Es war eine Zeit klarer Verhältnisse: Wenige hatten Internet, der Strom kam vom örtlichen Stadtwerk und kostete für einen Drei-Personen-Haushalt rund 100 Mark im Monat. 1998 war das, das Jahr, in dem der Bund den Strommarkt freigab und die Hoffnung nährte, der Preis könne fallen wie zuvor beim Telefon.
Heute kann jeder wählen, wo er Strom kauft, Hunderte Anbieter und Tarife sind im Netz für jedermann vergleichbar. Doch was ist passiert: Derselbe Haushalt bezahlt für seinen Strom jetzt 84 Euro im Monat, wie der Branchenverband BDEW vorrechnet. Aber nur jeder dritte Haushalt hat seither den Anbieter gewechselt. Warum eigentlich?
„Viele Kunden haben eine Hemmschwelle, ihr Stadtwerk zu verlassen“, meint Holger Krawinkel. Der Energiefachmann der Verbraucherzentralen sieht viel Psychologie im Spiel, eine gewisse lokale Loyalität, von der auch Sparkassen profitierten. Viele schreckten auch die spektakulären Pleiten von Teldafax und Flexstrom ab.
Dabei spart ein Wechsel oft mehrere Hundert Euro im Jahr – auch wenn die Tarife der 90er Jahre passé sind. „Beim Strom will man schon eine gewisse Sicherheit, will nicht plötzlich im Dunkeln sitzen – was Unsinn ist, weil man immer automatisch in die Grundversorgung rutscht“, sagt der Verbraucherschützer.
Wie treu Stromkunden sind, zeigen Zahlen, die die Bundesnetzagentur jetzt vorlegte. 80 Prozent der Haushalte haben einen Vertrag bei einem der Grundversorger, zu denen die vier Großen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall zählen, aber auch Hunderte Stadtwerke.
Etwa die Hälfte dieser Kunden zahlt den teuren Grundversorgungstarif, in dem auch jene festhängen, die wegen schlechter Bonität keinen anderen Tarif bekommen. Die andere Hälfte hat bei dem lokalen Marktführer immerhin einen billigeren Tarif gewählt. Das war's.
Der Energieexperte hat aber Hoffnung, dass die Bundesbürger wechselwilliger werden. Wenn Händler zusätzlich mit Endgeräten lockten, würden die Angebote unterscheidbar. Erste Beispiele gebe es: etwa den Anbieter N-Ergie, der Kunden in Nürnberg Solaranlagen zum Kauf anbietet, oder Lichtblick, die Mietern in Berlin und Hamburg ermöglichen, selbst erzeugten Strom zu verbrauchen.