Geprellte VW-Dieselfahrer, die erst 2019 gegen den Autobauer geklagt haben, könnten zu lange gezögert haben. In einer vorläufigen Rechtsauffassung ist das Oberlandesgericht (OLG) München zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Klagen der Verjährung anheimfallen. In einem sogenannten Hinweisbeschluss von Anfang Dezember heißt es, dass die Verjährung „mit dem Schluss des Jahres 2018“ endet. Der Beschluss liegt dieser Redaktion in Auszügen vor.
Grund dafür ist aus Sicht der Richter, dass die VW-Abgasaffäre durch die umfassende Berichterstattung in den Medien allgemein bekannt wurde. Im September 2015 war der millionenfache Betrug aufgeflogen. Der Autobauer hatte mit unzulässigen Abschalteinrichtungen seine Motoren manipuliert, um die Abgaswerte zu verbessern. Dass der Skandal einem in Deutschland lebenden VW-Fahrer entgangen sein soll, „ist nicht vorstellbar“, wie das OLG meint. Eine Gerichtssprecherin verwies aber noch einmal auf den vorläufigen Charakter dieser Einschätzung. Die Kläger haben jetzt die Möglichkeit, ihre Argumente noch einmal vorzubringen.
Zu späte Klagen könnten erfolglos sein
Bleibt das Gericht bei seinem Rechtsverständnis, wären hierzulande laut Volkswagen geschätzt 45000 VW-Besitzer betroffen, die erst dieses Jahr einen Prozess gegen den Konzern angestrengt haben. Nicht betroffen sind hingegen die Dieselfahrer, die sich der Musterklage der Verbraucherzentrale angeschlossen haben. „Selbst wenn sich die Auffassung des OLG München durchsetzt und sie vom Bundesgerichtshof bestätigt wird, hat dies keinen Einfluss auf die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen die Volkswagen AG“, sagte Ronny Jahn unserer Redaktion. Er ist verantwortlich für die Mammut-Klage, der sich über 400 000 Volkswagen-Kunden angeschlossen haben. Die Verbraucherzentrale hatte die Klage am 1. November 2018 eingereicht. Damit wurde die Verjährungsfrist unterbrochen. Das gilt auch für die Verbraucher, die ihre Ansprüche bis zum 29. September dieses Jahres im Register der Musterklage angemeldet haben.
Mögliche Verjährung Ende des Jahres
Nach einer Auswertung der Kanzlei Goldenstein und Partner sind hierzulande noch 2,4 Millionen Autos mit den einst manipulierten Motoren unterwegs. Nur 700 000 haben sich demnach entschieden, vor Gericht zu ziehen. „Deutsche Verbraucher verzichten so auf bis zu 30 Milliarden Euro Entschädigungszahlungen seitens des Wolfsburger Konzerns“, heißt es in der Analyse. Im Schnitt bekomme ein VW-Fahrer eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 17 500 Euro, wenn er den Prozess gegen die Wolfsburger gewinnt oder sich das Unternehmen auf einen Vergleich einlasse. Volkswagen nimmt in diesem Fall die alten Wagen zurück.
Neben der Rechtsauffassung des OLG München gibt es eine zweite, wonach die Verjährung im Diesel-Betrug erst am Silvestertag dieses Jahres endet. Der Grund dafür ist, dass VW seine Kunden selbst erst 2016 in Schreiben über die Manipulationen informierte. „Wer seinen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung nicht bis zum 31.12.2019 anmeldet, verschenkt diesen“, sagte Rechtsanwalt Claus Goldenstein. Seine Kanzlei vertritt nach eigenen Angaben beinahe 18 000 VW-Fahrer im Abgasskandal.