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WOLFSBURG/TURIN
Will VW über Italien in den US-Markt?
Zieht VW sich Fiat an Land? Die Wolfsburger sollen vor allem an der US-Tochter Chrysler der Italiener interessiert sein. Ein Griff an der amerikanischen Marke könnte gegen Volkswagens Schwäche auf dem US-Markt helfen.
Foto: Toni Anzenberger | Zieht VW sich Fiat an Land? Die Wolfsburger sollen vor allem an der US-Tochter Chrysler der Italiener interessiert sein. Ein Griff an der amerikanischen Marke könnte gegen Volkswagens Schwäche auf dem US-Markt helfen.
reda
 |  aktualisiert: 16.11.2015 12:22 Uhr

Jetzt soll es also Fiat sein. Zum zweiten Mal in zwei Wochen steht Volkswagen im Zentrum von Spekulationen über große Zukäufe. Anfang Juli hatte Daimlers Lkw-Chef Wolfgang Bernhard Gerüchte angeheizt, die Wolfsburger planten die Übernahme des US-Lastwagenbauers Paccar. Am Donnerstag folgte nun der nächste Paukenschlag: Laut „Manager Magazin“ sondiert VW-Patriarch Ferdinand Piëch einen Kauf oder Teilkäufe des italienisch-amerikanischen Konkurrenten Fiat Chrysler. Besonders Chrysler stehe dabei im Fokus, um die anhaltende Schwäche von Volkswagens Pkw-Hauptmarke in den USA – dem nach China zweitgrößten Automarkt der Welt – auszumerzen.

Ein paar Stunden lang hielt sich das Gerücht unwidersprochen am Markt und sorgte für ein kräftiges Auf und Ab an der Börse – dann erst kam ein deutliches Dementi aus Italien. Volkswagen ergänzte: Derzeit stünden keine Übernahmeprojekte auf der Agenda. Man konzentriere sich stattdessen darauf, die Effizienzen im Konzern zu heben.

Damit sollte Europas größter Autobauer ausreichend beschäftigt sein. Vorstandschef Martin Winterkorn hatte erst Anfang der Woche von milliardenschweren Kostensenkungen und einer speziellen Eingreiftruppe für den neuen Sparkurs gesprochen (wir berichteten). Außerdem muss die interne Lastwagen-Allianz mit den Töchtern MAN und Scania nach der teuren Komplettübernahme der Schweden endlich auf Trab gebracht werden.

Amerikanisches Filetstück

Dennoch: Die Vorstellung, Volkswagen greife beim angeschlagenen Fiat-Konzern zumindest nach einigen Filetstücken, ist vielen zu aufregend, um sie einfach zu den Akten legen zu können. Auch Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hält ein Interesse aus Wolfsburg für plausibel. Denn der Griff nach Chrysler hätte wegen Volkswagens langwieriger US-Schwäche eine charmante Logik.

Die Nummer drei der US-Hersteller hat etwa ein riesiges Händlernetz. „Das erleichtert den Marktzutritt“, erklärt Pieper. Außerdem würden Chryslers Pick-ups und Geländewagen Volkswagens Modellpalette komplettieren.

Doch die zentralen Probleme der Kernmarke Volkswagen Pkw ließen sich auch damit kaum von jetzt auf gleich lösen. Einstige Verkaufsschlager wurden zu spät optisch aufgefrischt, es haperte am Verständnis für die besonderen Wünsche amerikanischer Autokäufer.

Und warum sollte sich Fiat ausgerechnet von einem bewährten Rettungsanker trennen wollen? Konzernchef Sergio Marchionne gelang erst vor einem guten halben Jahr der Durchbruch, als er Chrysler endlich vollständig unter das Konzerndach holte. Die Tochter hatte mit ihren Gewinnen lange Fiats Verlustgeschäft in Europa ausgeglichen. Auch Piëchs Interesse an der Traditionsmarke Alfa Romeo bügelte Marchionne stets ab. Er will deren zerkratzten Lack lieber mit fünf Milliarden Euro selber wieder aufpolieren, um Alfa als echten Rivalen zu BMW, Mercedes-Benz und Audi zu positionieren.

Deswegen sieht nicht nur Branchenfachmann Stefan Bratzel ein Für und Wider bei dem Thema. Zwar könne der hochinnovative VW-Konzern die Schwäche des möglichen italienisch-amerikanischen Partners ausbügeln, der nach seinen Krisenzeiten technisch weit hinterherfahre. Andererseits sagt Bratzel: „Man ist bei Volkswagen schon heute am Rande der Steuerungsfähigkeit.“ Auch Analyst Pieper sieht unterm Strich „mehr Argumente dagegen“ als für einen Volkswagen-Einstieg bei Chrysler oder Alfa Romeo.

Mit dem US-Hersteller hat sich schon ein anderer deutscher Autobauer mächtig verhoben. Von einer „Hochzeit im Himmel“ hatte der frühere Daimler-Chef Jürgen Schrempp einst bei der Fusion mit Chrysler gesprochen. Die Ehe endete schließlich mit einer teuren Scheidung.

Das VW-Auto-Imperium

Die Volkswagen-Gruppe ist unter der Führung von Vorstandschef Martin Winterkorn und Chefaufseher Ferdinand Piëch zu einem Zwölf-Marken-Imperium angewachsen. Neben der Pkw-Hauptmarke mit dem VW-Emblem gehören dazu Audi, Seat, Skoda, Bentley, Bugatti und Lamborghini, außerdem die Lkw-Hersteller MAN und Scania, die leichten VW-Nutzfahrzeuge, der Motorradbauer Ducati und die Sportwagenschmiede Porsche. Piëch soll schon mehrfach mit der Fiat-Marke Alfa Romeo als Nummer 13 geliebäugelt haben. Auch bei den Nutzfahrzeugen könnte es noch Zukäufe geben. Deutschlands größter Konzern (im Jahr 2013 mit rund 200 Milliarden Euro Umsatz) hat weltweit etwa 600 000 Beschäftigte. Volkswagen ist nach Toyota inzwischen der zweitgrößte Autokonzern der Welt. Text: dpa

 
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