Dass die Geburt bei Frauen beschwerlich sein kann, ist nicht in erster Linie auf die Evolution des aufrechten Gangs zurückzuführen, und auch nicht auf das mit der Zeit größer gewordene Gehirn von Föten. Vielmehr haben auch Schimpansen einen engen Geburtskanal, wie eine Studie im Fachblatt „Nature Ecology and Evolution” zeigt.
„Auch Schimpansen müssen pressen”, schreiben wissenschaftliche Teams des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt und der Universität Zürich. Bei Schimpansen sei der Geburtskanal aber anders als bei Menschen nicht verdreht. „Der Fötus kann einfach durchrutschen”, sagt Martin Häusler vom Institut für Evolutionäre Medizin in Zürich.
Die Geburtsdilemma-Hypothese
Seit den 1960er Jahren gibt es die „Geburtsdilemma”-Hypothese als Argument für den oft komplizierten Geburtsvorgang bei Menschen. Danach gab es während der menschlichen Evolution einen Konflikt zwischen der Anpassung des Beckens an den aufrechten Gang und der Zunahme der Hirngröße, heißt es in der Studie. Die evolutionäre Lösung: Die Beckenknochen von Frauen unterscheiden sich von denen der Männer, und Babys kommen neurologisch unreifer und hilfloser zur Welt als der Nachwuchs anderer Primaten.
Nun haben die Forschungsteams die Platzverhältnisse im Geburtskanal bei Schimpansen und Menschen verglichen. „Die räumlichen Gegebenheiten im Schimpansen-Becken sind tatsächlich genauso eng wie bei uns Menschen”, sagt Paläoanthropologin Nicole Webb aus Frankfurt. Und auch bei Schimpansen hätten Weibchen ein geräumigeres Becken als Männchen.
Problem bei Menschen: verdrehter Geburtskanal
„Aufgrund dieser verblüffenden Parallelen schlagen wir als neue Hypothese vor, dass sich das Geburtsdilemma im Laufe der Evolution schrittweise entwickelt und zunehmend verschärft hat”, so Häusler. Bei den frühen Menschenartigen habe die Evolution des aufrechten Gangs aber zu einem verdrehten Geburtskanal geführt, heißt es weiter. Das erfordere komplizierte Dreh-, Beuge- und Streckbewegung des Fötuskopfes. „Diese ist wohl der eigentliche Grund für die schwierige Geburt beim Menschen und nicht die engen Platzverhältnisse”, berichtet Häusler.