
Schon seit Jahren wird prophezeit, das Internet werde auch die Fernsehbranche umpflügen – doch bisher ist auf den ersten Blick nur wenig von einer Revolution zu erkennen. Allein die Superquote von „Wetten, dass . .?“ am vergangenen Wochenende und die Zuschauermassen bei Sport-Events wie Olympia oder Fußball-WM belegen: Das Fernsehen wird von vielen Menschen akzeptiert, so wie es ist. Doch zugleich ist im Internet eine eigene neue Videowelt entstanden, und die Google-Plattform YouTube ist heute auch so etwas wie ein Fernsehanbieter: Ihre „Originalkanäle“, die bald in Deutschland online gehen, sind nichts anderes als Spartensender.
Der Manager Robert Kyncl, der für YouTube das Projekt weltweit koordiniert, ist zum Deutschlandstart sichtlich um eine Friedensbotschaft an die Fernsehsender bemüht. Die Google-Plattform habe nur Nischen im Blick, wie etwa einzelne Sportarten oder Ratgeber-Videos. Eine Konfrontation wie den Einstieg ins Wettbieten etwa um Bundesliga-Rechte schließt Kyncl aus: „Es macht für uns keinen Sinn, für die teuren Live-Rechte mitzubieten.“
Doch eine Rivalität ist trotzdem da, denn Google und die Fernsehsender leben vor allem aus einer Quelle: Werbung. Und das ist kein Kuchen, der endlos größer wird, sondern umverteilt werden kann. Angenommen, mehr Menschen schauen lieber YouTube als das laufende TV-Programm – was wird dann wohl mit den Werbeeinnahmen passieren? Kyncl wischt solche Szenarien beiseite. Schon seit mehr als zehn Jahren höre er davon, aber: „Auch mit dem Aufstieg der Online-Videofirmen ist der TV-Konsum in den vergangenen Jahren nur gestiegen, allen solchen Prognosen zum Trotz.“
Die Stimmung zwischen Google und zumindest Teilen der deutschen Fernsehindustrie – die selbst immer mehr im Internet aktiv wird – ist dennoch angespannt. Im Mai griff der Chef von ProSiebenSat.1, Thomas Ebeling, zu eindeutigen Worten. Der Suchmaschinenriese sei eine große Bedrohung für die gesamte Medienbranche und profitiere unter anderem über seine Videoplattform YouTube von „massenhafter Verletzung des Urheberrechts und unternimmt zu wenig, um dagegen vorzugehen“, schimpfte der Konzernchef. Google weist solche Vorwürfe zurück. Die zwölf Kanäle, die YouTube im ersten Schwung für Deutschland ankündigte, erwecken tatsächlich nicht den Eindruck, als sollten sie zum „Lagerfeuer“ der Republik werden. Da sind Kurzfilme, Ratgeber für das „Abenteuer Familie“, eine Late-Night-Show aus einem Wohnzimmer oder „Action und Spaß aus der Welt des Fun- und Extremsports“.
Die Bombe könnte sich eher zwischen den Videos verstecken. Google setzt bei den Spartenkanälen auf sein Werbesystem „Trueview“, bei dem der Zuschauer den Spot wegklicken kann – oder bis zum Schluss anschaut, weil er ihn interessiert. „Wenn wir damit erfolgreich sind, wird dies das Werbegeschäft revolutionieren“, sagt Kyncl offen. Google hofft, dass Unternehmen bereit sein werden, mehr Geld für tatsächlich angesehene Werbung zu bezahlen. Im heutigen Fernsehen berieseln sie die Zuschauermasse eher nach dem Gießkannenprinzip mit der Gefahr, dass die Werbung nur als Fernsehpause genutzt wird.