Zu viel Geld ist auch nicht immer gut. Es kann leichtsinnig machen – oder die Preise verderben. Diese Erfahrung machen derzeit die Rückversicherer. Ab diesem Wochenende ringen Manager von Unternehmen wie dem Weltmarktführer Munich Re beim Branchentreffen in Monte Carlo mit Erstversicherern wie der Allianz um die Konditionen fürs kommende Jahr. Die Preise dürften weiter sinken. Für die Rückversicherer sind ihre dicken Kapitalpolster und die geringen Katastrophenschäden schlechte Karten im Verhandlungspoker.
Die Branche klagt auf hohem Niveau. Zur Jahresmitte saßen die 40 weltgrößten Rückversicherer auf 423 Milliarden US-Dollar (377 Milliarden Euro) – ein neuer Rekord, wie die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) ausgerechnet hat. Die Experten bewerten die Kapitalsituation der Branche im Verhältnis zu den übernommenen Risiken zwar mit der Topnote „AAA“. Doch die Geschäftsaussichten sind trübe, schätzen neben S&P auch die Ratingagenturen Moody's, Fitch und die auf Versicherer spezialisierte Agentur A.M. Best.
Wenige Schäden
Das viele Kapital verdanken die Rückversicherer ihren Gewinnen aus den vergangenen Jahren, in denen schwere Naturkatastrophenschäden weitgehend ausgeblieben waren. Hinzu kommt, dass die Unternehmen viele alte, hochverzinste Wertpapiere im Bestand haben, die im aktuellen Zinstief kräftig im Kurs gestiegen sind. Dies lässt das Eigenkapital der Gesellschaften anschwellen. Doch im Gegenzug drückt der Niedrigzins die laufenden Einnahmen aus Kapitalanlagen.
Im Grunde ist das dicke Kapitalpolster der Branche im Sinne der Kunden, sollen Rückversicherer im Fall von Wirbelstürmen, Sturmfluten und Erdbeben doch große Schäden begleichen können. Sie bündeln Risiken von Erstversicherern – damit im Ernstfall keiner von ihnen ins Straucheln kommt.
Im Sinne ihrer Aktionäre wollen die Rückversicherer jedoch mit jedem eingesetzten Euro Geld verdienen. Da liegt das Problem: „Die Branche hat mehr Kapital, als sie zum Arbeiten bringen kann“, sagt Johannes Bender, Versicherungsexperte von S&P.
Verschärft wird die Lage durch Pensions- und Hedgefonds, die über Katastrophenanleihen und andere Finanzkonstrukte immer stärker im Rückversicherungsgeschäft mitmischen. Kein Wunder, schließlich verdient die Branche weiterhin gut. „Acht bis zehn Prozent Rendite nach Steuern sind immer noch attraktiv“, sagt Bender.
Dennoch bekommen Rückversicherungsmanager keine leuchtenden Augen mehr. „Die Zahlen sind besser als die Lage“, sagte Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard kürzlich. Dass Naturkatastrophen die Branche 2014 und bislang auch 2015 weniger teuer zu stehen kamen als im langjährigen Schnitt, sieht er als Glück an. Bender ist überzeugt: Hätten Naturkatastrophen im üblichen Maß zugeschlagen, hätten die Rückversicherer von ihren Beitragseinnahmen seit 2011 Jahr für Jahr weniger als Gewinn eingestrichen.
In den Verhandlungen zur Schaden- und Unfall-Rückversicherung, um die es in Monte Carlo geht, dürfte dieses Argument aber kaum helfen. Die Ratingagentur Fitch erwartet 2016 erneut sinkende Preise für den Rückversicherungsschutz.
Große Rückversicherer wie die Munich Re, Swiss Re, Hannover Rück und Scor versuchen daher, in profitableren Nischen zu wachsen und sich aus dem lange begehrten Katastrophengeschäft ein Stück zurückzuziehen. Kleinere suchen ihr Heil in Zusammenschlüssen.
Doch viel ändern dürfte sich dadurch zunächst nicht, das überschüssige Kapital bleibe hoch, schätzt Moody's-Experte Brandan Holmes. Dass Rückversicherer ihre Dividenden erhöhen und teils für Milliardensummen eigene Aktien zurückkauften, verpuffte ebenfalls. „Das war quasi ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt S&P-Experte Bender.