Ein Rentner aus Gemünden (Lkr. Main Spessart) will vor Gericht die Rückrufaktion von VW nach dem Abgas-Skandal stoppen. Der Konzern will 2,4 Millionen Autos deutscher Kunden nachbessern, die eine Abschalteinrichtung der Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge verwendet, um niedrigere Abgasnormen vorzutäuschen.
Doch der Besitzer eines VW-Amarok fürchtet durch die Umrüstung Langzeitmängel an seinem Wagen. Willigt er aber nicht in die Nachbesserung ein, droht ihm der Entzug der Betriebserlaubnis. Denn die Duldung der Nutzung der Fahrzeuge ohne Nachbesserung läuft am 31. Dezember aus. Die Umrüstung für das Modell Amarok hatte das Kraftfahrt-Bundesamt bereits im Januar verkündet. Deshalb erhebt der Unterfranke als erster einer ganzen Reihe von Mandanten mithilfe seines Anwalts Thomas Schmidt aus Kleinmachnow eine vorbeugende Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Sie ging vor wenigen Tagen beim Verwaltungsgericht in Schleswig ein.
Der Anwalt sagt: „Ziel meines Mandanten ist es, von der Verpflichtung, dem Rückruf von VW zu folgen, entbunden zu werden“ – zumindest solange, „bis endgültig geklärt ist, dass keine Nachteile entstehen und VW die uneingeschränkte Garantie dafür übernimmt.“
Der VW-Kunde hat offenbar kein Vertrauen in die Maßnahme, die zwischen VW-Konzern und Kraftfahrt-Bundesamt vereinbart wurde. Er fürchtet, dass dies „zu Folgemängeln am Motor führt und dass die verwendeten Motorteile, die sich ohnehin bereits an der Belastungsgrenze bei dem derzeit bestehenden Einspritzdruck befinden, übermäßig belastet werden,“ heißt es unter Bezug auf Angaben von Sachverständigen.
Bei der Nachbesserung müsse VW nach Auffassung von Experten „den Druck auf die Teile noch weiter erhöhen“. Mögliche Folge: Eine Überbelastung dieser Teile, „die zu einer kürzeren Haltbarkeitsdauer des Motors führt, als ursprünglich bei der Herstellung und dem Verkauf vorgesehen.“
Dazu komme mehr Spritverbrauch, Leistungsminderung und erhöhter CO2-Ausstoß. Eine Nachbesserung ohne diese Folgemängel sei physikalisch unmöglich.
VW habe betont, man übernehme keine Garantie für Folgeschäden nach der Umrüstung. Eine ersatzweise angekündigte „garantiegleiche“ Bescheinigung, die der Kläger nach dem Update erhalten soll, ist laut Anwalt Schmidt juristisch wenig wert, da sie dem Fahrzeughalter die Beweislast aufbürdet, die er nie erfüllen könne. Der Wolfsburger Autobauer halte die technischen Einzelheiten des Software-Updates weiterhin geheim, so dass auch ein unabhängiger Sachverständiger Fehler nie überprüfen könne. Seinem Mandanten und der Deutschen Umwelt-Hilfe (DUH) sei der Einblick in ein 581 Seiten starkes Gutachten verweigert worden.
Als die DUH die Herausgabe beim Verwaltungsgericht Schleswig erzwang, wurde ein unbrauchbarer Papierstapel geliefert: Fast alles auf den 581 Seiten war aus Geheimhaltungsgründen geschwärzt - „eine Verhöhnung des Gerichts,“ findet Anwalt Schmidt. „Die Nachbesserung und damit die Rückrufaktion“ sei „für jedermann unzumutbar.“
Ein Pressesprecher des Kraftfahrtbundesamt sagte am Dienstag auf Anfrage dieser Redaktion zu dem Fall: „Dazu kann ich Ihnen nichts sagen“. Auf die Frage, wer stattdessen Auskunft geben könne oder dürfe, sagte er: „Das weiß ich nicht.“