Bei Media Markt und Saturn könnte es bald zugehen wie an Tankstellen oder Börsen. Das Unternehmen Media-Saturn, die Mutter beider Marken, will noch in diesem Jahr elektronische Preisschilder einführen, die es erlauben, Preise schnell und flexibel anzupassen. Das Unternehmen will so zügig auf Veränderungen von Angebot und Nachfrage reagieren können.
Die Elektronikmärkte leiden unter der Konkurrenz des Online-Handels. Mit den elektronischen Preisschildern – oder Electronic Shelf Labels (ESL) – wollen sie den Nachteil der fehlenden Preisflexibilität ausgleichen. Denn während große Konkurrenten wie Amazon auf Angebots- und Nachfrageentwicklungen sofort reagieren und davon profitieren können, müssen Media Markt und Saturn erst einmal neue Preisschilder drucken lassen. Mit den elektronischen Schildern aber können die Preise auch in den Filialen mehrfach täglich geändert werden. „Wir werden die elektronischen Preisschilder dieses Jahr in ersten Media Märkten und Saturn-Häusern in Deutschland testen“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Je nachdem, welche Ergebnisse diese Testphase bringe, entscheide Media-Saturn über eine flächendeckende Einführung.
Auch der Lebensmitteleinzelhandel prüft die ESL. Hier spiele jedoch die flexible Preisanpassung eine geringere Rolle, sagt Gerrit Kahl. Er forscht im Labor für Innovativen Einzelhandel (IRL) des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz zum Thema Einkaufen in der Zukunft. „Die Hauptargumente für die ESL sind die geringeren Personalkosten, Materialkosten und Druckkosten sowie weniger verärgerte Kunden.“
So stattet etwa Rewe schrittweise neue und renovierte Märkte mit den kleinen Displays aus. Ein durchschnittlicher Supermarkt habe rund 15 000 Produkte, sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser. Jede Woche müssten über hundert Schilder von Hand an den Regalen ausgetauscht werden. Dieser Prozess sei nicht nur zeitaufwendig und mit einem hohen Personalaufwand verbunden, er führe auch immer wieder zu falschen Etikettierungen und damit zu Beschwerden von Kunden, erklärt Esser. Durch die ESL könnten die Preise zentral gesteuert werden, was nicht nur Arbeit, sondern auch mehrere Tonnen Papier einspare. Die Kosten einer Umstellung seien zwar sehr hoch, hätten sich aber durch die geringeren Material- und Personalkosten innerhalb von etwa drei Jahren amortisiert, sagt Gerrit Kahl. „Ich gehe davon aus, dass die Preisschilder in fünf bis zehn Jahren flächendeckend eingesetzt werden.“ Dass Lebensmittelmärkte die Technik nutzen, um die Preise zum Beispiel zu Zeiten zu erhöhen, in denen viele Kunden einkaufen, glaubt der Wissenschaftler hingegen nicht. „Kundenbindung ist ein zu wichtiger Faktor für den Einzelhandel.“ Theoretisch könnten die ESL mehr als nur den Preis anzeigen. Kahl und seine Kollegen testeten die Preisschilder beispielsweise in Kombination mit einer App. Sie wurde mit Informationen darüber gefüttert, was der Kunde kaufen will. Kam er in die Nähe eines elektronischen Schilds, zeigte das einen Pfeil an, der ihm die Richtung zur gesuchten Ware wies.
Die Forscher experimentieren auch mit anderen Zusatzleistungen: Auf einigen Displays wurden zum Beispiel Kleeblätter angezeigt, die der Kunde sammeln konnte, indem er den Barcode des Produktes mit seinem Handy scannte. Ähnlich wie Bonuspunkte konnten die Kleeblätter gegen Produkte oder Rabatt eingetauscht werden. Welche Artikel ein Kleeblatt bekamen, war zum Teil auf die Vorlieben oder den Einkaufszettel der Kunden abgestimmt. Doch diese Tests verliefen nicht überzeugend. „Die Kunden wollen auch bei elektronischen Schildern sofort den Preis sehen“, sagt Kahl. „Der Preis ist das, was zählt.“