Man muss nicht alles selber können. Aber man sollte wissen, wer's kann – und ihn dann ins Boot holen. Eine Reihe von Unternehmen hierzulande handeln nach dieser Devise. Hochkomplizierte Projekte werden dann nicht allein vom eigenen Personal gestemmt, sondern mit Hilfe von auf Zeit „eingekauften“, top-qualifizierten Spezialisten.
Ingenieurdienstleistung nennt sich das, was sich dahinter verbirgt. Sie hat die Art, wie wir unsere Arbeitskraft auf den Markt bringen, verändert. Galt früher noch: Einmal bei Siemens, Bosch oder BMW, immer bei Siemens, Bosch oder BMW – von der Lehre bis zur Rente.
Seit Jahren aber steigt auf dem Arbeitsmarkt der Zwang zur Flexibilität, projektorientiertes Arbeiten weg von eingetretenen Pfaden ist gefragt, entsprechende Beschäftigungsverhältnisse ebenfalls. Das hat den Markt der Ingenieurdienstleister beflügelt.
Eine Branche, die mittlerweile boomt. Was auch in Mainfranken zu erleben ist.
Beispiel Brunel: Die international agierende Agentur mit Sitz in den Niederlanden hat einen für Unterfranken zuständigen Ableger in Würzburg. Und der will nach Brunel-Angaben in diesem Jahr 45 Ingenieure einstellen. Damit wird sich die Belegschaft von Brunel in Würzburg nahezu verdoppeln. Allerdings müssen Abgänge wieder herausgerechnet werden. Denn zum Beispiel 2015 „wurde die Hälfte unserer Projektmitarbeiter von unseren Kunden übernommen“, sagt Brunel-Niederlassungsleiter Thomas Braminski.
Diffizile Auftragsspitzen können abgefedert werden
Das zeigt einen Aspekt, den gerade die Unternehmer als Kunden von Ingenieurdienstleistern wie Brunel schätzen: Sie haben für ein Projekt hochqualifizierte Leute im Haus, an die sie sonst vielleicht nicht herangekommen wären und die sich dann dafür empfehlen, auf Dauer übernommen zu werden. Attraktiv für die Unternehmen ist auch, dass sie mit Hilfe der Agenturen diffizile Auftragsspitzen flexibel abfedern können. So jedenfalls sieht es Jochen Ehrenberg, Geschäftsführer für Produktentwicklung beim Automobilzulieferer Preh in Bad Neustadt: Sein Unternehmen arbeite mit verschiedenen Ingenieurdienstleistern zusammen.
Das passende Know-how ist wichtig
„Auch Brunel unterstützt uns schon seit Jahren, kurzfristige Kapazitätsengpässe zu decken, die zum Beispiel durch neu gewonnene Projekte entstehen oder um Projektteams bei konkreten Aufgabenstellungen zu verstärken. Dabei ist es uns wichtig, für die jeweiligen Aufgaben auch die Ingenieure mit dem erforderlichen Know-how zu bekommen", teilte Ehrenberg mit. Dass der sprichwörtliche Deckel ganz genau auf den Topf passen muss, das weiß auch Brunel-Niederlassungsleiter Braminski: „Die Kunden leben vom Know-how unserer Mitarbeiter.“
Beim Gesamtunternehmen Brunel bewerben sich nach eigenen Angaben pro Jahr ungefähr 30 000 Ingenieure, Informatiker und andere Fachkräfte.
„Unserer Branche geht es gut“
Niederlassungsleiter Braminski nennt sie „Projektmitarbeiter“. Die Zahl zeigt: „Unserer Branche geht es sehr gut“, sagt Lorenz Arnold, Inhaber der MGA Ingenieurdienstleistungen GmbH in Würzburg. Auch seine Agentur vermittelt eigenes Personal an die „Creme de la Creme“ der Wirtschaft, wie er es ausdrückt. Der Markt der Ingenieur-Vermittler „ist sehr heterogen“, hat Arnold beobachtet.
Es gebe Große und Kleine, Generalisten und Spezialisten, Internationale und rein Regionale. Zu den Großen zählen Bertrandt und Ferchau, die ebenfalls Niederlassungen in Mainfranken und mehrere tausend Mitarbeiter zur Vermittlung unter Vertrag haben.
Keine Hire-and-Fire-Mentalität
MGA zählt eher zu den Kleinen. Inhaber Arnold hat nach eigener Aussage gut 60 Mitarbeiter, die er an Kunden in ganz Deutschland auf Zeit weiterreicht. MGA und Brunel haben gemeinsam: Die Projektmitarbeiter sind bei den Agenturen mit unbefristeten, klassischen Arbeitsverträgen angestellt – und das zum Teil seit vielen Jahren schon. „Wir verfolgen keine Hire-and-Fire-Mentalität“, begründet Brunel-Niederlassungsleiter Braminski diese Treue.
Bezahlt werden die Projektmitarbeiter mit einem festen Gehalt der Agentur, das sie auch für die Zeit bekommen, während derer sie projektweise in einem Unternehmen wie etwa Preh eingesetzt werden. Das Unternehmen wiederum bezahlt die Agentur für deren Vermittlung, im Fall Brunel laut Braminski mit einem ausgehandelten Stundenverrechnungssatz. Von der Differenz zwischen diesem Betrag und dem Gehalt für Projektmitarbeiter lebt die Agentur.
In dem Brunel-Büro in Würzburg-Unterdürrbach ist es die Aufgabe von sieben Mitarbeitern, Kunden zu finden und den Einsatz der Projektmitarbeiter zu steuern. Dabei ist die Kunst, all die Ingenieure und Fachkräfte möglichst lückenlos in Firmen unterzubringen. Denn wenn eine Fachkraft mal nicht vermittelt werden kann, weil es gerade kein passendes Projekt gibt, zahlt Brunel das Gehalt natürlich weiter – aber ohne Einnahmen in diesem Fall zu haben.
Ingenieurdienstleister
Rechtlich: Ingenieurdienstleistung ist eine Art der Arbeitnehmerüberlassung und wird vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in den meisten Fällen als Zeitarbeit eingestuft. Das Weisungsrecht gegenüber der von Agenturen vermittelten Fachkraft liege beim Kunden, also beim ausleihenden Unternehmen. Werden Ingenieure per Werkvertrag in einer Firma auf Zeit eingesetzt, sei die Rechtslage anders, so der VDI. Der Verein hat dazu einen Leitfaden herausgebracht.
Stellenwert: Nach Darstellung des VDI ist die Arbeitnehmerüberlassung für Ingenieure „eine Alternative zur Festanstellung geworden“, wie es in einer Online-Mitteilung heißt. Für Firmen wiederum liege der Charme darin, „benötigtes Spezialwissen für Projekte von extern im eigenen Unternehmen einzuspeisen“. AUG