Unruhige Zeiten für die Deutsche Bank: Seit Monaten ringt das Management um eine neue Strategie, es drohen weitere Milliardenstrafen, nächste Woche beginnt der Prozess gegen Co-Chef Jürgen Fitschen wegen versuchten Betrugs im Kirch-Verfahren, im Tarifkonflikt bei der Postbank läuft seit Montag ein unbefristeter Streik.
Deutschlands größtes Geldhaus ist auf Kurssuche. Am Freitag trifft sich der Aufsichtsrat zu einer Sondersitzung.
Seit der Finanzkrise 2007/2008 schaffte es die Deutsche Bank nicht, ihre Gewinne zu stabilisieren. Eigentlich wollte die Bank mit eingesetztem Kapital zwölf Prozent nach Steuern verdienen, im vergangenen Jahr sprangen gerade einmal 2,7 Prozent Rendite heraus. Hohe Kosten für Rechtsstreitigkeiten, anhaltende Minizinsen und immer strengere Vorgaben der Aufseher weltweit belasten das Bankhaus.
Gegen alle Widerstände verteidigte das Management zuletzt öffentlich immer wieder das Konzept einer Universalbank, die weltweit vom Privatkundengeschäft über die Vermögensverwaltung bis zum Kapitalmarktgeschäft alle Bankdienstleistungen anbietet. Dies sei der ausdrückliche Wunsch zahlreicher Kunden. Allerdings legen Aufseher gerade an dieses Geschäftsmodell besonders scharfe Maßstäbe an. Sie wollen vor allem Einlagen von Privatkunden gegen das schwankungsanfällige Kapitalmarktgeschäft abschirmen.
Die Strategiedebatte ließ alte Gräben wieder aufbrechen. Sollte sich die Bank tatsächlich aus weiten Teilen des Privatkundengeschäfts zurückziehen, wäre das ein Triumph der Investmentbanker. Deren oberster Chef war lange Anshu Jain, der seit Juni 2012 einer von zwei Co-Chefs des Konzerns ist. Immer wieder wird aus diesem Lager auf die schwache Rendite im Privatkundengeschäft verwiesen. Umgekehrt dringt seitens der Privatkundenvertreter der Vorwurf nach außen, es seien die Investmentbanker gewesen, die mit windigen Geschäften für teure Altlasten verantwortlich seien.
Seit Herbst wird über die Zukunft der Bonner Tochter spekuliert, die seit 2010 zum Deutsche-Bank-Konzern gehört. Dem Vernehmen nach werden zwei Varianten diskutiert: die Aufspaltung des Konzerns in eine Unternehmer- und eine Privatkundenbank inklusive Postbank oder ein Verkauf der Postbank. Für die 14 800 Beschäftigten der „gelben“ Bank, wie die Postbank auch intern bei der „blauen“ Deutschen Bank gerne genannt wird, ist es eine nervenaufreibende Hängepartie – zumal auch die Tarifverhandlungen bei der Postbank stocken und dort seit Montag gestreikt wird.
Viele Kunden gehen kaum noch oder gar nicht mehr in eine Filiale, dennoch will eine Mehrheit der Kunden laut Umfragen nicht auf den Berater um die Ecke verzichten. Die Branche muss einen Spagat schaffen. Historisch niedrige Zinsen verschärfen den ohnehin harten Wettbewerb um Privatkunden in Deutschland.
Ganz auf Filialen verzichten wird die Deutsche Bank in absehbarer Zeit nicht. „Es wäre ein Riesenfehler, wenn wir uns aus dem Filialgeschäft verabschieden würden“, hatte Manager Christian Ricken betont. Er räumte aber auch ein: Das Filialsterben wird weitergehen. Der Abbau werde sich in ähnlicher Geschwindigkeit wie in den vergangenen Jahren fortsetzen. In 15 Jahren war die Zahl der Deutsche-Bank-Standorte – ohne Postbank – bereits von 1200 auf 740 zurückgegangen. Möglicherweise schließt der Branchenprimus bis zu 250 weitere Filialen.
De facto ist der deutsche Branchenprimus die einzige Geschäftsbank von internationalem Rang, die ihren Stammsitz in Deutschland hat. Ende 2014 wurde gut die Hälfte des Grundkapitals der Bank von Aktionären in Deutschland gehalten.