Dr. Harald Bolsinger ist Professor für Wirtschaftsethik und Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Im Interview erklärt er, wie Google und Apple beim Bezahlen mit dem Handy um den europäischen Markt kämpfen – und warum Bargeld langfristig doch noch eine wichtige Rolle spielen könnte.
Der Hauptvorteil ist wohl, dass markentreue Apple-Nutzer nun ohne Geldbeutel nur mit ihrem Applegerät aus dem Haus gehen können. Die Bezahlart schafft aber grundsätzlich keinen Zusatznutzen für die, die auch jetzt schon mit den Kredit- oder Girokarten ihrer Banken kontaktlos bezahlen. Wenn man dann auch noch aufgrund größerer Beträge oder Sicherheitseinstellungen des Händlers eine PIN eingeben oder unterschreiben muss, ist der Bequemlichkeitsvorteil dahin.
Ein Vorteil aus Nutzersicht könnte sein, dass das lokale Geschäft des Einzelhändlers keine Daten mehr über seine Kunden aus der Bezahltransaktion bekommt. Die Identität des Käufers taucht dort nicht mehr auf. Das erkauft man sich aber mit der vollen Transparenz des eigenen Einkaufsverhaltens für Apple über alle Händlerpunkte hinweg.
Ich bezweifle stark, dass Apple Pay bei uns besser laufen wird als der Google-Dienst. Die große Vision dahinter ist ja, dass Alltagsgegenstände wie zum Beispiel Autos mit der Handybezahlfunktion verbunden werden – und dann im Vorbeifahren an der Parkhausausfahrt automatisiert bezahlen. Auch im ÖPNV sind solche Lösungen denkbar. Sie sind noch nicht wirklich breit implementiert und akzeptiert in Gebrauch.
Beide Player besetzen diesen Markt meiner Meinung nach aus strategischen Gründen mit zunächst verlorenen Investitionen in der Erwartung, dass Europa hier weiterhin blind auf einem Auge bleibt. Es wäre durchaus denkbar, dass unsere Politiker einen neuen Standard definieren, der unabhängig von Betriebssystem und Marke funktioniert. Dann könnten in dem Segment alle Finanzdienstleister zum Wohl des Kunden miteinander im Wettbewerb stehen. Das ist durchaus vergleichbar mit den Ladesteckerspezifikationen der Handyhersteller, die vor der Standardisierung durch die EU absoluter Wahnsinn waren. Die Marken versuchen, ihr Verfahren zum Standard zu etablieren.
Erst wenn wir einen durchgesetzten Marktstandard haben, der breit bekannt ist, der allen Bezahldienstleistern und Banken gleichermaßen offen steht und der die Sicherheitsbedenken der Endkunden ausschalten kann, wird diese Technologie wie in China an Fahrt aufnehmen. Wir können nur hoffen, dass hier Europa wie auch in der DSGVO einen Alleingang gemäß seiner Werte wagt und nicht China oder die USA mit Euro-Zeichen in den Augen einfach kopiert. Zumindest die Bankenverbände sollten in diese Richtung ihre Macht einsetzen.
Das scheint zumindest der Wunsch der Internet- und Datenevangelisten, denn ohne Bargeld wird maximale Überwachung und damit auch Manipulation und Datenkapitalisierung einfacher möglich. Meine Prognose ist, dass im Laufe der Zeit immer mehr Menschen dies erkennen und deshalb noch gezielter mit Bargeld bezahlen werden.