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WASHINGTON
Zittern bis zur letzten Minute
Von den dpa-Korrespondenten H. Schmidt und F. Marx
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:45 Uhr

Im US-Finanzstreit haben führende Demokraten und Republikaner im Senat eine Einigung erreicht. Sie sieht vor, dass das Schuldenlimit so angehoben wird, dass die USA mindestens bis zum 7. Februar 2014 liquide bleiben. Außerdem solle ein Übergangshaushalt verabschiedet werden, damit die seit mehr als zwei Wochen lahmgelegte Verwaltung wieder geöffnet werden kann.

Die Anleger halten tagelang gezittert, ob im US-Finanzstreit eine Einigung in letzter Sekunde erreicht werden würde. Paradoxe Folge: Aktienindizes wie der Dax erreichten neue Rekordhöhen. Die Nachricht von der Einigung kam erst nach dem Handelsschluss an der Frankfurter Börse.

Warum steigen die Börsenkurse trotz des US-Haushaltsstreits?

Am Mittwoch schoss der deutsche Leitindex Dax in der Spitze bis auf 8861 Punkte in die Höhe, den höchsten Stand in seiner 25-jährigen Geschichte. Auch an anderen Aktienmärkten ging es nach oben. Getrieben wurden die Kurse von der Hoffnung der Anleger, dass im Haushaltspoker in Washington noch eine Lösung gefunden wird.

Was bewegt die Börsen sonst noch?

Die Notenbanken fluten die Märkte mit extrem billigem Geld, damit soll die Konjunktur angeregt werden. Die Hoffnung auf Kursgewinne und Dividenden in Zeiten extrem niedriger Zinsen locken Investoren seit Monaten an den Aktienmarkt.

Wie lange pumpen die Notenbanken noch billiges Geld in den Markt?

Ein rascher Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik ist angesichts der schwachen Konjunktur weder bei der US-Notenbank Fed noch bei der Europäischen Zentralbank wahrscheinlich. Im Gegenteil: Die EZB hatte klar gemacht, dass sie den Geldhahn so schnell nicht zudrehen wird.

Hatte die Fed nicht die Drosselung ihrer Anleihenkäufe angekündigt?

Notenbankchef Ben Bernanke hatte im Juni in Aussicht gestellt, die Anleihenkäufe noch in diesem Jahr zurückzufahren und Mitte 2014 eventuell auslaufen zu lassen – vorausgesetzt, die Konjunktur zieht an. Doch die Fed kauft weiter jeden Monat Anleihen im Wert von 85 Milliarden Dollar (63,6 Milliarden Euro). Da Etatstreit und Verwaltungsstillstand das Wachstum bremsen dürften, könnte der Einstieg in den Ausstieg auch in den USA noch auf sich warten lassen. „Wenn die Etatschlacht Wirtschaft und Finanzmärkte zu hart trifft, dürfte die Drosselung der Anleihenkäufe auf März verschoben werden“, schätzt Unicredit-Ökonomin Chiara Silvestre.

Bei dem sind die USA so verschuldet?

Offizielle US-Daten zeigen, wem Washington Geld schuldet: Der größte auswärtige Geldgeber ist China mit 1,3 Billionen Dollar. Es folgt Japan mit 1,1 Billionen Dollar. Doch auch im Inland steht die Regierung in der Kreide, unter anderem bei Pensions- und Investmentfonds.

Das meiste Geld schuldet die Regierung der US-Notenbank. Alleine der oberste Währungshüter der USA hat Anleihen im Wert von rund 2,1 Billionen Dollar im Zuge seiner Bemühungen aufgekauft, die Wirtschaft nach der Rezession wieder anzukurbeln.

In Europa ist die Schweiz mit 178 Milliarden Dollar der größte Gläubiger. Das kleine Belgien folgt mit 168 Milliarden Dollar noch vor Großbritannien und dem Finanzplatz Luxemburg. Noch nach Indien liegt Deutschland mit 56 Milliarden Dollar nach jüngsten Angaben des US-Finanzministeriums.

Ist bei einer Einigung alles im Lot?

Das Image der USA als Weltmacht ist bereits angekratzt. Die Streitereien untergraben das Vertrauen in das Funktionieren des politischen Systems. Hinzu kommen ökonomische Folgen. „Untersuchungen zeigen, dass die Konjunktur durch einen Anstieg der politischen Unsicherheit zumindest vorübergehend erheblich gedämpft werden kann“, erklärt Ökonom Nils Jannsen vom Institut für Weltwirtschaft (IfW). Unternehmen hielten sich mit Investitionen zurück, Verbraucher zögerten größere Anschaffungen hinaus. Erste Ökonomen haben bereits ihre Prognosen für die weltgrößte Volkswirtschaft gesenkt.

Was bedeutet das für die Anleger?

Die Börsen sind nervös. Am Dienstag sorgte die Hoffnung auf eine Einigung im Haushaltsstreit für einen Höhenflug. Doch die Luft ist dünn. Weil sich der Poker am Mittwoch hinzog, erstarrten die Börsianer wie das Kaninchen vor der Schlange.

Was sagt US-Starinvestor Warren Buffett zu dem Haushaltsstreit?

Buffett hatte vor der Einigung die Nichtanhebung der Schuldengrenze als „politische Massenvernichtungswaffe“ bezeichnet, die von keiner Seite benutzt werden dürfe. Das Land könne es sich nicht leisten, dass die Leute das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der USA verlören, sagte Buffett dem US-Wirtschaftssender CNBC. „Kreditwürdigkeit ist wie Jungfräulichkeit – sie kann bewahrt, aber nicht so leicht wiederhergestellt werden. Es ist also verrückt, damit herumzuspielen.“ Schon die Diskussion sei „total verantwortungslos“.

 
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