Handwerk ist Handarbeit. Digitalisierung muss da aber kein Fremdwort sein, sondern kann auch hier neue Märkte eröffnen. Das zeigt das Beispiel einer Firma in Wiesenbronn.
Die Ackermann GmbH ist ein Handwerksbetrieb in dritter Generation. Konkurrenz bekommt die Schreinerei jedoch nicht aus dem Nachbarort, sondern aus der Schweiz oder Italien. Die Digitalisierung eröffnet dem Betrieb neue Märkte und verändert das Handwerk.
Holzspäne sieht man kaum noch
Späne, eine Hobelbank, eine Kreissäge, Menschen die leidenschaftlich und kunstfertig einem uralten Handwerk nachgehen: Dieses Bild taucht bei dem Begriff Schreinerei vor dem inneren Auge auf. Ein romantisiertes Bild, aber doch in vielen kleinen Werkstätten in Bayern und ganz Deutschland durchaus noch Wirklichkeit.
Frank Ackermanns Betrieb in Wiesenbronn (Lkr. Kitzingen) ist auch eine Schreinerei, aber Späne sieht man kaum. Die letzte Hobelbank wurde vor ein paar Jahren abgeschafft. In der Werkstatt, wenn man die zwanzig Meter hohen Hallen noch als solche bezeichnen kann, fräst ein Roboterarm einen Block aus Gipsbeton in Form. Daneben passen zwei Mitarbeiter die Außenverkleidung aus Verbundmaterial an ein Gerüst aus Holz an. Millimeterarbeit.
Ackermann: Fachwissen bleibt unersetzlich
Die Schnittkanten am Holz sind schwarz vom Laser, es riecht verbrannt. Diese Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ist typisch für den Betrieb. Die Digitalisierung verändere den Beruf des Schreiners, sagt Frank Ackermann, doch Fachwissen und handwerkliches Geschick blieben unersetzlich.
Wiesenbronn ist ein Dorfidyll. Vögel zwitschern, aus dem nahen Kuhstall klingt leises Muhen. Auf der Straße weicht ein Auto einem flanierenden Gänsepärchen aus. Wer würde vermuten, dass inmitten dieser Beschaulichkeit komplizierte architektonische Konstruktionen für die Elbphilharmonie in Hamburg oder den Louvre-Ableger in Abu Dhabi entstehen?
„Ich sage immer: Schon mein Großvater war international unterwegs, weil er damals in Düsseldorf gearbeitet hat und das war vielen Menschen von hier damals fremder, als es heute Abu Dhabi für uns ist“, sagt Frank Ackermann, in dritter Generation Geschäftsführer der Ackermann GmbH, die 1934 als Möbelschreinerei gegründet wurde.
Kunden sitzen in der weiten Welt
Heute entstehen in Wiesenbronn maßgefertigte Konstruktionen aus Holz, aber auch aus Mineralwerkstoffen und Verbundfaser, für Kunden auf der ganzen Welt. Dass sich der Kundenkreis heute in die weite Welt erstreckt, hat auch damit zu tun, dass der heutige Geschäftsführer rechtzeitig in die Digitalisierung des Unternehmens investiert hat. Schon früh erkannte Frank Ackermann das Potenzial der Computerized Numerical Control-Technik (CNC), mit der Werkzeugmaschinen elektronisch gesteuert werden.
Dieses Verfahren kam in einer Werkstatt erstmals 1993 zum Einsatz. Es wird mittlerweile in vielen Betrieben verwendet und ist Teil der Schreinerausbildung.
Basierend auf diesem Verfahren arbeiten in Ackermanns Werkstatt auch zwei Laser, die plattenförmige Werkstoffe millimetergenau zuschneiden und ein Roboterarm, der das Material von allen Seiten aus bearbeiten kann. Dadurch ist der Betrieb mit seinen 120 Mitarbeitern so spezialisiert, dass sie Aufträge für große internationale Projekte annehmen können. Jahresumsatz von Ackermann: 11,5 Millionen Euro. Der Exportanteil liegt zwischen 5 und 20 Prozent.
Konkurrenz in ganz Europa
„Durch die Arbeit mit solchen Maschinen werden ganz andere Konstruktionen möglich, die per Hand einfach nicht wirtschaftlich umzusetzen sind“, sagt Frank Ackermann über die Laserapparate. Die Konkurrenz bei solchen Projekten kommt dann nicht mehr aus der Region, sondern aus ganz Europa.
Auch Mirko Reich, technischer Berater beim Fachverband Schreinerhandwerk Bayern, sieht die Digitalisierung als große Chance für das Schreinerhandwerk: „Die Ackermann GmbH ist auf dem Gebiet Vorreiter, aber auch andere Betriebe rüsten digital auf. Arbeitsprozesse werden schneller und damit kostengünstiger. Dem Fachkräftemangel, der in der Branche herrscht, können wir so entgegenwirken“, meint der Experte.
Digitalisierung – und trotzdem Mitarbeiter gesucht
Also mehr Digitalisierung ist gleich weniger Arbeitsplätze? Für Ackermann ein klares Nein. „Vor 20 Jahren hatten wir weniger Maschinen und weniger Mitarbeiter. Nur durch die moderne Technik können wir ein breiteres Angebot für unsere Kunden schaffen und bekommen mehr Aufträge, brauchen also mehr Mitarbeiter“, erklärt er.
Mitten in einer der großen Hallen befindet sich ein kleines Büro. Hier sitzt Alexander Bart. Der 39-jährige lässt am Computer aus den mehr oder minder vagen Ideen der Kunden detailgetreue 3D-Modelle entstehen. Bart weiß, welche Materialen er für welche Formen verwenden und wie er sie mit anderen Werkstoffen kombinieren kann. Er ist gelernter Schreiner, wie die Mehrzahl der Kollegen. Aber wie viele von ihnen hat auch Bart eine Weiterbildung gemacht: Er ist zusätzlich technischer Produktdesigner.
Beruf bekommt ein neues Gesicht
Durch die Digitalisierung bekommt der Beruf des Schreiners ein neues Gesicht, aber das Grundsätzliche ist unverändert. Der Entwurf und die Gestaltung eines Produkts, die Materialauswahl, die Verarbeitungsweise, die Montage der einzelnen Teile, der Schliff und die Lackierung.
Das alles sind Tätigkeiten, die dem Schreiner nach wie vor Fachwissen und handwerkliches Geschick abverlangen. „Es fällt nichts weg“, sagt Ackermann „Das Handwerkliche wird schon in der Ausbildung heute nicht mehr so vertiefend behandelt, wie vor 30 Jahren. Dafür sind neue Aufgaben dazu gekommen.“
Der 53-jährige schaut optimistisch in die Zukunft. Er sehe die Digitalisierung als Chance für seinen Betrieb, aber sie verlange von Unternehmen, sich anzupassen. „Wenn ich mich der Veränderung widersetze und auf etwas beharre, werde ich irgendwann weggefegt. Das war schon immer so.“
Unsere Serie „Arbeitswelten der Zukunft“ zeigt anhand vieler Beispiele aus der Region, wie sich die Digitalisierung auf Berufe und Unternehmen ausgewirkt hat – oder noch auswirken wird. Alle Beiträge zur Serie finden Sie auf
Nächste Folge: Multa Medio und E-Learning – wenn sich Mitarbeiter schnell und effektiv fortbilden müssen.