Wer Wasser kaufen will, hat die Qual der Wahl: Im Supermarktregal reihen sich lange Plastikbehälter an elegante Glasflaschen und stilles Wasser an Sprudelwasser, Heilwasser oder Aktivwasser. Das Angebot ist da, die Nachfrage auch. Noch nie haben die Deutschen so viel Mineralwasser getrunken, wie im vergangenen Jahr: Der Pro-Kopf-Verbrauch lag 2015 im Schnitt bei 147,3 Litern, wie der Verband Deutscher Mineralbrunnen errechnet hat. Zum Vergleich: 1970 waren es noch 12,5 Liter.
Die Mineralwasser-Hersteller bewerben ihre Produkte bevorzugt mit Attributen wie „natürlich“, „rein“ oder „ursprünglich“. Aber halten die Werbe-Botschaften auch, was sie versprechen? Die Stiftung Warentest hat für die August-Ausgabe ihres Magazins Test 30 stille Wassersorten untersucht. Das Ergebnis: Wer sich von Mineralwasser ein Mehr an Mineralstoffen verspricht, wird meist enttäuscht. Nur acht der getesteten stillen Wassersorten enthalten nach Angaben der Tester mehr Mineralstoffe als das mineralstoffreichste Leitungswasser aus dem Test (786 Milligramm pro Liter), das im niedersächsischen Rinteln aus der Leitung fließt. Die größte Menge an Mineralstoffen weist mit 2606 Milligramm pro Liter das Mineralwasser Ensinger Sport aus dem baden-württembergischen Ensingen auf.
„Natürliches Mineralwasser wird vielfach überschätzt“, sagte Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, bei der Vorstellung der Ergebnisse. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass es qualitativ nicht besser als Leitungswasser sei. Das Wasser aus dem Hahn werde gar deutlich strenger kontrolliert als das Flaschen-Wasser. Sowohl Mineralwasser als auch Leitungswasser würden keine mineralstoffhaltige Ernährung ersetzen. So enthalte beispielsweise Rhönsprudel mit zehn Milligramm je Liter am meisten Kalium - vom Tagesbedarf von 2000 Milligramm sei es aber weit entfernt.
Auch als Magnesium-Quelle sei Mineralwasser nicht unbedingt geeignet. Ein Erwachsener brauche nach Meinung der Experten am Tag 300 bis 350 Milligramm. Fast jedes zweite Mineralwasser im Test enthalte aber weniger als zehn Milligramm je Liter. Manch einer mag also zu viele Hoffnungen in das Getränk setzen. Sorgen müssen Verbraucher nach Meinung der Experten aber bei keinem Wasser haben, das in Deutschland im Supermarkt-Regal landet oder aus dem Wasserhahn kommt: Alles sei gut trinkbar. Wie beim Leitungswasser gäbe es aber auch beim stillen Mineralwasser Qualitätsunterschiede. Sechs Wassersorten wiesen demnach so viele Keime auf, dass sie für Menschen mit einem schwachen Immunsystem gefährlich werden könnten, schreiben die Experten.
Darunter sind unter anderem Gerolsteiner Naturell, das Steigerwald Naturell aus dem mittelfränkischen Oberscheinfeld oder das französische Wasser Contrex. Für gesunde Menschen seien die Getränke aber nicht kritisch, betonen die Tester. Bei dem französischen Evian, das laut Etikett zur Zubereitung von Babynahrung geeignet ist, raten die Tester wegen der Keimbelastung dazu, das Wasser vorher abzukochen.
In den Sorten Märkisch Kristall Naturelle, Vio Still und Harzer Grauhof Naturell fanden die Experten darüber hinaus Rückstände des Stoffs Ampa, der ein Abbauprodukt des umstrittenen Herbizids Glyphosat ist oder aus Wasch- und Reinigungsmitteln stammt. Der Stoff sei zwar gesundheitlich unbedenklich, könne aber darauf hinweisen, dass die Quellen nicht ausreichend vor Verunreinigungen geschützt seien, betonen die Tester. Das Gleiche gelte für Pflanzenschutzmittel-Rückstände in den Wassersorten Alwa Naturelle, Gaensefurther Schloss Quelle Naturelle und Harzer Grauhof Naturell.
Jedes dritte Wasser im Test war nach Ansicht der Experten geschmacklich einwandfrei, ohne Verunreinigungen und auch für immunschwache Menschen geeignet. Dazu gehören Adelholzener Alpenquellen Naturell, Bad Liebenwerda, Carolinen, Celtic, Elisabethen Quelle, Extaler Mineralquell, Fürst Bismarck, Nestlé Pure Life, Rheinfels Quelle und Vittel.
Auch wenn Leitungswasser nach Meinung der Tester den meisten Flaschen-Sorten in nichts nachsteht - für manche Menschen lohne es sich trotzdem, eher zum Mineralwasser als zum Wasser aus dem Hahn zu greifen: Kalziumreiches Mineralwasser könne laktoseintolerante Menschen mit Kalzium versorgen. Wer in einem Gebiet mit intensiver Landwirtschaft wohnt und Babynahrung mit Leitungswasser zubereitet, sollte sich darüber hinaus über die Nitratgehalte des Trinkwassers informieren - und im Zweifel zu Flaschen-Wasser greifen. Aber auch das, betonen die Tester, sollte zur Sicherheit immer abgekocht werden.