„Die Existenz des Menschen hängt ab von seinem Fleiß“ – in goldenen arabischen Lettern auf kobaltblauen Kacheln hängt dieses Koran-Motto über dem Eingang. Drinnen auf den breiten Fluren herrscht peinliche Sauberkeit. Von Ferne hört man leise das Zischen und Rütteln der Maschinen in den hohen Hallenräumen. Masoud Ghasaei ist hier der Chef, einer, den man in Deutschland einen mittelständischen Unternehmer nennen würde. Kein autoritärer Patriarch. Der Chef ist stolz auf seine Mitarbeiter und ansonsten ein Mann der leisen Töne.
Seit fast dreißig Jahren betreibt der 57-Jährige zusammen mit seinem zehn Jahre älteren Bruder die Porzellanfabrik Zarin, die einst Großvater und Vater aufbauten und die heute der größte Geschirrhersteller des Landes ist. 1000 Menschen, zwei Drittel von ihnen Frauen, arbeiten auf dem weitläufigen Fabrikgelände, was etwa eine Autostunde von Isfahan entfernt in dem Städtchen Mobarakeh liegt. Das meiste der 8000 Tonnen Jahresproduktion bleibt im Land, viele heimische Spitzenhotels schwören auf Zarin-Porzellan.
Seine Sorgen teilt der Fabrikant mit randloser Brille und fein gestutztem Schnäuzer mit vielen iranischen Unternehmern. Seit einem Jahrzehnt konnte er nicht mehr richtig investieren. „Rohstoffe und Ersatzteile sind schwierig zu bekommen“, sagt er, der mit hochbetagten und hingebungsvoll gewarteten deutschen Maschinen produziert. Für den Import neuer Anlagen braucht man Finanz-Mittelsmänner, die alle mitverdienen wollen. Und der Kauf des Kaolin-Rohstoffs im Ausland, aus dem die Teller, Tassen, Kannen und Salzstreuer gepresst werden, geht nur mit harten Devisen, die wegen der westlichen Bankensanktionen auf kostspieligen Umwegen beschafft werden müssen.
Seit der Wahl von Präsident Hassan Rowhani und den positiven Atomgesprächen in Genf jedoch hofft Irans Wirtschaft auf eine Wende. An der Börse in Teheran boomen bereits die Öl- und Bankaktien, auch wenn Rowhani in seinem TV-Interview nach 100 Tagen im Amt seinen Landsleuten nur katastrophale Wahrheiten zu verkünden hatte. Der Zustand des Landes sei „erschreckend“. Die Islamische Republik sei faktisch bankrott, die Staatskasse geplündert. Die Wirtschaft leide unter tiefer Rezession, während sich die Inflation mit 40 Prozent auf schwindelerregenden Höhen befinde.
Die gesamte Ölindustrie, nach wie vor Haupteinnahmequelle des Landes, ist seit 1979 nicht mehr grundlegend modernisiert worden. Die Iran-eigenen Uralt-Raffinerien produzieren so minderwertigen Kraftstoff, dass Teheran inzwischen permanent unter einer gelblichen Abgaswolke ächzt. Im Prinzip muss alles erneuert werden, meint ein Wirtschaftsexperte in Teheran und nennt den Iran „den dicksten Braten auf dem Teller der Weltwirtschaft“. Die Ölbranche allein braucht nach seinen Worten in den nächsten Jahren Investitionen von 50 bis 100 Milliarden Euro. Irans Luftfahrt benötigt mindestens 50 neue Flugzeuge. Die Hälfte der 20 Millionen Autos im Land ist inzwischen mehr als 25 Jahre alt.
Entsprechend hoch sind die Erwartungen bei den ausländischen Emissären, die sich in Teheran inzwischen die Klinke in die Hand geben. Hauptgewinner eines iranischen Investitionsbooms könnten neben internationalen Ölmultis wie Total, Shell und ExxonMobil vor allem die französischen Autoriesen Peugeot-Citroen und Renault sein, die eine langjährige Partnerschaft mit Iran Khodro verbindet. Gleichzeitig verhandeln Irans Manager nach eigenen Angaben aber auch mit Mercedes-Benz und Autozulieferern wie Continental und Bosch. Doch das Berliner Wirtschaftsministerium dämpft die Erwartungen der deutschen Unternehmen auf ein baldiges Ende der Sanktionen nach wie vor.
„Der Iran hungert nach Investitionen“, sagt Porzellanfabrikant Masoud Ghasaei. Er setzt dabei vor allem auf bessere Beziehungen zu Deutschland. Der Iran habe ein Imageproblem, sagt er. Das aber werde sich jetzt hoffentlich mit Rowhani ändern. „Und wenn die politischen Probleme einmal gelöst sind, lassen sich auch die wirtschaftlichen Probleme lösen.“