Börsen in Aufruhr: In Asien rauschen die Kurse zu Beginn der neuen Handelswoche in die Tiefe. Der deutsche Leitindex Dax sackt unter die Marke von 10 000 Punkten. Nach den Kursanstiegen der Vergangenheit scheinen die Börsen derzeit nur eine Richtung zu kennen: abwärts.
Anleger befürchten eine deutliche Abkühlung der chinesischen Wirtschaft mit Folgen für die globale Konjunktur. Konkreter Auslöser des jüngsten Kursrutsches war eine überraschende Abwertung der chinesischen Währung Yuan vor gut zwei Wochen, die die Sorgen um den Zustand der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt verstärkten. Seither hat der Dax rund 15 Prozent eingebüßt. Experten zufolge fehlten in den vergangenen Tagen auch die Schnäppchenjäger, die sonst bei Kursrückrückgängen gerne zugreifen.
„Früher hieß es, wenn Amerika hustet, hat die Weltwirtschaft eine Grippe. Heute kann der Schwächevirus durchaus aus China kommen“, meint Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Bisher reagieren Ökonomen aber gelassen. Sie verweisen auf den robusten Privatkonsum hierzulande und den niedrigen Ölpreis, der die Budgets der Verbraucher und der energieintensiven Unternehmen entlastet. Der Export-Boom nach China sei schon länger vorbei, argumentiert Commerzbank-Experte Ralph Solveen. Das Geschäft mit Asien habe die deutsche Wirtschaft schon in den letzten drei Jahren kaum noch angeschoben. Nach Einschätzung von Holger Schmieding, Chefvolkswirt von der Berenberg Bank, ist die Wirtschaft in den USA und der Europäischen Union inzwischen in besserer Verfassung, mit moderaten externen Schocks umzugehen als in den vergangenen fünf Jahren.
Die wichtigsten Notenbanken haben die Märkte mit Geld geflutet und die Zinsen auf nahe Null gedrückt. Das billige Geld soll die Unternehmens-investitionen und den Privatkonsum ankurbeln und so die Konjunktur beflügeln. Die Kehrseite: Sparbücher, Tagesgeld, aber auch viele festverzinslichen Wertpapiere werfen nichts mehr ab. Viele Investoren flüchteten daher in Aktien, das trieb die Kurse an den Börsen lange Zeit in die Höhe.
Experten sehen den Kursrutsch zwar als übertrieben an. Einige Anleger schienen aber bereits panisch zu agieren, schreibt Analyst Tobias Basse von der NordLB in einer Studie. Marktstratege Mislav Matejka von der US-Bank JPMorgan betont, die Konjunkturdaten würden das negative Bild nicht unbedingt untermauern. Der Markt erscheine beinahe überverkauft. Analyst Christian Schmidt von der Landesbank Helaba rechnet aber mit weiteren großen Kursausschlägen im Dax.
Als die Weltwirtschaft in der Finanzkrise 2008 weltweit einbrach, drehten die großen Notenbanken den Geldhahn weit auf, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Sollte wegen der Turbulenzen in China ein erneuter Konjunkturabsturz drohen, hätten Europäische Zentralbank (EZB) und Co. inzwischen nicht mehr so viele Pfeile im Köcher. Die US-Notenbank könnte beispielsweise die für Herbst erwartete erste Zinserhöhung seit 2006 verschieben.
Investoren hatten lange daraufgesetzt, dass die US-Notenbank Fed die Zinszügel im Herbst strafft. Das beflügelte den Dollar, der Euro geriet im Gegenzug unter Druck. Doch mit der wachsenden Sorge vor einer ernsten Konjunkturflaute in China verstärken sich am Devisenmarkt Spekulationen auf einen späteren Zinsschritt in den USA, das belastet den Dollar. Ein stärkerer Euro macht deutsche Exporte außerhalb der Eurozone teurer, was den Absatz mindern kann.
Aktienbesitzer können zunächst auf steigende Kurse warten, bevor sie ihre Papiere verkaufen. Sollte die Weltwirtschaft durch die Entwicklung in China massiv in Mitleidenschaft gezogen werden, würde dies allerdings auch auf Deutschland durchschlagen. Das Wirtschaftswachstum könnte sich abschwächen mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sieht allerdings keine Anzeichen für einen globalen Abschwung und spricht von „überzogenen Rezessionsängsten“. Die chinesische Regierung werde Maßnahmen ergreifen, um eine deutliche Konjunkturabkühlung zu vermeiden. „Für die kurzfristige Entwicklung ist deshalb übertriebene Skepsis nicht geboten.“