
Fünf Tage konnte sich Martin Winterkorn nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals halten. Dann war der Druck zu hoch. Er sei sich „keines Fehlverhaltens bewusst“, beteuerte der VW-Chef am 23. September, als er seinen freiwilligen Rückzug von der Konzernspitze erklärte. Auch deshalb hielt er wohl noch an diversen weiteren Ämter im VW-Konzern fest.
Winterkorn hat damit rein formal an wichtigen Schnittstellen im Konzern noch die Zügel in der Hand. Er ist nach wie vor nicht nur Kontrolleur beim Sportwagenbauer Porsche, sondern auch Aufsichtsratschef von Audi und der erst im Sommer gegründeten Lkw-Sparte. Vor allem aber hat er weiterhin den Vorstandsvorsitz der Dachgesellschaft Porsche SE inne – und steht damit zumindest formal über dem neuen VW-Chef Matthias Müller. Auf dem Papier ist die Holding Muttergesellschaft des Volkswagen-Konzerns und hält gut die Hälfte der stimmberichtigten VW-Aktien, mit denen die Macht steht und fällt.
Über Winterkorns Verbleib in seinen Ämtern war in den vergangenen Wochen viel diskutiert worden. Nicht nur der Wirtschaftswissenschaftler Christian Strenger hatte am Wochenende in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gefordert: „Schon wegen der von ihm gewünschten Glaubwürdigkeit bei der lückenlosen Aufklärung sollte Herr Winterkorn alle Konzernämter abgeben.“ Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hatte im Zuge des VW-Skandals Ermittlungen wegen Betrugs gegen namentlich nicht genannte Manager eingeleitet. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob ein Anfangsverdacht gegen Winterkorn besteht.
In den Reihen der Volkswagen-Eigner wächst der Unmut über Winterkorns Festhalten an den Ämtern. Er ist bislang der einzige Top-Manager, der bei VW im Zuge der Affäre gehen musste. Andere, wie der Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, wurden nur beurlaubt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dringen inzwischen sowohl das Land Niedersachsen als VW-Großaktionär als auch die Vertreter auf der mächtigen Arbeitnehmerseite auf eine endgültige Trennung.
Nur noch eine Frage der Zeit
Winterkorn selbst hatte bei seiner Rücktrittserklärung lediglich erklärt, er habe den Aufsichtsrat darum gebeten, „eine Vereinbarung zur Beendigung meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns zu treffen“. Seine übrigen Posten fanden damals keine Erwähnung.
Die IG Metall hatte schon früh Konsequenzen und damit indirekt den Rückzug Winterkorns gefordert. Der Betriebsratschef des Sportwagenbauers Porsche und SE-Aufsichtsrat Uwe Hück hatte offen kritisiert, es sei nicht nachvollziehbar, dass Winterkorn in seinen Ämtern bleibe.
In Aufsichtsratskreisen des Volkswagenkonzerns hieß es am Montag, der Rückzug sei nur noch eine Frage der Zeit. Schon bald könnte es offenbar dazu kommen: Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, „NDR“ und „WDR“ will Winterkorn nun einlenken.
Von der Porsche SE heißt es dazu: „Uns liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass eine Entscheidung gefallen ist.“ Der nächste Termin für eine Aufsitzratssitzung sei im Dezember anberaumt, in dieser Woche sei nichts geplant, sagte ein Sprecher. Das wäre allerdings auch nicht notwendig, wenn Winterkorn – wie in den Berichten suggeriert – selbst seinen Rücktritt einreicht.
Finanziell hat Winterkorn ausgesorgt, er war jahrelang der bestverdienende Top-Manager unter den Dax-Konzern. Allein für 2014 bekam er als VW-Chef 15,9 Millionen Euro Bezüge, für den Vorstandsposten der Porsche SE gab es zuletzt zusätzlich pro Jahr rund 800 000 Euro. Zur Auszahlung seines einst bis 2016 laufenden Vertrags als Konzern-Vorstandsboss ist bisher nichts bekannt. Winterkorn selber hatte laut Erklärung „eine Vereinbarung zur Beendigung“ gefordert. Winterkorns Rentenansprüche beliefen sich Ende 2014 auf einen Barwert von 28,5 Millionen Euro.
Sollte Winterkorn, wie er es beteuert, sein Amt als Konzernlenker aus „einem nicht von dem Vorstandsmitglied zu vertretenen wichtigen Grund“ abgegeben haben, hätte er laut Bilanz außerdem Ansprüche auf maximal zwei Jahresvergütungen, also bis Ende 2016. Sollte er den Grund des frühzeitigen Vertragsendes jedoch mit vertreten müssen, entfiele die Abfindung.
Und zumindest ein Posten dürfte Winterkorn erhalten bleiben. Sein Posten beim FC Bayern hat nichts mit Volkswagen zu tun, wie der Fußball-Rekordmeister schon selbst betonte. Bereits Ende September hatte der Fußball-Club mitgeteilt, Winterkorn sei als persönliches Mitglied in das Kontrollgremium des Fußballclubs gewählt worden. Inzwischen soll ihm laut „Süddeutsche Zeitung“ sogar Clubchef Karl-Heinz Rummenigge gebeten haben zu bleiben.