
Die finanziellen Folgen sind schmerzhaft, für den Imageschaden gilt das erst recht: Im Dieselskandal hat VW vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eine heftige Niederlage kassiert. Mit dem Karlsruher Urteil vom Montag ist erstmals höchstrichterlich festgestellt, dass der Autobauer seine Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
Für viele Diesel-Kläger ist das der Durchbruch - wenngleich noch einiges offen ist. Auch in Unterfranken schlägt das Urteil Wellen, wie Experten berichten. Die wichtigste Fragen und Antworten:
Im Grunde muss VW den Kauf ungeschehen machen, also das Auto zurücknehmen und dem Kunden das gezahlte Geld erstatten. Das gilt sogar für Gebrauchtwagen aus zweiter Hand. Allerdings berücksichtigt das BGH-Urteil, dass die Käufer das Auto einige Zeit gefahren und damit auch davon profitiert haben. Diese Nutzung müssen sie sich anrechnen lassen. Es gibt also nicht den vollen Preis zurück. Das Geld wird auch nicht mit der Gießkanne an alle Betroffenen ausgeschüttet: Schadenersatz können nur noch die Kunden bekommen, die VW bereits verklagt haben und deren Verfahren noch läuft.
Ja, denn an den Gerichten in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg klagten seit 2016 Hunderte von VW-Kunden gegen den Konzern. Die Richter fällten immer wieder Urteile zugunsten der Verbraucher – im Unterschied etwa zum Landgericht Braunschweig. Doch VW ging meist in die nächste Instanz, die Kunden hofften vergeblich auf eine schnelle Lösung.
Offenbar kaum. Denn in Würzburg gingen nach Angaben von Gerichtssprecher Rainer Volkert in diesem Jahr noch 35 neue Klage ein, von denen zwei erledigt sind: eine durch Rücknahme der Klage, eine durch einen Vergleich. In Schweinfurt kamen im laufenden Jahr 20 neue Klagen dazu, erklärt Pressesprecherin Kerstin Leitsch. In Aschaffenburg waren es laut Richter Ingo Krist 39 Fälle.
Bei dem mit 92 Jahren vermutlich ältesten Kläger aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart) hatte VW im jahrelangen Rechtsstreit auf Zeit gespielt. 2016 klagte der Besitzer eines VW-Amarok als einer der ersten. „Jahrelang stellte sich VW stur und mutete meinem Mandanten zuletzt gar zu, zur Verhandlung nach Braunschweig anzureisen“, sagt sein Anwalt Thomas Schmidt aus Kleinmanchow. „Nun wird der Konzern wohl rasch auf uns zukommen, um sich außergerichtlich zu einigen.“
Zu Beispiel Kläger wie Herbert Gilbert aus Rheinland-Pfalz, dessen Fall als erster vor den BGH-Richtern landete. Seinen VW Sharan kaufte Gilbert 2014 gebraucht von einem freien Händler für knapp 31 500 Euro. Als im Herbst 2015 der Dieselskandal aufflog, fühlte er sich getäuscht. Auch in seinem Auto steckte ein Motor vom Typ EA189, dessen illegale Technik dafür sorgt, dass der Wagen die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhält, aber nicht auf der Straße. Hätte er das gewusst, hätte er den Sharan nie gekauft, sagt Gilbert und verklagte VW.
Laut VW sind aktuell noch rund 60 000 Verfahren anhängig, also weder rechtskräftig entschieden noch per Vergleich beendet. Wer sich an der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentralen gegen VW beteiligt und den bereits ausgehandelten Vergleich angenommen hat, verzichtet damit auf weitere Ansprüche, kann also nicht mehr klagen. Dafür haben sich viele entschieden: Nach Konzern-Angaben wurden inzwischen rund 240 000 Vergleiche abgeschlossen, nur rund 1000 wurden widerrufen. Ganz neue Klagen sind nicht mehr möglich. "Wer jetzt erstmals wegen seines EA-189-Diesels Ansprüche geltend macht, ist wegen Verjährung zu spät", sagt ADAC-Rechtsexperte Markus Schäpe.
Die Würzburger Anwältin Katharina Nürck von der Kanzlei Reitmaier Rechtsanwälte, die bereits zahlreiche VW-Käufer erfolgreich vertreten hat, rechnet ebenso wie viele andere unterfränkische Juristen mit einer neuen Klagewelle. „Zukünftig werden sich sämtliche deutschen Landes- und Oberlandesgerichte in ihren Dieselskandal-Urteilen auf diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes beziehen. Folglich können wir nun betroffenen Käufern ganz genau berechnen, welche Entschädigungszahlungen ihnen zustehen", sagt Nürck. Das Urteil habe auch Signalwirkung für ein Vorgehen gegen andere Fahrzeughersteller und erhöhe die Erfolgsaussichten für die Dieselfahrer beträchtlich. "Denn nahezu alle Autobauer haben illegale Abschalteinrichtungen in ihren Dieselfahrzeugen integriert“, sagt die Anwältin.
Für Dieselfahrer, die kein Update ihrer manipulierten Fahrzeuge vornehmen lassen, wird es laut ADAC eng: Wer auch nach Aufforderung durch das Kraftfahrtbundesamt das Update nicht vornehmen lässt, riskiere, dass sein Wagen von der Zulassungsbehörde stillgelegt wird. Zudem könne es wegen nicht nachgerüsteter Dieselmotoren unter Umständen zu Nachteilen bei der Kfz-Steuer und der Umweltplakette kommen, so der ADAC.
Mit Informationen von dpa