Die künftige Bankenaufsicht in Europa nimmt Formen an. Doch auch nach dem letztlich positiven Votum des EU-Parlaments vom vergangenen Donnerstag ist noch manche Frage ungeklärt. Bis die Europäische Zentralbank (EZB) ihre neue Rolle als zentraler Bankenkontrolleur übernehmen kann, ist noch viel zu tun.
Angestrebt ist Herbst 2014. Nicht nur logistische Fragen sind noch zu klären: Wo in Frankfurt sitzt die künftige EZB-Bankenaufsicht? Zwar baut die Notenbank gerade ihre neue Zentrale am führenden deutschen Finanzplatz, doch das Gebäude dürfte für zusätzliches Aufsichtspersonal zu klein sein. Wo bekommt man rasch gut 1000 Mitarbeiter her? Einige werden sicher von den nationalen Aufsichtsbehörden kommen, aber auch die brauchen weiterhin Fachleute.
Direkt kontrollieren soll die EZB große, grenzüberschreitende Institute mit mehr als 30 Milliarden Euro Bilanzsumme oder mehr als 20 Prozent der Wirtschaftskraft ihres Heimatlandes. Darunter werden etwa 130 Banken und Bankengruppen fallen. Bevor es losgeht, will die EZB bei diesen eine „rigorose Bilanzprüfung“ durchführen.
Die Ratingagentur Fitch rechnet vor, dass in Deutschland künftig 18 Institute und fünf Töchter ausländischer Großbanken von der EZB beaufsichtigt werden: Deutsche Bank, Commerzbank, die sechs großen Landesbanken sowie die genossenschaftlichen Spitzeninstitute DZ und WGZ. Außerdem der Sparkassen-Fondsdienstleister Dekabank, die Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate, Aareal Bank, Münchener Hyp und Wüstenrot, die Hamburger Sparkasse (Haspa), der Autofinanzierer Volkswagen Bank und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank). Über ihre Mutterkonzerne unterstehen HypoVereinsbank, ING-DiBa, Dexia Kommunalbank, Santander Consumer Bank und die deutsche SEB-Tochter der EZB. Deutschland wäre somit das Euroland mit den meisten zentral überwachten Banken. Die Aufseher hätten in Deutschland Einblick in Institute mit einer Bilanzsumme von insgesamt 5,56 Billionen Euro.
Der „gemeinschaftliche Bankenaufsichtsmechanismus“ („Single Supervisory Mechanism“/SSM) soll dank einheitlicher Regeln das Finanzsystem in Europa sicherer machen. „Damit schaffen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Banken im Euroraum, weil künftig überall dieselben Standards gelten und angewendet werden“, erklärte kürzlich EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen. Verhindert werden soll so auch, dass nationale Kontrolleure – wie bisweilen in der Vergangenheit – bei Schieflagen ein Auge zudrücken.
Die nationalen Aufseher – in Deutschland Bundesbank und Bafin – arbeiten weiter, darüber wird als Dach die zentrale EZB-Aufsicht installiert. Umstritten ist, ob die europäischen Verträge dafür als Rechtsgrundlage ausreichen. Vor allem Deutschland pocht auf eine Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht. Denn theoretisch könnten die Währungshüter bei Zinsentscheidungen von ihrer Detailkenntnis über die Finanzbranche in bestimmten Eurostaaten beeinflusst werden.
Für die Bankenaufsicht wird ein neues Gremium geschaffen: Ein „Supervisory Board“ mit Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden und der EZB. Dort sollen Entscheidungen vorbereitet werden, letztlich entscheiden darf aber nur der EZB-Rat, in dem die Präsidenten der Euro-Notenbanken sowie das sechsköpfige EZB-Direktorium sitzen. Im Streitfall soll ein Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden.
Die gemeinsame Bankenaufsicht ist nur ein Teil der angestrebten Bankenunion. Die anderen Pfeiler stehen noch nicht: Gemeinsame Regeln zur Abwicklung kriselnder Institute und eine Vereinbarung, wie Bankguthaben von Kunden in Zukunft grenzüberschreitend geschützt werden sollen – Stichwort: Einlagensicherung. Beim Thema Abwicklung ist umstritten, ob EU-Kommission, EZB oder eine eigene EU-Behörde entscheiden soll, dass eine Bank nicht mehr lebensfähig ist. Gegen eine zentrale Einlagensicherung wehren sich vor allem deutsche Sparkassen und Genossenschaftsbanken: Sie fürchten, dass ihre üppig gefüllten Töpfe dazu genutzt werden sollen, riskante Geschäfte ausländischer Groß- und Investmentbanken abzusichern.