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STUTTGART/SCHWEINFURT
Dienst-Mails nach Feierabend: Die einen so, die anderen so
Arbeiten im Homeoffice       -  Muss noch mal die Mails checken: Genau das sollten Mitarbeiter eines Unternehmens in ihrer Freizeit lassen, meinen Experten. Andere halten dagegen.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Muss noch mal die Mails checken: Genau das sollten Mitarbeiter eines Unternehmens in ihrer Freizeit lassen, meinen Experten. Andere halten dagegen.
dpa
 und  Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:54 Uhr

Aus Sorge vor zu hoher Arbeitsbelastung fordert Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück die Löschung dienstlicher E-Mails während der Freizeit. Mailkonten von Mitarbeitern sollten im Zeitraum zwischen 19 und 6 Uhr sowie am Wochenende und im Urlaub gesperrt werden, sagte Hück in Stuttgart. „Abends noch Mails vom Chef lesen und beantworten, ist unbezahlte Arbeitszeit, die den Stress erhöht – das geht gar nicht.“ Mails, die in dieser Zeit eintreffen, sollten automatisch an den Absender zurückgeschickt werden und nicht mehr in der Mailbox des Mitarbeiters vorhanden sein, also automatisch gelöscht werden.

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Was bei Porsche geplant ist

Hück peilt eine entsprechende Betriebsvereinbarung an, die eine solche Mailsperre vorsieht. Das Vorhaben wäre eine Verschärfung von Regeln des Porsche-Mutterkonzerns VW. Bei dem Wolfsburger Autobauer können Tarifbeschäftigte unter der Woche zwischen 18 und 6 Uhr sowie an Wochenenden keine Dienst-Mails mehr bekommen oder versenden. Gelöscht werden diese aber nicht – am Morgen ist die elektronische Post dann zu lesen. Das sei „vergleichbar mit einem Funkloch“, erklärt ein VW-Betriebsratssprecher.

Eine solche Regel geht Hück nicht weit genug. „Was nützt dir eine Mailsperre, wenn du ins Büro kommst und erst mal Unmengen an Mails abarbeiten musst?“ Wichtige Mails müsste der Absender halt tagsüber noch einmal schicken, so der Betriebsrat. Allerdings soll es Ausnahmeregeln geben, etwa für die Spätschicht oder für Kollegen, zu deren Jobs die Kommunikation mit China oder USA gehört, also Märkten in anderen Zeitzonen.

In Mainfrankens Industrie ist es ruhig

Während bei großen Firmenadressen wie Porsche und VW das Thema offensichtlich intensiv diskutiert wird, herrsche in Mainfrankens Industrie eher Ruhe. Das sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Schweinfurt, Peter Kippes, am Montag auf Anfrage dieser Redaktion. Wenn überhaupt, dann werde in den Unternehmen die Bearbeitung von Dienst-Mails in der Freizeit individuell geregelt. Eine Initiative wie bei Porsche sei ihm in der Region „auf Gesamtbetriebsratsebene“ nicht bekannt. Strikte Regelungen gebe es seines Wissens nirgendwo.

Für Kippes liegt der Grund darin, dass die Mailnutzung ein viel zu komplexes Thema sei, um es mit Schwarz-Weiß-Lösungen vom Tisch zu wischen. „Mit Verboten ist es jedenfalls nicht zu lösen.“ Kippes sitzt auch im Aufsichtsrat des Industrieunternehmens ZF Friedrichshafen, der mit gut 9000 Beschäftigten in Schweinfurt einer der größten Arbeitgeber in Mainfranken ist. Auch bei ZF seien ihm keine Bestrebungen bekannt, eine generelle Regelung für die Nutzung von Mails nach Feierabend einzuführen.

Arbeitgeberverband Bayern hat eine klare Meinung

Ein klares Nein zu Forderungen a la Hück bei Porsche hat der Hauptgeschäftsführer der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme/vbm (München), Bertram Brossardt. „Unternehmen sollen ihre Beschäftigten nach Dienstschluss und im Urlaub kontaktieren dürfen und umgekehrt. Eine erzwungene Unerreichbarkeit passt weder zum globalen Wirtschaften noch zur Selbstbestimmung des Arbeitnehmers“, teilte Brossardt auf Anfrage mit. Der Kunde erwarte, dass seine Ansprechpartner verlässlich erreichbar seien. „Nur wenn diese Dienstleistung sichergestellt ist, kann ein Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.“

Ein in Ansätzen ähnliches System wie bei VW gibt es indes beim Autobauer Daimler. Dort können Mitarbeiter ihr Mailkonto so einstellen, dass die elektronische Post im Urlaub automatisch gelöscht und der Absender informiert wird. Das beruht aber auf Freiwilligkeit – eine Pflichtvorgabe gibt es nicht. Das Lösch-Angebot werde durchaus genutzt, so ein Daimler-Sprecher. Eine Statistik über die Nutzung gebe es aber nicht. Das sei eine individuelle Entscheidung des einzelnen Mitarbeiters, die „gefördert und respektiert“ werde.

Was ist betriebswirtschaftlich sinnvoll?

Bei BMW wiederum gibt es ein „Recht auf Nichterreichbarkeit nach Feierabend, im Urlaub und am Wochenende“. Zwischendurch blockiert werden die Mailserver bei den Münchnern aber nicht.

Verschärfte Schutzbedingungen für die Belegschaft sind nach Darstellung von Porsche-Betriebsratschef Hück auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. „Der Fachkräftemangel wird sich verschärfen, die Suche nach Mitarbeitern wird immer schwieriger – also muss man doch die Belegschaft hegen und pflegen, damit sie möglichst lange im Unternehmen bleibt.

“ Würde man hingegen nichts tun gegen die hohe Arbeitsbelastung, würde sich die Personalnot in der Wirtschaft verschärfen. „Ohne bessere Schutzbedingungen würde eine Welle an Burnouts kommen“, warnte Hück.

Die E-Mail-Regeln sollen nur für die tariflich bezahlten Beschäftigten gelten, außertarifliche Mitarbeiter – etwa Führungskräfte – wären außen vor. „Wer als Manager einen hohen Bonus bekommt, der kann auch abends noch eine Mail beantworten.“

 
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  • G. S.
    Es soll auch Arbeitnehmer geben, die stolz sind, vom Chef ein Handy bekommen zu haben. Dieses wird dann in der Freizeit vor Familie und Freunden zur Demonstration der eigenen Wichtigkeit oft und gerne benützt. Dass man sich damit das Grab der ständigen Erreichbarkeit selbst schaufelt, wird dabei ausgeblendet.
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  • K. K.
    Wieso muss man was verbieten, das man auch selber abschalten kann. Mein Geschäfts PC wird Abends runter gefahren, und das Gesch. Handy bleibt im Büro liegen. Punkt Bassta.
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  • A. H.
    .... und viele wollen das doch gar nicht, weil sie so "verschleimt" sind, dass sie sich geradezu "andienen". Manche tun es natürlich auch aus purer Angst oder Sorge um den Job - und das wird oft auch schamlos ausgenutzt. Und die dritte Gruppe will ganz einfach nichts versäumen und am nächsten morgen eine Schritt weiter sein, als der Konkurrent oder fühlt sich offline abgeschnitten.
    Schöne neue Welt.....
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  • F. K.
    ...weil der ein oder andere Arbeitgeber bei einer bloßen Freiwilligkeit dann auf den Arbeitnehmer unterschwellig Druck ausübt, doch "freiwillig" auch nach Dienstschluss erreichbar zu sein. "Ach Herr XY, ich schicke Ihnen dann später noch was zu. Das ist doch kein Problem, oder? Doch? Nun, dann werde ich mich wohl an Ihren Kollegen Z wenden müssen - der will bei uns noch was werden." Kapiert?
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