
Vor 17 Jahren hat Jack Steinberger in einem Interview mit der Main-Post auf die Frage nach seinem Einfluss als Nobelpreisträger einmal gesagt: "Ich bin keine amerikanische Figur. Wenn ich überhaupt eine Figur von Bedeutung wäre, wäre ich eine in Deutschland. Wenn ich an eine Zeitung schreibe, dann wird das in Deutschland, zum Beispiel von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht, von der New York Times wird es abgelehnt." Jack Steinberger hatte wohl zu jener Zeit Erfahrungen gemacht, die ihn 2003 diese Aussage treffen ließen. Nun, da er am 12. Dezember im Alter von 99 Jahren gestorben ist, hat die New York Times des am 25. Mai 1921 in Bad Kissingen geborenen Physikers aber gedacht. Der Wissenschaftsteil der Zeitung widmete ihm einen langen Nachruf.
Leistung als Physiker im Vordergrund
Anders als in Bad Kissingen, wo in den Würdigungen nach dem Tod der politische Mensch Jack Steinberger und seine Rolle bei der Aussöhnung der Stadt mit ihrem einst blühenden jüdischen Leben im Vordergrund stand, beschäftigt sich Autor Douglas Martin in der New York Times vor allem mit dem Wissenschaftler Steinberger. Martin beschreibt dabei nicht nur das Experiment von 1962, das Jack Steinberger zusammen mit Leon M. Lederman und Melvin Schwartz 1988 den Nobel-Preis für Physik einbrachte.
Er skizziert die ganze wissenschaftliche Karriere des Mannes, dem nach Martins Angaben auch von anderen populären Publikationen der Ruf attestiert wurde, "einer der besten Teilchenphysiker der Welt" gewesen zu sein. Das gemeinsame Experiment mit Lederman und Schwartz, zitiert Martin die Würdigung durch das Nobelpreiskomitee, habe "völlig neue Möglichkeiten zur Erforschung der innersten Strukturen der Materie" eröffnet.
Gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein
Auch wenn die Physik im Vordergrund steht, außen vor bleibt das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein Steinbergers im Nachruf der New York Times nicht. Autor Douglas Martin berichtet von der Weigerung des Wissenschaftlers während der McCarthy-Ära an der University of California in Berkeley einen Treueeid zu unterschreiben. Wie viele andere habe er da der Kommunistischen Partei abschwören sollen, obwohl er gar kein Kommunist war. Nach der Weigerung sei er aufgefordert worden, die Universität zu verlassen. Auch später in seinem Leben habe er sich zusammen mit anderen Wissenschaftlern gegen Atomtests und amerikanischen Militarismus ausgesprochen.
Als Persönlichkeit beschreibt die New York Times Steinberger so wie viele Menschen in Bad Kissingen ihn kennengelernt haben. Er sei ein stiller, bescheidener Mann gewesen, ein Physiker für Physiker. Als Beleg für diese Einschätzung zitiert Autor Douglas Martin eine Äußerung Steinbergers bei einem Nobelpreisträgertreffen von 2008. Wissenschaftler, habe er da gesagt, sollten nicht an Preisen interessiert sein, sondern daran, "mehr über die Natur zu lernen". Er glaube nicht, dass es sonderlich gut sei, "den Anspruch zu haben, dass einige von uns besser sind als andere".
"Persönlicher Nachruf" des Oberbürgermeisters
Mit einem persönlichen Nachruf hat sich im Stadtrat und danach in einer Pressemitteilung auch Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel an die Öffentlichkeit gewandt. Vogel zeichnete darin nicht nur das Leben und die Bedeutung Steinbergers nach. Er beschrieb auch den Eindruck, den der aus einer jüdischen Kissinger Familie stammende Hans Jakob Steinberger auf ihn in seiner Zeit am Gymnasium gemacht habe: "Für mich, für uns als Schüler war er lebendige Geschichte auf der einen Seite und personifizierte Hoffnung, was aus einem in Zukunft werden kann, auf der anderen Seite."
Jack Steinberger sei nicht nur zusammen mit seinen Mitstreitern ein bahnbrechender Physiker gewesen. "Er war ein kritischer Geist, der sich mit der sozialen Wirklichkeit auseinandersetzte. Er warb für die Abrüstung und kritisierte die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Klimawandel. Damit steht er in der Tradition einer verantwortungsvollen Physik. (...) Er war ein öffentlicher Intellektueller alter Schule."
Die Stadt sei froh, dass sie, obwohl er Deutschland 1934 zum Schutz vor Verfolgung durch die Nationalsozialisten verlassen musste, wieder ein Teil des Lebens von Jack Steinberger werden durfte: "Wir verneigen uns vor einem Ausnahmephysiker, einem Intellektuellen, einem Sohn und Freund der Stadt Bad Kissingen."