
Die Kantine gilt als die Seele eines Unternehmens. Der soziale Faktor dort ist groß, die Liebe zur Arbeit geht auch durch den Magen. Deshalb messen Chefs der Kantine gerne einen hohen Stellenwert bei. Vorbei ist das Klischee, dass den hungrigen Arbeitern das Essen auf den Teller geknallt wird wie im Straflager.
Weil eine Kantine einen solch hohen Stellenwert hat, sollte sie gut geplant sein. Das ist seit 25 Jahren das Metier von Rudi Schmitt. Der Werksleiter von Winkler Design in Röttingen (Lkr. Würzburg) muss sich in die Abläufe eines Unternehmens hineindenken, um den Kunden mehr zu liefern als nur eine reine Essensausgabe.
"Die Kantine war früher notwendiges Übel. Das hat sich komplett gewandelt", weiß Schmitt. Wann ist im Betrieb des Kunden welche Schicht zu Ende, in welcher Anzahl und in welchen Phasen kommen die Gäste, wie lange sind für gewöhnlich deren Pausen, gibt es Gleitzeit? "Das muss man für die Planung alles abfragen", sagt Schmitt.
Weil er von jedem Kunden dazu andere Antworten bekommt, sei jede Winkler-Kantine oder -Großküche ein Unikat. Schon deshalb, weil viele Unternehmer ihre Kantine auch als Vorzeige- und Prestige-Objekt ansehen. Frei nach dem Motto: Schaut her, wir haben eine tolle Kantine, also sind wir auch eine tolle Firma. So habe sich das Wesen der Kantine in jüngster Vergangenheit "komplett geändert", erzählt Schmitt.
Welche Rolle die Kantinen zum Beispiel bei ZF spielen
Das sieht man zum Beispiel bei einem der größten Arbeitgeber in Mainfranken ähnlich, beim Automobilzulieferer ZF in Schweinfurt. Das Wohlergehen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz sei sehr wichtig, teilt ZF-Sprecher Michael Lautenschlager mit. "Die Kantinen sind als sozialer Treffpunkt in den Pausen dafür von entscheidender Bedeutung." Der Konzern bezuschusse die fünf Kantinen in Schweinfurt pro Jahr "mit einem hohen sechsstelligen Betrag".

Auch der Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer in Würzburg misst der Kantine eine besondere Rolle zu, die in den Arbeitsalltag der Belegschaft hineinstrahle, so Sprecherin Dagmar Ringel. Abgetrennt zum Beispiel durch Pflanzen und auf verschiedenen Ebenen gebe es einen mit Sesseln bestückten Bereich, der für Besprechungen genutzt werden könne - "auch außerhalb der Essenszeiten".
Zu einem Dübel-Konzern kam sogar Harald Wohlfahrt
Wie man mit seiner Kantine mitarbeiterfreundliche Pirouetten drehen kann, hat der Dübel-Konzern Fischer im Schwarzwald bewiesen und es damit 2017 sogar in das renommierte Magazin "Wirtschaftswoche" geschafft. Bei Fischer tischte einmal in der Woche Spitzenkoch Harald Wohlfahrt edle Speisen auf. „Es lohnt sich, dass die Mitarbeiter ein sehr gutes Essen bekommen“, wird Fischer in dem Magazin zitiert.
Dass der Gang in die Kantine hier und da für die Mitarbeiter ein besonderes Ereignis sein soll, hat auch Rudi Schmitt in Röttingen beobachtet. Aktionstheken und Live-Kochen vor den Gästen würden immer populärer. Auch deshalb, weil die Kantine gerne "wie ein Restaurant" angesehen und für öffentliche Veranstaltungen genutzt werde.
Winkler Design hat schon ganz große Namen beliefert
Bis zu fünf Millionen Euro kann eine Kantine von Winkler Design schon mal kosten. BMW, Daimler, Siemens, Springer Verlag, s.Oliver in Rottendorf bei Würzburg: Schmitt war schon bei ganz großen Adressen am Werk, um seine schlüsselfertigen Einrichtungen einzubauen. Einrichtungen, in denen zum Teil mehrere tausend Menschen am Tag stilvoll satt werden sollen.
Zu der Winkler-Belegschaft gehört laut Schmitt auch ein Küchenmeister. Er kenne die klassischen Handgriffe eines Kochs und sei deshalb bei der Planung wichtig. Da spiele auch der Aspekt der richtigen Lagerung der Lebensmittel hinein. Denn der Trend gehe in den Kantinen zu regionalen Zutaten - das bedeute tägliche Anlieferung und damit andere Bevorratung als bei Essen aus Tüten und Dosen.
Was Winkler Design mit der Eisenbahn zu tun hat
Obwohl in dem Werk von Winkler Design viel gesägt, geschliffen und geschraubt wird, hat sich zu dieser Handarbeit längst auch die Digitalisierung gesellt. Es gebe Kantinen, so Schmitt, deren Küchen per App aus der Ferne gesteuert werden können. Der Koch bereite hier das Mittagessen schon am Vortag zu, stelle es in den Ofen, der dann am Morgen mit der App angeschaltet werde. So seien die Mahlzeiten früher fertig, es bleibe Zeit für andere Arbeiten.

Mit seinen 70 Mitarbeitern macht Schmitt im Durchschnitt 15 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Ein Viertel entfällt auf Bordrestaurants in Zügen. Fast alle ICE-Typen in Deutschland habe er schon beliefert. Auch Eisenbahngesellschaften in den USA oder in Namibia seien unter seinen Kunden, erzählt Schmitt stolz.
Konkurrenz hat Winkler Design in dieser Sparte laut Schmitt kaum. Das bald 100 Jahre alte Unternehmen gehört seit 1995 zur Wirthwein AG im nur wenige Kilometer entfernten Creglingen (Main-Tauber-Kreis), die neben Unternehmen der Automobil-, Hausgeräte- und Medizintechnik-Industrie auch die Bahn mit Kunststoffteilen beliefert.
In den Zügen spielen freilich ganz andere Faktoren eine Rolle als bei einer herkömmlichen Firmenkantine. So müssen dem Winkler-Chef zufolge all die Tresen und Schränke in einem Bordbistro so mit dem Untergrund verschraubt sein, dass sie das Dreifache ihres Gewichts aushalten - damit sie bei einer Vollbremsung des ICE nicht aus der Verankerung fliegen.