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WÜRZBURG
Wirtschaft kritisiert GEZ-Reform
Damit alle ihre Rundfunkgebühren zahlen: Eine Überwachungskamera am Hauptsitz der Gebühreneinzugszentrale in Köln.
Foto: dpa | Damit alle ihre Rundfunkgebühren zahlen: Eine Überwachungskamera am Hauptsitz der Gebühreneinzugszentrale in Köln.
Von unserem Redaktionsmitglied Max Koch
 |  aktualisiert: 19.07.2012 18:55 Uhr

Zunächst ein kleines Rechenbeispiel: Burkhard Heimbach betreibt ein mittelständisches Unternehmen für Farben und Raumgestaltung in Lohr. In diesem Jahr hat er für die Beschallung von einer Betriebsstätte und zwei Autos 233 Euro an die GEZ bezahlt. Ab 2013 werden es fast 360 Euro pro Jahr sein. „Das ist eine Steigerung von über 50 Prozent“, schimpft der Unternehmer. Er bezahlt mehr Geld für nichts. Oder besser: Er bezahlt nicht länger für die Beschallung der Fahrzeuge und Räumlichkeiten. Sondern pauschal für eine Betriebsstätte, zwei Pkw und zwölf Mitarbeiter. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich demnächst nicht mehr über Gebühren, sondern über den Rundfunkbeitrag.

Das bedeutet konkret, dass die GEZ zukünftig einfach bei jedem kassiert und nicht nach Radios, Fernsehgeräten oder internetfähigen Computern fahndet. Für alle Privatpersonen, die auch bisher schon nach den Regeln gespielt haben, verändert sich kaum etwas. Einige Unternehmen konnten dagegen gar nicht glauben, was sie ab dem 1. Januar bezahlen sollen. „Die Umstellung sorgt mächtig für Wirbel“, sagt Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer Unterfranken des Handelsverband Bayern (HBE).

Gerade den Einzelhandel mit seinem hohen Personalaufkommen und vielen Filialen treffe die neue Regelung sehr hart, so Wedde. „Wir sammeln im Moment die Beschwerden und werden dann eine Nachbesserung fordern.“ Betrachtet man die bayernweit eingegangenen Beschwerden, kann sich Burkhard Heimbach aus Lohr schon fast glücklich schätzen. „Im Durchschnitt bezahlen die Unternehmen das Drei- bis Vierfache“, berichtet Bernd Ohlmann, Geschäftsführer der HBE. In einem anonymisierten Beispiel rechnet ein Unternehmen mit 92 Filialen in seiner Beschwerde beim HBE sogar vor, dass es statt bisher 1800 Euro pro Jahr zukünftig stolze 29 700 Euro bezahlen soll.

„Uns ist bewusst, dass die Reform nicht nur Gewinner haben wird“, erklärt Axel Schneider von der juristischen Direktion des Bayerischen Rundfunk (BR). Die Rundfunkanstalt ist in Fragen des Beitragsmodells für Bayern zuständig und sieht durch die Neuregelung eine „deutliche Entlastung der Wirtschaft“.

BR sieht Entlastung

Axel Schneider bestärkt seine Aussage mit einer Rechnung, nach der „90 Prozent aller Betriebsstätten in Deutschland nicht mehr als einen Rundfunkbeitrag in der Höhe von 17,98 Euro pro Monat“ zahlen müssten. Dieser Beitrag gilt für Unternehmen mit einer Betriebsstätte und bis zu 19 Mitarbeitern. Drei Viertel müssten sogar nur 5,99 Euro pro Monat zahlen, weil sie weniger als acht Mitarbeiter hätten, so Schneider.

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) sieht dagegen nicht nur vereinzelte Verlierer der Reform. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der VBW widerspricht dem BR sogar absolut: „Das neue Vertragswerk führt dazu, dass der Beitrag der Wirtschaft zur Finanzierung des Systems massiv steigt.“ Das ginge auch aus den ersten Rückläufen einer derzeit durchgeführten Unternehmensumfrage der VBW zu dem Thema hervor.

Die Vereinigung bemängelt zudem genau wie der HBE die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen mit gleicher Mitarbeiteranzahl aber mehreren Betriebsstätten. „Diese Ausgestaltung ist wettbewerbsverzerrend“, so Brossardt.

BR-Sprecher Schneider sieht das komplett anders. Er sagt: Die Verteilung „führt in aller Regel zu einer gerechteren Belastung“. Schließlich bedeuteten mehr Filialen, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Rundfunknutzung und zumeist auch eine erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geht zunächst von einer gerechten Verteilung aus. „Die mittelständische Industrie muss eventuell sogar weniger zahlen“, sagt Norbert Vogelpoth, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Ertrag und Finanzausgleich“ bei der KEF. Jedoch kann auch die Kommission noch nicht abschätzen, inwiefern das neue Modell vielleicht sogar eine Überfinanzierung bedeutet. Dafür gebe es zu viele Unsicherheiten in den Statistiken, heißt es im Bericht der KEF. Mehr könne man dazu erst sagen, wenn die ersten Erfahrungsberichte vorliegen.

Kommt dann heraus, dass die Rundfunkanstalten mehr Geld einnehmen, schreitet die Kommission ein. Mit geringeren Beiträgen oder weniger Werbung könnte die Finanzierung wieder ausgeglichen werden. „Wie die Beiträge aber auf die Unternehmen verteilt werden, ist in einem Gesetz festgehalten und das können nur die Ministerpräsidenten ändern“, so Vogelpoth.

Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag

Der neue Rundfunkbeitrag wurde von allen 16 Ministerpräsidenten beschlossen und gilt ab dem 1. Januar 2013. Dann muss im privaten Bereich jeder Haushalt unabhängig von den Geräten in der Wohnung oder der Anzahl der Bewohner einen monatlichen Beitrag von 17,98 Euro bezahlen. Die privaten Autos aller Bewohner sind damit abgedeckt.

Auch für Unternehmen gilt die neue geräteunabhängige Regelung. Zukünftig müssen sie je Betriebsstätte mit bis zu acht Mitarbeitern 5,99 Euro bezahlen; bei neun bis 19 Mitarbeitern werden 17,98 Euro fällig, bei 20 bis 49 Mitarbeitern sind es 35,96 Euro. Die Staffelung endet bei 20 000 Mitarbeitern pro Betriebsstätte, für die der Eigentümer 3236,40 Euro im Monat bezahlen muss. Als Mitarbeiter zählen alle sozialversicherungspflichtigen Voll- oder Teilzeitkräfte. Nicht mitgerechnet werden Auszubildende und geringfügig Beschäftigte. Hinzu kommt ein Beitrag von 5,99 Euro im Monat für jeden geschäftlich genutzten Pkw. Pro Betriebsstätte ist ein Pkw kostenfrei.

Für Hotel- und Gästezimmer oder Ferienwohnungen muss der Vermieter einen Rundfunkbeitrag von 5,99 Euro pro Zimmer und Monat leisten. Das erste Zimmer oder die erste Wohnung pro Betriebsstätte ist beitragsfrei.

 
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