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BREMEN
Interview: Der Mond als Trainingscenter?
Raumfahrt: Bald sollen wieder Menschen zum Mond fliegen. Und irgendwann auch zum Mars. Entwickler Götz Anspach von Bröcker erklärt die Pläne von Amerikanern und Europäern.
Vollmond       -  Im Jahr 1958 erwog die Führung der Sowjetunion kurzweilig, eine Atombombe auf dem Mond zu zünden.
Foto: Maurizio Gambarini | Im Jahr 1958 erwog die Führung der Sowjetunion kurzweilig, eine Atombombe auf dem Mond zu zünden.
Das Gespräch führte Alexander Michel
 |  aktualisiert: 01.01.2018 02:31 Uhr

Bislang waren zwölf Menschen auf dem Mond – allesamt Amerikaner. Neil Armstrong betrat am 21. Juli 1969 als Kommandant von „Apollo 11“ die Mondoberfläche. Der letzte Astronaut, Eugene Cernan von „Apollo 17“, verließ den Erdtrabanten am 14. Dezember 1972. Im vergangenen Januar ist Cernan im Alter von 82 Jahren gestorben. Harrison Schmitt, Cernans Partner bei der Mission „Apollo 17“, ist heute 82. Die Mondlandungen sind große amerikanische Geschichte. Mit Sinn für die medienwirksame Geste hat US-Präsident Donald Trump jetzt ein neues Kapitel der Raumfahrt eröffnet. Amerika will wieder zum Mond.

Diese Botschaft ist nicht allein wissenschaftlichem Interesse geschuldet. Trump baut darauf, die geplante bemannte Mondumkreisung noch im Amt zu erleben, um den Erfolg auf sein Haben-Konto einzuzahlen. Aber auch ohne dies ist der Plan richtig: Nachdem die Raumstation ISS in die Jahre gekommen ist, braucht die Raumfahrt ein neues Ziel. Und eine Mondbasis wäre der Zwischenschritt für die Master-Mission: Die Reise zum Mars. Es ist noch ein weiter Weg dorthin. Aber die Weichen sind jetzt gestellt. Und Europa ist diesmal dabei. Ein Teil des neuen Raumschiffs kommt aus Bremen. Götz Anspach von Bröcker von Airbus Defence and Space in Bremen erklärt, was dahinter steckt.

Frage: Herr von Bröcker, dem früheren US-Präsidenten Barack Obama war eine Mond-Mission nicht so wichtig. Er peilte den Mars an. Nachfolger Donald Trump steuert um und nimmt den Mond in den Fokus. Eine richtige Entscheidung?

Götz Anspach von Bröcker: Mitarbeiter der Nasa reagierten auf die Weisung Obamas eher zurückhaltend. Trump wurde wissenschaftlich gut beraten. Der Mars ist von der Erde dermaßen weit entfernt, dass wir ohne einen vorbereitenden Zwischenschritt über den Mond dort vielleicht nicht ankommen. Das sagt die Nasa, und davon sind auch die deutschen Wissenschaftler überzeugt. Der Mond ist für den Zwischenschritt ideal. Die Machbarkeit einer Mars-Mission kann dort erprobt werden. Der Mars stellt eine ungeheure Herausforderung dar. Man muss wissen: Jede zweite Mission dorthin ist bisher gescheitert.

Für eine Mondlandung gibt es durch die „Apollo“-Missionen Erfahrungen. Dennoch will die Nasa ihr neues „Orion“-Raumschiff zunächst unbemannt testen. Der Milliardär Elon Musk will dagegen sein „Dragon“-Raumschiff gleich bemannt Richtung Mond schicken.

Wie erklärt sich das?

Von Bröcker: Wenn sich Menschen an Bord einer Kapsel befinden, haben die staatlichen Raumfahrtagenturen eine große Verpflichtung für einen sicheren Ablauf der Mission. Bei „Orion“ habe ich keine Bedenken. Aber die neue Großrakete SLS, also Space-Launch-Systems, muss sich noch beweisen. Auf dem Weg ins All darf nichts passieren. Dazu kommt: Die erste Mission von „Orion“ ist sehr anspruchsvoll. Sie führt 64 000 Kilometer hinter den Mond! Das ist nicht mehr das Mond-Erde-System, sondern Deep Space, tiefer Weltraum. So weit ist noch kein Mensch geflogen. Dort draußen wird es im Mondschatten mit rund 200 Grad minus extrem kalt. Da warten große Herausforderungen. Für zahlende Touristen, wie Elon Musk sie transportieren will, reicht der halbe Weg zum Mond. Da sieht er schon riesengroß aus. Nasa und Esa müssen viel umsichtiger vorgehen, und es ist auch eine andere Mission.

Was genau bringt Airbus in den Bau der „Orion“ ein?

Von Bröcker: Airbus hat seit Langem Erfahrungen in der bemannten Raumfahrt. In Bremen wurde schon Anfang der 80er-Jahre für die D1- und die D2-Mission des US-Raumgleiters das „Spacelab“ gebaut. Der zentrale Rechner für die Lageregelung der Internationalen Raumstation ISS und das europäische Labor „Columbus“ kommen von Airbus. Wir zeigen damit unsere Fähigkeiten für den Bau hochkomplexer Systeme, die auch dann zuverlässig funktionieren, wenn Unvorhergesehenes passiert – wie etwa der Einschlag winziger Meteoriten. Einen völlig autonom arbeitenden Raumtransporter ATV für die ISS konnten auch nur wir Europäer bauen. Aufgrund dieser Expertise kam es zum Auftrag der Nasa, das Servicemodul für die Kapsel von „Orion“ zu bauen. Und dieses Modul steuert und bewegt die Kapsel. Es ist das eigentliche Fluggerät.

Ist das Modell von „Apollo“ – mit Mutterschiff und Mondlande-Einheit – Vorbild für „Orion“ oder wo liegen die Unterschiede?

Von Bröcker: Diese liegen in der Größe – „Orion“ hat Platz für vier statt nur drei Astronauten – und in der Komplexität. In der „Orion“ ist Technik – Computer und lebenserhaltende Systeme – dicht gepackt. Dagegen ging es bei „Apollo“ eher schlicht zu. Vom Konzept her ist „Apollo“ aber Vorbild. Alles unnötige Gewicht, das für den Rückflug zur Erde nicht mehr gebraucht wurde, blieb auf dem Mond, etwa das Gestell für die Landeeinheit, von dem aus diese wieder startete. Das spart Energie und damit Kosten. Daran hat sich nicht allzu viel geändert seit damals.

Ist vorstellbar, dass irgendwann Raketen senkrecht auf dem Mond landen – wie es „Falcon 9“ von Elon Musk schon demonstriert hat?

Von Bröcker: Das ist theoretisch möglich, aber es fragt sich, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn man den Mond dauerhaft besiedeln will, bringt es Vorteile, Reststrukturen wie den unteren Teil der Landefähre dazulassen. Denn die wird aus Kohlenstoff gebaut, den es auf dem Mond nicht gibt.

Man kann das Material schreddern und zum Bau eines Habitats für Menschen nutzen oder in Form von CO2 für die Atemluft verwenden. Es geht um den Aufbau von extraterrestrischen Materialkreisläufen. Das können wir bei Airbus gut.

Wäre ein „Moon Village“ auch ein Nachfolger für die alternde Raumstation ISS?

Von Bröcker: Es könnte eine Ergänzung zur ISS sein. Man kann auf dem Mond testen, wie Menschen autonom in fernen Welten leben können. Zum Beispiel kann man herausfinden, wie Medizin funktioniert, wenn ein Astronaut krank wird, und wie ein entzündeter Blindarm von einem Roboter entfernt werden kann. Menschen in einem Habitat sind auf Bakterien angewiesen, so wie wir auf der Erde auch. Für eine Mars-Mission ist das lebenswichtig. Was auf dem Mond aber fehlt, ist Mikrogravitation, also Schwerelosigkeit. Deshalb ist die ISS so interessant für die Forschung. Denn Zellen funktionieren unter Schwerelosigkeit anders. DNA verändert sich. Wir wissen nicht warum. Das kann man nur in einem Labor wie auf der ISS erforschen. Eine Weiternutzung bis 2028 ist denkbar und wünschenswert.

Wäre der Mond eine Art Trainingscenter für Mars-Missionen und könnte man dort ein größeres Mars-Raumschiff montieren?

Von Bröcker: Ja, auf alle Fälle. Man könnte Material, das in der Mond-Basis eingelagert wird, dafür verwenden und energetisch günstig zusammenbauen. Auf dem Mond sind die Startbedingungen aufgrund geringerer Schwerkraft auch besser als auf der Erde. Den Trainings- und Lerneffekt müssen wir nutzen. So könnte man ein komplettes Raumfahrt-Hospital für fünf Jahre nutzen und testen. Das ergibt Know-how für eine Mars-Mission.

Wie lange etwa würden die Astronauten jeweils auf dem Mond bleiben?

Von Bröcker: Wenige Wochen bis zu einem Jahr. Wir dürfen nicht vergessen: Der Mond bietet keinen Schutz gegen harte Strahlung, wie ihn die Erde durch Atmosphäre und Magnetfeld hat. Man muss also eine Mond-Infrastruktur aufbauen, die bei längeren Aufenthalten Schutz vor der gefährlichen Strahlung bietet. Sonst kommt es zu letztlich tödlichen Strahlendosen. Der Vorteil beim Mond: Beim Menschen degenerieren Sehnen, Muskeln und Bänder nicht so schnell wie etwa an Bord der ISS.

Wie lange würde ein Mars-Flug dauern?

Von Bröcker: Etwa anderthalb Jahre. Und in der Zeit muss man die Astronauten vor Strahlung schützen. Das geht technisch – etwa mit einem künstlichen Magnetfeld. Das schafft wiederum neue Probleme. Deshalb haben diejenigen recht, die sagen: Nein, wir müssen erst zum Mond – und dann zum Mars. Die Vorbereitung geht über 2030 hinaus. In kleinen, aber beständigen Schritten. Aber als Menschheit können wir uns doch Zeit lassen.

Götz Anspach von Bröcker, 52, arbeitet im Forschungs- und Entwicklungsbereich der Airbus Defence and Space der Airbus Gruppe mit Sitz in Taufkirchen. Der Bereich Space Systems entstand aus den Astrium-Divisionen Space Transportation und Satellites und entwickelt unter anderem Trägerraketen, Orbitalsysteme, Satelliten und Raumsonden. Der 52-Jährige aus Bremen ist für die Akquise von Fördergeldern und die Suche nach Kooperationspartnern zuständig. Im Studium hat sich der Diplom-Ingenieur auf Hochfrequenz- und optische Nachrichtentechnik spezialisiert. Foto: Thinkstock

 
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