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Augsburg
Auch bekannte Namen dabei: Im Raum Augsburg häufen sich die Insolvenzen
Die Zahl der Unternehmen, die im Raum Augsburg in finanzielle Schieflage geraten, nimmt zu. Einige Branchen sind besonders betroffen. Die Entwicklung könnte sich fortsetzen.
Augsburger Insolvenzen.jpg       -  Die Zahl der Insolvenzen im Raum Augsburg ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. In Branchen wie der Gastronomie oder dem Baugewerbe zeichnen sich Schwierigkeiten ab.
Foto: Christoph Soeder, dpa/Oliver Berg, dpa/Alexander Kaya/Annette Zoepf | Die Zahl der Insolvenzen im Raum Augsburg ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. In Branchen wie der Gastronomie oder dem Baugewerbe zeichnen sich Schwierigkeiten ab.
Max Kramer, Andrea Wenzel
 |  aktualisiert: 25.08.2024 02:36 Uhr

Rübsamen, Tubesolar, Pauli kocht oder Boxbote: Die Namen der Augsburger Unternehmen, die zuletzt Insolvenz angemeldet haben, wird länger. In den Melderegistern tauchen zudem weitere bekannte Namen auf – auch aus der boomenden IT-Branche. Rollt auf die Stadt eine Insolvenzwelle zu? Das Amtsgericht verzeichnete zuletzt steigende Fallzahlen, auch bei der Stadtsparkasse registriert man den Trend. Ein Insolvenzexperte ordnet ein, welche Entwicklung er für Augsburg und die Region erwartet.

Am Amtsgericht, für die Bereiche Augsburg, Aichach-Friedberg und Landsberg am Lech zuständig, ist die Zahl der beantragten Unternehmens- und Privatinsolvenzen aktuell steigend. Dabei waren diese zuletzt viele Jahre tendenziell zurückgegangen. Ihren vorläufigen Tiefpunkt erreichte die Entwicklung 2020, dem ersten Coronajahr, als 274 private sowie 354 Firmenpleiten angemeldet wurden. Doch dann folgte eine Trendumkehr, Insolvenzen häuften sich spürbar. Im vergangenen Jahr wurden 1071 Insolvenzen beantragt, mit 617 lag dabei die Zahl der betroffenen Unternehmen so hoch wie seit 2016 nicht mehr. Der Trend der ersten Monate 2024 deutet auf eine Fortsetzung der Entwicklung hin.

Insolvenzen im Raum Augsburg: Nachholeffekte von Corona

Einen Treiber hierfür sieht Georg Jakob Stemshorn, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, unter anderem in den Effekten von Corona. Stemshorn leitet die Augsburger Niederlassung der Pluta Rechtsanwalts GmbH und war zuletzt unter anderem für die Verfahren von Rübsamen oder Tubesolar zuständig. "Es sind während Corona wegen der staatlichen Hilfen kaum Insolvenzanträge gestellt worden. Die kommen aber jetzt – und neue dazu." Dies treibe die Zahlen nach oben.

Auch bei der Industrie- und Handelskammer erwartet man Coronafolgen. "Wir sehen einen Nachholeffekt nach Corona. Unternehmen, die früher schon am Rand einer Insolvenz standen und sich dank staatlicher Hilfen über Wasser halten konnten, fallen nun durchs Raster", heißt es von der Industrie- und Handelskammer. Allerdings müsse man die Lage nicht dramatisch bewerten – die Wirtschaftskammern sehen noch keinerlei flächendeckende Probleme. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sei 2023 zwar höher als in den Coronajahren, jedoch nicht deutlich über dem Vorkrisenniveau, so die IHK für ihren Bereich. Am Handwerk scheinen die Entwicklungen bislang noch weitgehend vorüberzugehen. Handwerkskammer-Geschäftsführer Ulrich Wagner erkennt keinen signifikanten Anstieg an Insolvenzen in seinem Bereich. 

Insgesamt gingen die Insolvenzen aber nach oben – nicht nur in Augsburg, sondern auch bayern- und bundesweit, so Daten des Landesamts für Statistik. Betroffen seien nicht nur Ein-Mann-Betriebe, sondern auch der Mittelstand sagt Anwalt Stemshorn. Man registriere dabei insbesondere Verfahren in einer neuen Qualität: "Unternehmen, die zu Coronazeiten beispielsweise als stabil galten, wanken jetzt." Auch größere Firmen seien betroffen. 

Insolvenzen in Wirtschaft: Nicht das Niveau der Finanzkrise erreicht

Stemshorn betont, das Niveau der Finanzmarktkrise 2009 sei "bei Weitem noch nicht erreicht". Dennoch gehe man von weiter steigenden Insolvenzfällen aus. Als Beispiel nennt Stemshorn den Baubereich. So sei etwa Ende März das Saisonkurzarbeitergeld, das einige Unternehmen über die Wintermonate stabilisiert habe, ausgelaufen. Jedoch stünden auch weitere Branchen vor großen Herausforderungen, man betreue etwa Verfahren von Automobilzulieferern, Einzelhändlern oder Pflegeheimen. Aus Coronazeiten, sagt Stemshorn, seien viele Unternehmen noch mit Überbrückungskrediten belastet. Außerdem sei es in dieser Zeit zu "erheblichen Marktveränderungen" gekommen, Unternehmen hätten ihr altes Umsatzniveau teils nicht wieder erreichen können. Auch die Gastronomie gilt bei Experten von IHK und Banken als Sorgenkind. Zudem stiegen die Insolvenzzahlen von Start-ups. Mitte 2023 meldete etwa das Start-up "Paulikocht" am Mauerberg Insolvenz an, kurz darauf folgte der bekannte Lieferdienst Boxbote.

Eine regelrechte Insolvenzwelle ist aber wohl nicht absehbar. Das betonten zuletzt die Kammern und Banken. Laut Arbeitsagentur hatten die bisherigen Insolvenzen nur sehr geringe Effekte auf den Arbeitsmarkt. Vergleiche man die Zahlen an Anträgen für Insolvenzgeld, so sei zwar ein deutlicher Anstieg seit 2021 zu verzeichnen, und der Wert liege auch über dem Jahr 2019, vom Höchststand 2015 sei man aber noch deutlich entfernt. Stemshorn sagt: Gleichzeitig müsse man sehen, "dass aus der Krise oft auch Chancen erwachsen". Zum Beispiel entstünden neue Geschäftszweige, an die man vorher vielleicht nicht gedacht habe. Ein Insolvenzverfahren bedeute nicht das Ende – ein Unternehmen könne mithilfe von Experten saniert werden und neue Geschäftsfelder erschließen. Als Augsburger Beispiel nennt er die Schwarze Kiste. "Zusammen mit dem Inhaber haben wir den Gastronomiebetrieb neu aufgestellt. Als Ergebnis ist unter anderem eine eigene Produktreihe an Kaffeesorten entstanden, die in regionalen Supermärkten zu finden ist."

 
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