Es war eine beeindruckende Manifestation für das friedliche, weltoffene und tolerante Würzburg: Geschätzt über 2000 Menschen beteiligten sich in Würzburg am Montagabend am 159. Montagsspaziergang – so viele wie nie zuvor. Der Zug und die Kundgebung standen ganz im Zeichen der Terroranschläge von Paris und der islamfeindlichen Pegida-Bewegung auch in Würzburg. Oberbürgermeister Christian Schuchardt fand vor der versammelten Menge am unteren Markt klare Worte – und bekam dafür viel Zustimmung.
Offiziell stand der Montagsspaziergang unter dem Motto „In Solidarität mit Charlie Hebdo – für die friedliche Koexistenz aller Menschen“. Kurzfristig angemeldet hatten ihn Jenifer Gabel und Wigbert Baumann als Privatpersonen. Zwar wurde der Spaziergang vom Bündnis für Zivilcourage unterstützt, der Dachverband konzentriert sich aber auf die Organisation einer großen „Würzburg ist bunt“-Demonstration für März.
So war ungewiss, wie viele Teilnehmer sich diesmal dem Spaziergang anschließen würden, der seit gut drei Jahren wöchentlich stattfindet. Seine Höhepunkte hatte er bislang im März 2011 mit 1300 Aktiven nach dem Atomunfall von Fukushima, im Februar 2012 nach dem Suizid eines iranischen Asylbewerbers und zur Thematik der Hebammen im Mai 2014.
An diesem Montag nun schätzten Gabel und Baumann zu Beginn – vor der Schweigeminute für die Terroropfer von Paris – zunächst rund 600 Teilnehmer. Doch als sich der Zug später in Bewegung gesetzt hatte, wollte er beim Einbiegen von der Kaiserstraße auf den Marktplatz schier nicht mehr enden. Beobachter waren sich einig: Mehr als 2000 „Spaziergänger“ waren für ein weltoffenes Würzburg auf der Straße, die Polizei ging dagegen von „nur“ 1200 Leuten aus.
Beim Abschluss auf dem unteren Markt weitete Gabel – zusammen mit ihrer Mutter Claudia die Begründerin der Montagsspaziergänge – in einer kurzen Ansprache den Blick: Es gehe nicht nur um Solidarität mit den Opfern von Paris. Es gelte überall hinzusehen, wo in der Welt Verbrechen im Namen von Religion, Politik oder Ideologie geschehen.
- Die Geschehnisse vom Montagabend in unserem LIVEBLOG in Text, Bildern und Videos.
Einen bemerkenswerten Auftritt hatte Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Er hatte sich kurzfristig entschlossen, an der Spitze des Montagsspaziergangs mitzugehen – und setzte allein damit ein deutliches Zeichen. In seiner Rede vor der Menschenmenge am Marktplatz ließ er es an Deutlichkeit nicht fehlen. Die Anschläge von Paris bezeichnete er als „feige Morde, die mit Religion nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.“ Sie seien ein Angriff „auf unsere Werte und Überzeugungen. Wir lassen uns aber von niemanden einschüchtern!“ Richtung Pegida zielte seine Bemerkung, dass das Demonstrationsrecht für alle in Würzburg gelte – und schickte hinterher: „Fremdenfeindlichkeit, egal in welchem Gewand sie daherkommt, wird hier nicht geduldet. Wir wollen eine weltoffene Gesellschaft. Das bereichert unsere Stadt und unser Leben.“
Fast ein Drittel aller Würzburger hätten einen Migrationshintergrund. „Das macht diese Stadtgesellschaft reich.“ Auch mahnte er zur Unterstützung von Flüchtlingen, die hier eine Lebensperspektive suchen. „Es ist unsere Verpflichtung, ihnen diese Möglichkeit einzuräumen.“ Auch für dieses Bekenntnis erntet der OB viel Applaus. Weitere Redner, u.a. Thomas Mitschke vom Weltladen und die in der Flüchtlingsarbeit engagierte Judith Assländer, mahnten zur globalen Verantwortung durch das eigene Handeln.
Derweil bereitet der Zuspruch vom Montag den Organisatoren auch Sorgen. „Wir haben Übertreibungen nicht nötig. Aber unserer Meinung nach waren das 2000 bis 2500 Leute“, sagte Gabel am Dienstag am Telefon und fuhr fort: „Darum tut es mir Leid, das jetzt sagen zu müssen: Wir haben beschlossen, dass es von uns aus der letzte Montagsspaziergang gewesen ist, den wir organisiert haben.“ Ende nach dem größten Zulauf?
„So super das auch ist“, meint die engagierte Würzburgerin, „aber wir können als Privatpersonen die Organisation und Verantwortung für eine so große Veranstaltung nicht mehr schultern.“ Aber das solle nicht das „Aus“ für den Montagsspaziergang bedeuten. „In ,Würzburg ist bunt' sind rund 60 Organisationen zusammengeschlossen und wir stellen uns eine Art Staffelstab-Übergabe vor.“
Es sei mehr Arbeit zu leisten als nur jeden Montag vom Bahnhof zum Vierröhrenbrunnen zu laufen. „Es gibt Pressemitteilungen zu schreiben, die Facebook-Seite zu betreuen, Interviews zu führen oder sich um die Ordnerfrage für die Spaziergänge zu kümmern.“ So sind laut Auflage der Stadt für jeweils 100 erwartete Teilnehmer fünf Ordner vorzusehen. Bei 2000 Teilnehmern wären das 100 Ordner entlang der Strecke. „Das ist echt viel Arbeit“, sagt sie, „und meine Familie ist stolz, aber auch genervt.“
Gabels Idee für die Zukunft: „In der einen Woche hält vielleicht der DGB den Staffelstab in der Hand, die nächste Woche die katholische Kirche, dann die evangelische, dann der Verband der Muslime und so fort.“ Es gehe darum, eine gehaltvolle Form zu finden – mit Rednern, die etwas zu sagen haben. So wie an diesem Montag.
Dass die Pegida-Organisatoren den Namen „Montagsspaziergang“ für ihren Zug kopiert haben, „das macht mir Sorgen. Aber die stellen sich ja auch hin und schreien ,Wir sind das Volk'. Das kann ich ihnen aber nicht nehmen.“ Persönliche Anfeindungen musste sie wegen ihre Engagements gegen Pegida bislang nicht erdulden. „Nur die üblichen Trolle auf Facebook. Das war während unserer Unterstützung der Asylbewerber anders und schlimmer.“
Eine Mail habe sie am Dienstag bekommen mit der Klage, dass wegen der Montagsspaziergänge die Straßenbahnen immer so lange warten müssten. „Aber es muss ja nicht immer eine Demo sein. Ein Kehraus auf den Straßen, auf der zuvor die Pegida gelaufen ist, wie in anderen Städten, wäre auch eine gute Aktion.“
ONLINE-TIPP
Das Geschehen vom Montagabend nachzulesen in unserem Liveblog: www.mainpost.de/online-tipp
Frau Gabel hat vor einier Zeit erklärt, dass sie in ihrer Jugend bei der Antifa war. Im Kontext der Angriffe auf Polizisten, am Montag in Hannover, München und Leipzig und vor einigen Wochen auch in Würzburg, sollte das einem zu denken geben. Denn gerade die Gewaltbereiten schreiben sich Antifa auf die Brust. Warum gibt es hier keine Distanzierung? Das macht es für mich unmöglich mich an Demos gegen Wügida zu beteiligen. Ich möchte auf eine friedliche Gegendemonstration gehen, ohne gewaltbereite Vollidoten und nicht auf eine Demo die von Linksextremisten mitgetragen wird.
Sie sollten sich mal dieses Video ansehen. Danach sollten Sie darüber nachdenken, ob die paar Schreihälse in schwarzen Kapuzen hier in Würzburg wirklich als gewalttätige Krawallmacher hingestellt werden können, wie Sie uns ständig weismachen wollen.