Das Schauspiel dauerte ziemlich genau eine Stunde. Zum achten Mal seit November zog am Montagabend der Würzburger Ableger von Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) durch die Innenstadt. Zumindest durch ein abgeriegeltes Teilstück von 350 Metern.
Über die Teilnehmerzahlen gehen die Angaben auseinander: Von 250 spricht die Polizei, die so genannte Wügida („Würzburger gegen die Islamisierung des Abendlandes“) von 400. Die Kundgebung nahm sich jedenfalls deutlich kleiner aus als zuvor der Montagsspaziergang für Toleranz, Mitmenschlichkeit und Nachhaltigkeit – diesmal im Zeichen der Terroranschläge von Paris. Er erreichte eine neue Rekordmarke, nach Schätzungen der Veranstalter mit mehr als 2000 Teilnehmern, die Polizei sprach von 1200.
Ein Großaufgebot der Polizei verhinderte mit Absperrungen eine direkte Konfrontation zwischen Wügida-Anhängern und Gegendemonstranten. Sie hatten sich an die Demostrecke begeben und skandierten lautstark ihren Protest mit „Haut ab!“, „Nazis raus!“ und „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda!“
Wer sind nun eigentlich diese Leute, die in Würzburg Woche für Woche ihren Hass auf das „System“, auf Politiker, auf die Kirche und auf die „Lügenpresse“ zur Schau tragen? Besorgte, verängstigte Normalbürger? Islamfeinde? Rassisten? Rechtsextreme? Es ist eine Melange aus allem. Ein diffuser und doch radikaler Protest gegen Staat, Kirche, Medien – transportiert mit Anfeindungen gegen Muslime und Flüchtlinge.
Wo die „Lügenpresse“ die Demonstranten nach ihren Beweggründen fragt, erntet sie häufig nur eisernes Schweigen. Montagabend: Während der Zug bereits unterwegs ist, stößt eine Gruppe junger Männer in schwarzen Klamotten dazu. Ihr robustes Auftreten erinnert an Aufmärsche der rechtsextremen NPD. Der stellvertretende Versammlungsleiter scheint sie zu kennen, „macht keinen Ärger, geht nach hinten.“ Antworten auf ihre Fragen erhalten Main-Post-Reporter von diesen Teilnehmern nicht, nur verächtliche Blicke. Einmal, zweimal, dreimal. Vergebens.
Nebenan laufen Männer – es sind kaum Frauen im Wügida-Zug – mit Schildern, die von den Organisatoren zu Beginn ausgegeben und später wieder eingesammelt werden: „Wir wollen nicht mehr Opfer sein“, „Glaubt den Medien nichts“, „Politiker sind Verbrecher in Nadelstreifen“, „Deutsches Steuergeld für Landsleute“, „Freiheit und Demokratie statt Islam“. Auch Deutschland-Fahnen werden verteilt und am Ende wieder bei der Orga-Leitung abgegeben. Der Protest ist nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich gelenkt und gesteuert. Bei der Abschlusskundgebung vor der Neubaukirche – die Uni hat sie aus Protest nicht beleuchtet – werden Schlagworte geliefert, die Menge johlt und skandiert. Die Stimmung ist aggressiv.
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Versuch bei einem älteren Wügida-Anhänger. Warum geht er auf die Straße? „Weil ich immer schon ein Rechter bin“, räumt der Senior aus Schweinfurt ein – auch, dass er NPD wählt. Warum er diesen Protest teilt, kann er nicht näher erklären. Ein anderer trägt ein Schild mit der Aufschrift: „79 300 Euro für jeden Flüchtling“. Woher die Zahl stammt, weiß er nicht. Aber sie stimme, versichert der Mann, ebenfalls aus Schweinfurt. Er habe mit Türken und Afrikanern auf dem Bau „zusammen geschafft. Da gab's keine Probleme.“ Muslime aus der Nachbarschaft kenne er nicht. Aber in deutschen Großstädten würden es immer mehr. „Ich habe Angst um meine Kinder und Enkelkinder.“
Ein Teilnehmer ist eigens aus Nürnberg zur Kundgebung angereist: „Nürnberg ist so eine linke Stadt, da wäre eine solche Demonstration gar nicht möglich.“ Auch aus Fulda sind Wügida-Leute da. Dort sei, so sagt einer von zweien, ebenfalls ein Pegida-Protest geplant. Man wolle sich das in Würzburg mal ansehen. Für „Vaterland und Heimat“ gehe er auf die Straße, sagt sein hessischer Kollege. Deutschland sei überfordert mit den vielen Flüchtlingen, habe selbst genug Schulden.
Würzburgern begegnen die Main-Post-Reporter an diesem Abend bei Wügida nicht. Bis auf den stellvertretenden Versammlungsleiter und Hauptredner, der angeblich hier studiert. Die Demonstranten nennen ihn Simon. Ein Interview mit der Main-Post lehnt er ab, auch seinen Namen will er trotz mehrfacher Bitten nicht preisgeben. Angeblich wegen schlechter Erfahrung mit der Presse und aus Angst vor der linken Szene. Ansonsten tritt er alles andere als angstvoll auf. In der Manier radikaler Agitatoren hetzt er gegen den Staat, die „Systemkirche“, die Medien: „Wir werden nicht zulassen, dass es in Deutschland noch dunkler wird.“
Auch Fragen anderer Medienvertreter will der Redner nicht vor Ort beantworten. Stattdessen fordert er seinerseits dazu auf, das 19-Punkte-Positionspapier von Pegida zu veröffentlichen. Dort hat die islamfeindliche Bewegung Bekenntnisse u.a. zu Asyl und Integration formuliert – nur stehen sie im Widerspruch zu ihren Schmähparolen und rechten Stimmungsmache auf der Straße.
Redner „Simon“ ist einer von zwei Versammlungsleitern, die den Wügida-Zug bei der Stadt Würzburg formal angezeigt haben. Die Main-Post pocht gegenüber dem Rathaus auf ihren presserechtlichen Auskunftsanspruch und hat mittlerweile die Herausgabe der Personendaten beantragt. Noch zögert die Stadt, „wir sind in der juristischen Prüfung“, so Stadtsprecher Christian Weiß. Schon nächsten Montag will Wügida wieder in Würzburg aufziehen.
Montagsspaziergänge: Rekord und Ende