Dieser Trip nach Washington dürfte eine der schwersten von Jamie Dimon gewesen sein: An einem Donnerstag im September hält der schwarze Luxus-SUV des Chefs der US-Großbank JPMorgan Chase direkt vor dem Justizministerium. Dimon steigt aus, zeigt der Sicherheitsbeamtin am Eingang seinen Ausweis und verschwindet im Ministerium. Dimon trifft sich mit Justizminister Eric Holder.
Der Top-Jurist und der Top-Banker des Landes verhandeln über einen Vergleich, mit dem der Vorwurf zu den Akten gelegt werden soll, JPMorgan Chase habe im Vorfeld der Finanzkrise Investoren beim Verkauf von Hypothekenpapieren über den Tisch gezogen. Dimon bietet elf Milliarden Dollar. Doch das ist Holder nicht genug. Einen Monat später einigen sich die beiden Seiten auf 13 Milliarden Dollar. Noch ist der Vergleich nicht perfekt. Doch wenn er so kommt, wäre das ein Rekord: Niemals zuvor hat der Staat einer Wall-Street-Bank so viel Geld abgeknüpft. US-Kommentatoren werteten dies als Zeichen dafür, dass die Aufarbeitung der Finanzkrise jetzt erst richtig beginnt.
Das Justizministerium könnte den Fall JPMorgan als „Muster“ nutzen und andere Finanzkonzerne wegen ihrer Hypothekengeschäfte zur Rechenschaft ziehen, schrieb etwa die „New York Times“. Die Vorwürfe sind immer die Gleichen: Die Banken hätten zweitklassige Eigenheim-Hypotheken zu Wertpapieren gebündelt und diese an Investoren weiterverkauft, wobei sie den Käufern verschwiegen hätten, dass die Kreditnehmer ihre Raten kaum zahlen können. Die Folge: Ab dem Jahr 2007 kam es zu massenhaften Ausfällen. Die Investoren – darunter die verstaatlichten US-Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac – blieben auf horrenden Verlusten sitzen.
Die Finanzkrise nahm ihren Lauf. Aber warum kochen diese Vorwürfe erst Jahre später hoch? Zwar haben die US-Behörden schon früh erste Wall-Street-Häuser belangt. Im Jahr 2011 schlug ein 550 Millionen Dollar schwerer Vergleich mit Goldman Sachs hohe Wellen. Im Jahr 2011 ging die Bank of America einen 8,5 Milliarden Dollar schweren Vergleich mit Investoren ein. JPMorgan Chase galt lange als Vorzeigeinstitut und Liebling der US-Regierung. Denn Dimon hatte den Finanzkoloss sicher durch die Finanzkrise gesteuert, während der Staat viele Rivalen auffangen musste. JPMorgan übernahm sogar mit Bear Stearns und Washington Mutual zwei Wackelkandidaten – und hielt der Regierung den Rücken frei.
Doch nachdem das Schlimmste überstanden war, kühlte sich das Verhältnis ab. Dimon wurde zu einem der größten Kritiker der Finanzmarktreform von Präsident Barack Obama. Zum Bruch kam es im vergangenen Jahr, nachdem Londoner JPMorgan-Händler mehr als sechs Milliarden Dollar verzockten. Bei einem jüngsten Treffen hochrangiger Banker im Weißen Haus habe Dimon auf einem Stuhl in der Ecke Platz nehmen müssen, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Teilnehmer. Bei vorherigen Veranstaltungen habe er noch dem Präsidenten gegenüber gesessen.
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