutzrechtlich überprüft werden“, fordert Oskar Jungklaus, Schmetterlingsexperte der BN-Kreisgruppe. Arten wie der Nachtkerzenschwärmer, die in der Region nachgewiesen sind, sind ebenfalls streng geschützt.
Sein Rückschluss: „Wir müssen den Wald fit machen für den Klimawandel. Schattenbäume wie Buchen kühlen den Untergrund ab und Weichholzarten wie Birke, Zitterpappel erhöhen die Biodiversität, stärken das ökologische Gleichgewicht im Eichenwald und gebieten der Massenvermehrung des Schwammspinners Einhalt.“
Auch Bernhard Zürner vom AELF stimmte der Forderung zu, dass wegen der Klimaerwärmung eine Strategie für den Waldumbau entwickelt werden und die Naturverjüngung der Eichenwälder gestärkt stärken muss. Wie dies umgesetzt werden könnte, daran schieden sich die Geister.
Gleiches galt für die grundsätzliche Frage der Notwendigkeit der Bekämpfungsmaßnahme überhaupt. Ralf Petercord von der LWF, zuständig für die Prognosen zum Schwammspinnerbefall und die daraus resultierende chemische Bekämpfung, hält die geplante Bekämpfung für unabdingbar, um die Eichenwälder zu retten.
Ralf Straußberger, BN-Waldreferent, weist dagegen auf befallene Flächen wie etwa in Gunzenhausen hin, die 2018 nicht mit Insektiziden behandelt wurden, und wieder ausgeschlagen haben. „Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass die Eichenwälder durch den Schwammspinner in ihrer Substanz gefährdet sind“. Einig war man sich jedoch in der Aussage, dass der Fraß durch den Schwammspinner für die durch den trockenen Sommer geschwächte Eiche weiteren Stress darstellt.
Einig waren sich zudem alle, dass mehr in Forschung und Monitoring investiert werden muss. Da von den befallenen Flächen aufgrund gesetzlicher Auflagen nur 50 Prozent chemisch besprüht werden dürfen, stünden ausreichend Vergleichsflächen zur Verfügung.