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Zu früh gefreut
Schuldenkrise: In Athen droht der Schuldenschnitt zu scheitern. Vor allem Hedgefonds sperren sich. Es geht um Zinsen und rechtliche Details. Aber die Zeit wird langsam knapp.
Viel Rauch um Alles: Feuerwerk über der Akropolis in Athen.DPA
Foto: Foto: | Viel Rauch um Alles: Feuerwerk über der Akropolis in Athen.DPA
Redaktion
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:27 Uhr

Griechenland läuft die Zeit davon. Die Kassen sind leer, das vom Bankrott bedrohte Land braucht dringend frisches Geld. Finanzhilfen in Höhe von 89 Milliarden Euro stehen für März in Aussicht. Zunächst muss Athen aber mit Banken und Versicherungen den geplanten Schuldenschnitt von 50 Prozent unter Dach und Fach bringen. Die Verhandlungen laufen auf Hochtouren. Spekulative Kreditausfallversicherungen spielen eine Schlüsselrolle bei dem Schulden-Deal.

Worum geht es?

Private Gläubiger wie Banken und Versicherer hatten sich auf dem EU-Gipfel Ende Oktober zu einem freiwilligen Schuldenschnitt bereit erklärt. Sie sollen auf 50 Prozent ihrer Forderungen bei griechischen Staatsanleihen verzichten. Das entspricht einem Betrag von 100 Milliarden Euro, um den der griechische Schuldenberg schrumpfen soll. Eine Einigung mit den privaten Gläubigern ist auch Voraussetzung für das zweite 130 Milliarden Euro schwere Griechenland-Hilfspaket.

Wer sind die Akteure?

Der internationale Bankenverband (IIF), dem 450 Banken und Versicherungen angehören, vertritt einen Großteil der privaten Gläubiger. Derzeit verhandelt IIF-Chef Charles Dallara mit der griechischen Regierung über die Details des Forderungsverzichts. Der IIF vertritt allerdings nur einen Teil der Griechenland-Gläubiger. Hedge-Fonds und private Investoren kochen ihr eigenes Süppchen. Wie viele Griechenlandanleihen im Besitz der Fonds und privater Investoren sind, kann nur geschätzt werden. Gesicherte Zahlen gibt es nicht, ebenso wenig wie Verbände als Verhandlungs- und Ansprechpartner für Athen.

Worum geht es bei den Verhandlungen?

Im Fokus stehen derzeit die Konditionen, zu denen der Tausch alter gegen neue Griechenlandanleihen am Ende über die Bühne gehen soll. Es geht um Zinssätze und rechtliche Fragen. Immer wieder machen auch Spekulationen die Runde, der Forderungsverzicht von 50 Prozent werde angesichts des immensen griechischen Schuldenbergs nicht ausreichen. Ob sich Banken und Versicherungen auf einen höheren Schuldenschnitt einlassen würden, ist allerdings fraglich.

Was passiert, wenn die Investoren nicht mitmachen?

Griechenland hat bereits vor neuen Finanzlöchern gewarnt, falls nicht alle Investoren beim Schuldenerlass mitziehen. Werden die angepeilten 100 Milliarden Euro verfehlt, wären zusätzliche Hilfen für Athen nötig. Das zweite Paket in Höhe von 130 Milliarden Euro müsste neu verhandelt werde. Im schlimmsten Fall droht ein Staatsbankrott mit unabsehbaren Folgen für Griechenland und die gesamte Währungsunion.

Wer hat welche Interessen?

Banken und Versicherungen, die Griechenland-Anleihen haben, drohen bei einer Pleite des Landes Verluste, auch wenn sie einen Teil der Papiere in ihren Bilanzen bereits abgeschrieben haben. Für manche Hedge-Fonds könnte eine Insolvenz des Landes dagegen lukrativ sein. Einige haben sich mit Versicherungen gegen einen Kreditausfall (CDS) eingedeckt, obwohl sie selbst gar keine griechischen Anleihen halten. Zahlen würden die Versicherer trotzdem, allerdings nur, wenn der Staat wirklich pleitegeht. Andere Fonds und wohl auch private Anleger wetten genau auf das Gegenteil. Sie hoffen darauf, dass eine Pleite verhindert wird, wollen sich aber an einem freiwilligen Schuldenschnitt nicht beteiligen. Gibt es eine Einigung, könnten sie ihre alten Anleihen behalten und auf Rückzahlung pochen.

Was sind Kreditausfallversicherungen?

Mit Credit Default Swaps (CDS) – zu deutsch Kreditausfallversicherungen – können sich Investoren gegen einen möglichen Zahlungsausfall zum Beispiel einer Staatsanleihe absichern. Kann der Schuldner nicht zahlen, springt der Versicherer ein. Vorausgesetzt er hat vorgesorgt – was nicht immer der Fall ist. 2008 stand der damals größte Emittent solcher Produkte, der US-Versicherungsriese American International Group (AIG), kurz vor der Pleite. Damals ging es um CDS auf den Ausfall hochspekulativer Wertpapiere, die Kredite für den amerikanischen Häusermarkt bündelten. Der Versicherungskonzern konnte die Schadenssummen aus den Ausfällen nur zahlen, weil er vorher vom Staat gerettet wurde.

Wer verdient an den CDS?

Zuerst einmal derjenige, der das Risiko versichert – das kann eine Bank sein. Je schlechter ein Land da steht, desto höher die Summe, die für eine Kreditausfallversicherung gezahlt werden muss. Die Prämien für mögliche Ausfälle Griechenlands oder anderer hoch verschuldeter Euro-Staaten sind deutlich gestiegen. Mit Kreditausfallversicherungen wetten aber auch Zocker auf eine schlechtere Bonität der Schuldner, ohne die entsprechenden Staatsanleihen zu besitzen. Dem schiebt die EU einen Riegel vor, weil die Praktiken nach gängiger Meinung den Kursverfall von Staatsanleihen beschleunigt haben. Prinzipiell sollen sich von November 2012 an nur noch Investoren den Schutz über CDS kaufen können, die Staatsanleihen halten.

Warum stehen CDS in der Kritik?

CDS werden nicht an der Börse gehandelt, der Markt gilt als wenig transparent und es gibt bisher keine staatliche Kontrolle über die Papiere. Welche Investoren wie viele CDS auf Griechenland-Anleihen in ihren Büchern haben, ist kaum zu durchschauen.

Was ist das Risiko?

Viele Finanzhäuser haben ihr Engagement in Griechenland-Anleihen verringert. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie die Papiere verkauft haben. Das Risiko lässt sich auch durch den Erwerb von CDS minimieren. Die entscheidende Frage ist daher, wo das Risiko geblieben ist. Die Anleihen sind ja nicht verschwunden. Zwar führt der amerikanische Finanzdienstleister Depository Trust & Clearing Corp (DTCC) ein zentrales Register, das Auskunft über die Volumina der Produkte gibt. Doch CDS müssen nicht darüber laufen.

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