Milliardenübernahmen haben im Silicon Valley Hochkonjunktur: Facebook zahlt 19 Milliarden Dollar für WhatsApp, Google nimmt 3,2 Milliarden Dollar in die Hand, um den Hersteller vernetzter Thermostate Nest zu schlucken. Nur einer der Großen hielt sich bislang zurück: Apple. Doch wenn die Berichte von Top-Adressen der Wirtschaftsmedien stimmen, plant auch der iPhone-Konzern einen Mega-Deal mit dem Kauf des Musik-Spezialisten Beats.
Auf 3,2 Milliarden Dollar bezifferten „Financial Times“, Bloomberg und das „Wall Street Journal“ unisono den Kaufpreis. Die Berichte werfen viele Fragen auf. Warum Beats? Warum jetzt? Warum so teuer? Es dürfte kaum um die Kopfhörer mit dem markanten roten „b“ gehen, die zwar bei jungen Leuten beliebt sind, aber mit ihrem klobigen Plastik-Look kaum der Design-Philosophie von Apple entsprechen.
Spannender dürfte der im Januar gestartete Streaming-Dienst Beats Music sein. Hofft Apple-Chef Tim Cook, durch den Milliardendeal langwierige Gespräche mit den Musikkonzernen um zusätzliche Rechte zu umgehen? Die müssten aber nach einem Eigentümerwechsel vermutlich eh neu verhandelt werden. Oder will er einfach die Zeit für den Aufbau eines eigenen Streaming-Dienstes sparen?
Auf jeden Fall wären über drei Milliarden Dollar ein Vielfaches von dem, was Beats bisher wert war. Der Smartphone-Konkurrent HTC war zeitweise Mehrheitseigentümer für nur 300 Millionen Dollar. Apple mit seinem Geldberg von über 150 Milliarden Dollar kann sich jedoch locker einen Aufpreis leisten.
Der iPhone-Konzern übernahm bisher aber immer wieder nur kleinere Firmen, um gezielt technisches Know-how einzukaufen und talentierte Techniker ins Boot zu holen. So kam der virtuelle Sprachassistent Siri von der Firma Voice Control Software im April 2010 zu Apple und im Oktober 2011 dann auf das iPhone. Milliardenübernahmen haben Apple-Mitbegründer Steve Jobs und sein Nachfolger Tim Cook aber stets abgelehnt. Selbst bei strategisch wichtigen Deals wie dem Kauf des Chip-Herstellers P.A. Semi konnte Apple die geforderten 278 Millionen Dollar quasi aus der Portokasse bezahlen.
Apple-Chef Tim Cook musste diesen zurückhaltenden Kurs zuletzt aber immer wieder verteidigen. „Wir wetteifern nicht darum, das meiste Geld auszugeben oder die meisten Firmen zu kaufen“, rechtfertigte sich Cook erst vor zwei Wochen in einem Gespräch mit Analysten. Es gehe darum, die weltbesten Produkte zu bauen – und diesem Ziel seien auch die Zukäufe untergeordnet. Cook schreckt dabei auch vor den Schwierigkeiten zurück, die eine Integration größerer Teams in die Apple-Kultur mit sich bringen könnte. Zugleich versprach er aber auch Deals, „die es unmöglich sein wird, zu verschweigen“.
Dennoch kratzten viele Branchenexperten am Freitag verwundert den Kopf, als sie von den Beats-Gerüchten hörten. „Es fällt uns schwer, die Gründe für diesen Schritt nachzuvollziehen“, schrieb Branchenanalyst Gene Munster in einer ersten Reaktion. Apple sei nicht auf die Marke von Beats angewiesen und die Firma sei auch nicht für irgendeine besondere Technologie bekannt.
Ein Argument für den Kauf war jüngst in dem Jahresbericht des Musik-Branchenverbandes IFPI zu finden. Abo-Angebote wie Spotify, Rdio oder Deezer verbuchten 2013 ein Umsatzplus von 51 Prozent auf gut 1,1 Milliarden Dollar. Zum Jahreswechsel hatten sie weltweit zwar erst 28 Millionen Nutzer. Doch hier liegt ganz klar das Wachstum, während das Geschäft mit Musik-Downloads in den USA – eine Domäne von Apple – bereits schrumpfte.
Noch ist die Musik zum Herunterladen aber mit Abstand der größere Markt und es wäre nur vernünftig, wenn Apple die Milliarden aus diesem Geschäft mitnimmt, solange es noch geht. Sobald Apple aber ins Musik-Streaming einsteigt, wäre der Konzern mit seinen 800 Millionen registrierten iTunes-Nutzern auf einen Schlag eine Supermacht.
Was Streaming-Dienste sind, was sie kosten und wie sie funktionieren
Sie heißen Deezer, Simfy, Spotify oder Beats Music und ermöglichen das Musikhören per Internet ohne den Kauf der dazugehörigen Titel: Streaming-Dienste bieten generell Zugang zu einer riesigen Palette von Songs, die sich Nutzer jederzeit anhören können. Der entscheidende Unterschied zu Multimedia-Verwaltungssystemen wie Apples iTunes oder Googles Music ist, dass die Songs dort nicht gekauft und dauerhaft heruntergeladen werden, sondern auf Anforderung lediglich einmalig und quasi „live“ als Audio-Stream per Internetverbindung eingespielt werden. Es findet also kein Download von Dateien auf den Rechner oder das Smartphone des Nutzers statt.
Was kosten die Angebote?
Streaming-Dienste funktionieren nach dem Abo-Prinzip, also per Monats- oder Jahresbeitrag. Der Kunde kann den Dienst dann nutzen, so oft er will. In der Regel verlangen die Dienste zwischen fünf und zehn Euro pro Monat – abhängig etwa davon, ob lediglich Rechner oder zusätzlich auch Mobilgeräte beliefert werden sollen. Viele Anbieter bieten auch kostenlose Basis-Varianten an, bei denen sich Nutzer allerdings auf Abstriche und Serviceeinbußen gefasst machen müssen.
Welche Voraussetzungen sind nötig?
Erforderlich sind zunächst eine Internetverbindung sowie ein internetfähiges Endgerät. Auf Smartphones muss lediglich eine kostenlose App installiert werden. Zu beachten ist, dass das Streaming von Musik nicht unerheblichen Datenverkehr verursacht – pro Lied sind das über den Daumen etwa ein Megabyte. UMTS-Surfsticks reichen dafür nicht aus, es sollten schon DSL-Übertragungsstandards sein. Das Streamen kann bei Smartphone-Paketverträgen außerdem schnell die Flatrate erschöpfen.
Nachteile von Streaming-Angeboten:
Kunden müssen sich klarmachen, dass sie lediglich ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht an der digitalen Wiedergabe haben. Wenn die Mitgliedschaft ausläuft, ist die Musik unerreichbar. Zwar haben die Dienste zumindest in der Bezahlversion meistens auch eine Offline-Funktion, mit der einmal angehörte Lieder auf Geräten gespeichert und später ohne Internetzugang erneut abgespielt werden können. Bei Kündigung funktionieren diese nicht mehr.
Riesige Musikauswahl
Anbieter haben zwischen rund 15 und 30 Millionen Lieder im Repertoire. Nutzer sollten darauf achten, dass ihr Dienst mit allen großen Plattenstudios wie Universal Music Group, Warner Music Group und Sony Music Entertainment entsprechende Vereinbarungen hat. Generell schwierig kann es sein, ältere oder unbekanntere Künstler zu finden. TEXT: afp