Das aktuelle Vogelgrippevirus kann sich gut von einem Meeressäuger zum nächsten ausbreiten und auch wieder auf Vögel zurückspringen. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der Untersuchung eines Massensterbens von See-Elefanten in Südamerika im Journal „Nature Communications”.
Nachdem sich die derzeitige Variante des Vogelgrippevirus H5N1 dort schon unter Seelöwen ausgebreitet hatte, beobachteten die Forschenden im Oktober vergangenen Jahres ein noch nie dagewesenes Sterben bei Südlichen See-Elefanten (Mirounga leonina). Mehr als 17.000 Kälber und eine unbekannte Zahl ausgewachsener Tiere sei innerhalb weniger Wochen allein auf der Halbinsel Valdés in Argentinien verendet.
Die Studie des Forschungsteams zeigt, dass das Virus zwischen unterschiedlichen Meeressäugetierarten und auch innerhalb von Kolonien von Säugetieren übertragen werden kann. Wie genau die Übertragung passiert, ist den Fachleuten zufolge noch unklar, möglich sei dies über direkten Kontakt oder über Tröpfchen. Die Kälber könnten das Virus über die Plazenta oder die Muttermilch bekommen haben.
Virus springt immer wieder von Vögeln auf Säugetiere
Viele Jahrzehnte schon sorgt die Vogelgrippe H5N1 für heftige Erkrankungswellen unter Vögeln weltweit. Seit einigen Jahren breitet sich eine besondere Gruppe von H5N1-Viren aus, die sogenannte Klade 2.3.4.4b, mit der sich auch zahlreiche Säugetiere angesteckt haben - neben Meeressäugern in verschiedenen Weltregionen wie Robben und Walen sind unter anderem auch Kühe in den USA betroffen.
In Südamerika starben nach Angaben des Forschungsteams mehr als 30.000 Seelöwen, als sich das Virus in den Jahren 2022 bis 2023 entlang der Küste von Peru und Chile ausbreitete. Später tauchte es auch an der Atlantikküste Argentiniens auf und wanderte schnell nordwärts bis Uruguay und Südbrasilien.
Nur wenige See-Elefanten-Harems übrig
Marcela Uhart von der University of California in Davis und ihr Team schätzen, dass auf der Halbinsel Valdés im vergangenen Jahr etwa 95 Prozent aller See-Elefanten-Kälber starben. Nun, ein Jahr später, sei nur etwa ein Drittel der sonst sich dort fortpflanzenden See-Elefanten zu finden, schätzt Uhart. „Wir laufen zwischen Haufen von Kadavern und Knochen umher und sehen nur sehr wenige Seeelefanten-Harems, was immer noch beunruhigend ist.”
Das Forschungsteam sei angesichts der Ausmaße erschüttert gewesen, ergänzte Mitautorin Valeria Falabella von der Wildlife Conservation Society Argentinien. „Wahrscheinlich ist mehr als die Hälfte der fortpflanzungsfähigen Population durch das Virus gestorben. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Bestandszahlen wieder das Niveau von 2022 erreichen.”
Virus passte sich an Meeressäuger an
Bei der Analyse des Virusgenoms stellte das Team fest, dass sich der Erreger nach seiner Ankunft in Südamerika weiter entwickelt und an die Meeressäugetiere angepasst hat. Außerdem zeige ihre Studie auch, dass die Viren von Meeressäugetieren auf Vögel zurück springen könnten, ergänzte Rimondi. „Das zeigt, dass eine verstärkte Überwachungs- und Forschungszusammenarbeit in der Region notwendig ist.”
In Europa scheinen die Auswirkungen auf Meeressäuger bisher nicht so dramatisch zu sein. Wie Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut erläutert, wurde das Virus nur in wenigen Robben und in einem Fall auch in einem Schweinswal nachgewiesen. Darüber hinaus seien vereinzelt auch andere Säugetiere hierzulande betroffen, in diesem Jahr gehörten dazu ein Waschbär und Füchse.
Übertragungen auf Menschen kommen vor
„Bei Menschen sind bisher mit dem hochpathogenen aviären Influenzavirus der Klade 2.3.4.4.b vergleichsweise wenig Infektionen aufgetreten”, erklärte Harder. Immer wieder kam es zum Beispiel vereinzelt dazu, dass sich Menschen bei Geflügel ansteckten; diese Fälle verliefen zum Teil auch tödlich.
In diesem Jahr wurden außerdem Dutzende Infektionen von Mitarbeitern von Milchvieh-Betrieben in den USA nachgewiesen; dabei waren die Verläufe mild. Jüngste Testungen ergaben, dass sich noch viel mehr solcher Mitarbeiter als bisher gedacht infiziert haben dürften, diese Ansteckungen aber häufig unentdeckt bleiben.
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) erklärt, das Virus sei noch nicht gut an den Menschen angepasst. Eine anhaltende Übertragung von Mensch zu Mensch zum Beispiel wurde noch nicht beobachtet. Trotzdem raten die Autorinnen und Autoren der See-Elefanten-Studie zur Vorsicht. „Je besser sich das Virus an Säugetiere anpasst, desto relevanter wird es auch für den Menschen”, sagte Uhart.