Frauen, die vom Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine überrascht waren und die der Krieg zur Flucht zwang. Frauen, die in Unterfranken landeten und ihre Heimat schmerzlich vermissten. Im vergangenen Jahr hat unser Fotograf Daniel Peter elf Ukrainerinnen getroffen und porträtiert. Mit Hilfe zweier Dolmetscherinnen erzählten sie ihre Geschichten - noch überwältigt von der Gastfreundschaft in Deutschland. Und wollten doch eigentlich nur zurück.
Wie geht es den Ukrainerinnen heute? Wo sind sie jetzt? Und was ist ihre Hoffnung? Vier von ihnen konnte Daniel Peter jetzt wieder erreichen - zwei noch in Unterfranken, zwei in Kiew. Das schildern sie.
1. Irina Gorbatenko, 39, von Waldbrunn wieder zurück nach Browary: "Wir haben ein riesiges Problem beim Unterrichten unserer Kinder"
"In diesem Jahr hat sich viel verändert. Und gleichzeitig ist das Leben erstarrt. Weil wir nicht wissen, wie es weitergeht. Das Leben hat sich verändert, wir schätzen Dinge, die früher selbstverständlich waren: Verwandte und Freunde, Ruhe und Frieden, Arbeit. Ich musste meinen Job aufgeben, fand mich aber in einem anderen Bereich wieder. Aktuell gebe ich ukrainischen Kindern Nachhilfeunterricht in Mathematik.
Tatsächlich haben wir ein riesiges Problem beim Unterrichten unserer Kinder: Ständige Fliegeralarme und andere Gefahren machen es sehr schwierig, den Bildungsprozess zu organisieren. Eltern müssen ihre Kinder selbst unterrichten. Kinder im Ausland müssen in zwei Schulen lernen und brauchen zusätzlichen Unterricht.
In meiner Freizeit engagiere ich mich in einer Volksgesangsgruppe. Mit unserer Kreativität erhalten wir die Kultur und die nationale Idee. Es hilft mir, mein inneres Gleichgewicht zu finden. Meine einzige Hoffnung ist, dass die Ukraine diesen Krieg für sich entscheidet. Damit meine Tochter in einem friedlichen Land aufwächst. Und ihr Leben in Würde leben kann."
2. Inna Khmiel, 36, aus Odessa lebt mit ihren Kindern in Bad Kissingen: "An Weihnachten als Weihnachtsgeschenk zu Romas Papa in die Ukraine"
"Wir leben immer noch in Deutschland. In der gleichen Wohnung. Ohne den Vater meiner Kinder. Inzwischen lebt auch meine Schwiegermutter bei uns. Das hat Vieles einfacher gemacht. Im November hat Roma auf einmal sehr unruhig geschlafen. Er wachte nachts auf, weinte und rief nach seinem Papa. Jede Nacht, fast einen ganzen Monat lang. Roma war sehr unruhig. Er wollte seinen Vater sehen.
Ich hab ihm versprochen, an Weihnachten mit ihm in die Ukraine zu fahren, als Weihnachtsgeschenk. Zu seinem Papa. Das haben wir dann auch gemacht. Trotz aller Gefahren. Valeria ist bei ihrer Großmutter geblieben. Die Reise war sehr teuer. Wir waren wirklich aufgeregt. Und hatten große Angst. Besonders wenn wir Hubschrauber oder Flugzeuge gehört haben. Oder wenn es Fliegeralarm gab.
In der Ukraine hatten wir weder Licht, noch Heizung. Nicht einmal Wasser. Kochen konnten wir zum Glück, weil der Herd mit Gas lief. Unser eigenes Haus konnten wir leider nicht sehen. Wir haben uns mit meinem Mann im Westen der Ukraine getroffen. Inzwischen sind wir wieder in Bad Kissingen. Hier sind meine Kinder sicher und ich kann unbesorgt schlafen. Wir sind wirklich dankbar dem Land und den vielen Menschen, die uns hier helfen und ein neues Zuhause geben. Sie haben ein großes Herz."
3. Natalie Papazoglu, 39, aus Kiew lebt in Schloss Weißenbrunn: "Gerade fühl ich mich wie in einem Gefängnis"
"Ich lebe im Gästehaus der Musikakademie Schloss Weißenbrunn im Landkreis Haßberge. In einem sehr kleinen Dorf. Leider hab ich dort keine Möglichkeiten, meine kreative Laufbahn weiterzuentwickeln. Ich habe vielen Organisationen geschrieben, die Musikerinnen und Musikern aus der Ukraine helfen. Aber niemand hat sich gemeldet.
Ich würde wirklich gern nach Berlin ziehen, weil ich es gewohnt bin, in einer Großstadt zu leben. In der Ukraine habe ich in Kiew gearbeitet. Die Bürokratie in Deutschland macht es leider schwierig das umzusetzen. Eigentlich hab ich Europa als Chance gesehen. Deutschland ist ein gutes Land. Aber für Fremde ist es schwierig, sich zurechtzufinden. Ich wollte wirklich Deutsch lernen, aber das kann ich auch nicht.
Ich lebe in einem Dorf. Nur Wälder und Wiesen um ich herum. Es fährt nicht mal ein Bus. Gerade fühl ich mich wie in einem Gefängnis. Ich hoffe, dass der Krieg in meinem Heimatland bald zu Ende ist und ich nach Hause gehen kann, zu meiner Familie und zu meinen Freunden."
4. Polina Kucherenko, 27, ist von Triefenstein wieder nach Kiew gezogen: "Ich bin zurückgekehrt, um mein Land zu unterstützen"
"Wir sind seit August wieder in Kiew. Ich bin zurückgekehrt, um mein Land zu unterstützen. Das ist wichtiger, als um Hilfe zu bitten. Am meisten habe ich mich gefreut, meine Familie und meine Freunde wiederzusehen. Und natürlich dass alle am Leben sind.
Am Schlimmsten sind die Geräusche der Raketen. Das Warten im Luftschutzkeller. Und die Feststellung, dass man einfach nichts machen kann. Im Oktober gab es einen großen Blackout. Drei Tage ohne Handynetz, ohne Wasser, ohne Strom. Gerade ist die Elektrizität auch seit fast zehn Stunden ausgefallen. Wir müssen unser Leben entsprechend planen. Die Stromversorgung in Kiew ist wirklich ein Problem.
Die Stimmung hier ist trotzdem gut. Wir hoffen, dass wir endlich den Krieg gewinnen und die Russen aus unserem Land werfen."
Was will mir dieser Artikel sagen?
Dass es einigen doch noch zu gut geht???