Eine spezielle Uraufführung gab es am Freitag zum Welterbe-Festakt im Littmann-Saal. Dirigent Burghard Tölke präsentierte mit der Staatsbad Philharmonie zum ersten Mal seine Eigenkomposition Bad Kissinger Liebe.
Der Auftritt hatte es in sich. Tölke streifte sich vor dem Beginn des Stückes eine gelbe Weste mit der Aufschrift "Streik" über. Damit verschaffte er einem Thema Aufmerksamkeit, das den zwölf Musikern auf den Nägeln brennt. Sie setzen sich bislang vergeblich für einen Tarifvertrag ein.
Verhaltender Applaus
Das bisweilen melancholische Stück bekam durch die Aktion eine besondere Note. Der Applaus hinterherwirkte eher verhalten. Unter den Ehrengästen war das Echo hinterher geteilt.
"Es gab Ablehnung, aber auch Zustimmung", fasst Tölke am Montag auf Nachfrage dieser Redaktion seine Erlebnisse zusammen. Auch im Foyer und vor dem Littmann-Bau kamen Musiker und Ehrengäste ins Gespräch. Dort hatte das Ensemble Plakate mit dem Slogan "Welterbe gibt es nicht zum Nulltarif" aufgehängt.
Konstruktive Gespräche und Unsägliches
Diskussionsstoff boten auch Flyer, in denen die Telefonnummer von Oberbürgermeister Dirk Vogel zu lesen stand. Dies verbunden mit dem Apell ans Publikum, doch mal dort anzurufen und den Forderungen der Musiker Nachdruck zu verleihen. Es habe konstruktive Gespräche gegeben, aber auch Unsägliches, berichtet Tölke. So habe er sich anhören müssen, dass das Kurorchester nichts mehr taugen würde, weil so viele Ausländer mitspielen.
Die Aktion mit der Weste sieht Tölke durchaus selbstkritisch. "Manche fanden es sehr unangebracht. Das finde ich auch", gesteht er zu. Aber es sei eines der letzten Mittel, um auf die Forderungen aufmerksam zu machen. Er habe es sich nicht leicht gemacht. Letztlich sei das gewissermaßen auch ein Missbrauch des Vertrauens, räumt er ein. Und das tue ihm auch ein bisschen weh. Denn das Verhältnis auf persönlicher Ebene mit den Verantwortlichen weiß Tölke sehr zu schätzen.
Keine Stellungnahme aus dem Rathaus
Um sein Orchester vor denkbaren arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu schützen, habe nur er auf der Bühne eine Weste getragen. Eines hätte er im Nachhinein anders gemacht: "Ich habe das Publikum zu wenig auf die Aktion vorbereitet", resümiert Tölke. Deswegen sei es etwas ratlos zurückgeblieben.
Zum gewählten Stil des Protests geben Stadt Bad Kissingen sowie die Bayerische Staatsbad Bad Kissingen GmbH auf Nachfrage ausdrücklich keine Stellungnahme ab: "Dafür sehen wir keinen Bedarf", hieß es. Beide verweisen auf ihre Positionen von vergangener Woche. Einen Tarifvertrag für die Musiker halten sie demnach aktuell für nicht finanzierbar. Gespräche über regelmäßige Lohnanpassungen werden aber nicht ausgeschlossen.
Förderverein zeigt Verständnis
Kurt Rieder, Vorsitzender des Fördervereins für die Staatsbad Philharmonie, zeigt Verständnis für die gewählte Form des Protests: "Es war ein Signal dafür, dass man es ernst meint mit den Forderungen nach festen vertraglichen Regelungen." Den verhaltenen Applaus nach der Uraufführung sieht er eher der Länge der gebotenen Veranstaltung geschuldet. Die Gäste seien wohl froh gewesen, nach drei Stunden wieder zur Tagesordnung übergehen zu können, findet er.
In den Hintergrund geriet bei dem Drumherum das erstmals präsentierte Stück Kissinger Liebe. Sechs Minuten dauert das getragene Siciliano mit reichlich melancholischem Grundton. Es handelt sich laut Tölke um eine Auftragsarbeit der Stadt, allerdings ohne Budget, wie er erst später erfahren habe.
"Bad Kissingen braucht Veränderung"
Seit vergangenem Sommer hat der Dirigent nach eigenen Worten daran geschrieben. Die Komposition besteht aus drei Teilen. Zwei davon getragen, das Mittelstück aufgewühlter. "Es soll zeigen, dass Bad Kissingen auch Veränderung braucht."
Sein Ziel sei es gewesen, durch das getragene Werk die Würde des Regentenbaues auszudrücken, und nicht etwa seine Trauer um einen fehlenden Tarifvertrag, versichert Tölke. Den Regentenbau erlebe er als prägend für die Welterbestadt, auch wegen der früheren Anwesenheit vieler großer Komponisten. "Fröhliche Stücke sind viel kurzlebiger", gibt Tölke zu bedenken. Das wäre dem Gemäuer nicht gerecht geworden.
Streikweste steht in der Partitur
Trotzdem greift sein Stück auch den Konflikt um den Tarifvertrag auf. In der Partitur seien die Anmerkungen zum An- und Ausziehen der Weste enthalten. Allerdings habe sich für die Partitur niemand interessiert. Am liebsten hätte er es gehabt, wenn er die Anmerkungen vor dem Festakt hätte streichen können. Dazu sei es mangels bisheriger Einigung nicht gekommen.
Wie geht es nun weiter? Auch bei den regelmäßigen Kurkonzerten ist die "Streikweste" seit dem Festakt inzwischen gegenwärtig. "Aber wir streiken nicht", beruhigt Tölke. Es komme höchstens zu kleineren heiteren musikalischen Auslassungen. "Das Lächeln darf nicht verloren gehen", ist er überzeugt. Zumal das Publikum sehr sensibel sei und manche echte Strapazen auf sich nehmen, um bei den Konzerten dabei zu sein. Die Kurmusik soll weiter ein Beitrag zur Gesundung der Gäste bleiben, versichert der Dirigent.