Viereinhalb Jahre nach Beginn der Finanzkrise steht der Ratingagentur Standard & Poor's in den USA wegen der Vergabe zweifelhafter Bonitätsnoten ein Gerichtsverfahren bevor. Das US-Justizministerium reichte am Montag (Ortszeit) eine Zivilklage gegen die führende Ratingagentur ein. Standard & Poor's wies die Betrugsvorwürfe zurück, die sich um die Bewertung von auf faulen Immobilienkrediten basierenden Wertpapieren drehen.
Das Justizministerium verklagte Standard & Poor's und dessen Mutterfirma McGraw-Hill vor einem Bundesgericht in Los Angeles. US-Medien zufolge könnten sich mehrere US-Bundesstaaten dem Verfahren anschließen. Der Ratingagentur wird vorgeworfen, zwischen September 2004 und Oktober 2007 Anleger mit übertriebenen Bonitätsnoten für Hypothekenpapiere vorsätzlich in die Irre geführt zu haben. Nun droht Standard & Poor's eine Strafzahlung in Milliardenhöhe.
Ratingagenturen bewerten das Ausfallrisiko von Wertpapieren und beeinflussen damit maßgeblich die Entscheidungen von Investoren. In den Jahren vor der Finanzkrise gaben Standard & Poor's und die beiden anderen großen US-Agenturen, Moody's und Fitch, den Hypothekenpapieren regelmäßig Bestnoten, obwohl dahinter risikoreiche Darlehen an wenig kreditwürdige Schuldner standen. Als eine steigende Zahl dieser Hausbesitzer in den USA ihre Kredite nicht mehr bedienen konnte, implodierte der Wert der Hypothekenpapiere und löste in einem Dominoeffekt die weltweite Finanzkrise aus.
Die Klage stützt sich unter anderem auf interne E-Mails, in denen Mitarbeiter von Standard & Poor's Zweifel an der Bewertung der Ramschpapiere vorbringen. Aus eigenem Geschäftsinteresse habe das Unternehmen den Anlegern aber die Kreditwürdigkeit der Papiere vorgegaukelt, lautet nun der Vorwurf. Denn Ratingagenturen wurden üblicherweise von den Banken bezahlt, die die risikoreichen Hypothekenpapiere zusammengeschnürt hatten.
Standard & Poor's wies die Klage als „vollkommen ungerechtfertigt“ zurück. Die Ratingagentur bedauerte allerdings, dass es nicht gelungen sei, die „rapide Verschlechterung der Bedingungen auf dem US-Hypothekenmarkt einzuschätzen“.