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WÜRZBURG
Milliardengeschäft Versandhandel: Wenn der Postmann viermal klingelt
Rund drei Millionen Pakete und Päckchen werden an normalen Tagen in Deutschland befördert, in der Weihnachtszeit aber schnellt die Zahl auf acht Millionen hoch: Für die Zusteller ist die Flut kaum noch zu bewältigen.
ZEICHNUNG: HARM BENGEN
Foto: ZEICHNUNG: HARM BENGEN | ZEICHNUNG: HARM BENGEN
Lara Meißner
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:58 Uhr

Es ist noch lange dunkel, wenn sich die Post- und Paketboten am frühen Morgen in Würzburg auf den Weg machen. Und es ist schon lange wieder dunkel, wenn sie mit ihrer Ausfahr-Tour fertig sind. Der Online-Handel boomt, in den letzten fünf Jahren ist der Umsatz des Online- und Versandhandels deutschlandweit um 2,3 auf rund 9,5 Milliarden Euro gestiegen, Geschenke bestellt man in der Mittagspause vom Schreibtisch aus. Gerade jetzt vor Weihnachten haben die vielen Männer und wenigen Frauen bei der Zustellung viel zu tun. Manchmal mehr als sie schaffen können, für weniger Geld als sie zum Leben bräuchten.

Genaue Zahlen, wie viele Menschen in Deutschland oder der Region als Paketzusteller arbeiten, sind nicht zu bekommen. Auch nicht, wie viele Päckchen an normalen Tagen oder in der Vorweihnachtszeit insgesamt von allen Zustellfirmen ausgeliefert werden. Auch nicht, wie viel ein Zusteller im Durchschnitt verdient. Auch nicht, wie Anstellungsverhältnisse geregelt sind und zu welchen Konditionen die Zusteller arbeiten. „Sensible Zahlen“, nennen Unternehmenssprecher diese Angaben – denn die Konkurrenz ist groß, man möchte so wenig wie möglich preisgeben. Das deutsche Zusteller-Geschäft setzt sich kaleidoskopartig zusammen, ohne dass am Ende ein Bild entsteht.

„Was nicht ausgeliefert werden kann, kommt am nächsten Tag zu den neuen Päckchen dazu – ein Teufelskreis.“
Ein Mitarbeiter der Deutschen Post aus Würzburg

Etwa verdreifachen würde sich die Menge der Pakete und Päckchen vor Weihnachten, schätzt ein Mitarbeiter der Deutschen Post aus Würzburg, der ungenannt bleiben möchte. Rund drei Millionen Pakete und Päckchen werden deutschlandweit unter dem Jahr täglich zugestellt, in der Vorweihnachtszeit sind es rund acht Millionen, bestätigt Alexander Böhm, ein Sprecher der Deutschen Post.

„Die ganzen Waren bringt man als Zusteller kaum noch im Auto unter“, sagt der Würzburger Post-Mitarbeiter. 70 Minuten darf er pro Tag Überstunden machen – „das wird oft knapp.“ Wenn die Zusteller nach den gesetzlich geregelten 10,75 Stunden nicht fertig geworden sind, müssen sie ihre Tour abbrechen. Etwa zehn Prozent der Touren seien das täglich, schätzt der Post-Mitarbeiter. „Was nicht ausgeliefert wurde, kommt am nächsten Tag zu den neuen Päckchen dazu – ein Teufelskreis.“

Dabei hat der Post-Mitarbeiter noch Glück. Er arbeitet fest angestellt bei der Post, die entlohnt ihre Mitarbeiter nach Tarif, führt sogenannte „Jahreszeitkonten“: Das, was im Winter mehr gearbeitet wird, wird im Sommer weniger gearbeitet. Außerdem stellt DHL, die hundertprozentige Tochterfirma der Deutschen Post, die für Paketzustellung zuständig ist, zusätzliche Mitarbeiter ein, um in der „heißen Phase“, wie Böhm den Dezember nennt, über die Runden zu kommen. Laut Böhm setzt man dabei aber auf „erfahrene Aushilfen“, die schon öfter für die Deutsche Post gearbeitet haben: „Die Post- und Paketboten haben in der Hochsaison keine Zeit, zusätzlich neue Mitarbeiter einzulernen.“

Schlechter geht es den Mitarbeitern von Subunternehmen. „Outsourcing“ ist das Stichwort, große Zustellfirmen lagern ihre Arbeit an kleinere Unternehmen aus, die frei von Tarifbindung Löhne und Arbeitszeiten gestalten können, wie sie wollen. Auch die Deutsche Post arbeitet in ganz Deutschland mit 900 solcher Firmen zusammen, laut Böhm allerdings nicht in Ober- und Unterfranken.

Das Wort „Subunternehmen“ nimmt kein Firmensprecher gerne in den Mund. „Service-Partner“ heißen diese Firmen beispielsweise bei der Deutschen Post, „Vertragsunternehmen“ bei UPS, „Generalunternehmer“ betitelt sie Hermes. Sie alle haben eines gemeinsam: Die großen Zusteller sparen durch sie bares Geld.

„Die Post- und Paketboten haben in der Hochsaison keine Zeit, zusätzlich neue Mitarbeiter einzulernen.“
Alexander Böhm, Sprecher der Deutschen Post

Beispiel Hermes: 400 Generalunternehmer arbeiten für den Paketdienst, der Deutschlands größter postunabhängiger Logistik-Dienstleister bei der Zustellung von Paketen an Privatpersonen ist. Bezahlt werden die Generalunternehmen danach, wie viel Pakete sie erfolgreich ausliefern – vier Zustellungsversuche muss ein Mitarbeiter unternehmen, bis er die Ware bei einem Paketshop abgeben darf, wo der Kunde sie selbst abholen muss. Das bedeutet nicht selten: viermal fahren, viermal klingeln, viermal warten, umsonst. Damit tragen die Generalunternehmen ein hohes finanzielles Risiko – zumindest wenn es stimmt, was ein Unternehmenssprecher sagt: Nämlich, dass die Zusteller trotzdem nach einem fixen Stundenlohn bezahlt werden, bei dem man „versucht, mindestens sieben Euro die Stunde zu erreichen.“ Auf die Frage, wie sich das denn betriebswirtschaftlich rechnen könne, wenn teilweise viermal gefahren werden muss, das Generalunternehmen aber faktisch nur für eine Fahrt bezahlt wird, heißt es vom Hermes-Sprecher: „Das geht schon.“

Patrick Gerson, Zuständiger für den Raum Würzburg-Aschaffenburg bei der Gewerkschaft ver.di, wundert sich angesichts dieser Aussage: „Man hat zwar nach diversen Skandalen bei Hermes gesagt, man wolle etwas ändern – bisher habe ich aber nur die Rückmeldung bekommen, dass da noch nicht viel passiert ist.“ 5000 Mitarbeiter hätte man zusätzlich angestellt, um bei Hermes das Weihnachtsgeschäft stemmen zu können, sagt der Unternehmenssprecher. In welchem Arbeitsverhältnis die stehen, könne man nicht sagen, „ganz unterschiedlich“ sei das.

Für den Würzburger Post-Mitarbeiter werden die nächsten Wochen anstrengend bleiben. Bis zu 31,5 Kilo darf ein Paket schwer sein, dann muss er es alleine zustellen. Auch wenn der Kunde im sechsten Stock wohnt, auch wenn es keinen Aufzug gibt. Nachdem in der Vorweihnachtszeit die Geschenke geliefert werden müssen, bricht nach den Feiertagen eine Flut an Rücksendungen über die Zusteller herein, erst danach kehrt auf deutschen Postwegen wieder etwas Ruhe ein.

Erst dann können die Post-Mitarbeiter auch wieder ihren verdienten Urlaub machen, denn in der Weihnachtszeit sei das kaum möglich.
 

Was Drohnen dürfen:
Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Drohnenflügen ist die Luftverkehrsordnung. Die rechtliche Situation ist in Deutschland komplex: Die Bundesländer haben ihre eigenen Bestimmungen. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Firmensitz des Antragstellers. Eine Erlaubnis ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft: Der Antrag muss einen gewerbsmäßigen Zweck verfolgen und der Steuerer muss in der Bedienung des Fluggeräts geübt sein.

Außerdem ist ein Versicherungsnachweis vorzulegen. Inklusive Ladung dürfen Drohnen nicht schwerer sein als fünf Kilo und maximal 100 Meter über dem Boden schweben. Flugbetrieb über Menschenansammlungen oder Unglücksorten ist nicht erlaubt. Keine Erlaubnispflicht besteht für ausschließlich zu Privat- oder Hobbyzwecken genutzte Drohnen unter fünf Kilo. Allerdings hat der Spaß seine Grenzen, wann immer Rechte Anderer betroffen sind – etwa der Lärmschutz und die Privatsphäre von Nachbarn. Wer Drohnen zum Fotografieren einsetzt, muss Persönlichkeitsrechte wahren. Text: tito/dpa
Testflug: Eine Paket-Drohne der Deutschen Post in Bonn.
Foto: dpa | Testflug: Eine Paket-Drohne der Deutschen Post in Bonn.
 
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