Friedrichshafen Geld motiviert zu Leistung. Wir arbeiten für Geld und erfüllen uns mit Geld unsere Träume. Andererseits weiß der Volksmund: Geld verdirbt den Charakter, und Geld macht nicht glücklich. Was stimmt denn nun? Was spielt sich in unserem Gehirn ab, wenn wir an Geld denken? Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer hat dazu ein Buch geschrieben. Beim Wirtschaftsforum der L-Bank am Dienstag war „Geld im Kopf“ Thema seines Vortrags. Im Interview erklärt Spitzer die Rolle des Gehirns, wenn wir Aktien kaufen oder unternehmerische Entscheidungen treffen.
Manfred Spitzer: Die moderne Gehirnforschung hat sehr viele neue Erkenntnisse dazu hervorgebracht, wie Menschen ticken, von der Wahrnehmung und Handlung über das Lernen bis hin zur Motivation und Kreativität. Hinzu kommt neuerdings auch noch die soziale Neurowissenschaft, das heißt die Gehirnforschung zu unserem Zusammenleben. Hier geht es um Schadenfreude und Fairness, Stress und Gleichheit, Vertrauen und Gerechtigkeit, also um Sachverhalte, die jeden Unternehmer interessieren müssen.
Spitzer: Da gibt es sehr viele, und ich möchte einmal ganz verschiedene nennen. Wir haben weltweit als Erste das Gehirn des Autofahrers untersucht. Das war eine Zusammenarbeit mit einem großen deutschen Automobilhersteller, denn das Schwächste an einem modernen Mittelklassewagen ist der Fahrer! Wir haben zudem untersucht, wie selbst bei Fließbandarbeit die erlebte Selbstwirksamkeit das Arbeitsergebnis beeinflusst. Man kann weiterhin zeigen, dass deutsche Manager eines definitiv nicht können: umstrukturieren. Sie wissen nicht, wie Lernen funktioniert, was es behindert und was es fördert. Das kostet die Unternehmen nicht nur Geld, sondern bringt ihnen auch Krankheitstage ein. Schließlich haben wir untersucht, wie das Licht einer bestimmten Wellenlänge uns wacher macht und besser arbeiten lässt.
Spitzer: Beim Aktienkauf etwa machen viele immer wieder die gleichen Fehler: Sie kaufen, wenn alle kaufen und die Wertpapiere teuer sind. Und wenn die Kurse dann fallen, behalten viele die Verlustaktien bis in alle Ewigkeit. Man hat tatsächlich auch schon Börsenmakler in den Gehirnscanner gelegt, um Fragen wie diesen auf den Grund zu gehen. Allgemein kann man sagen, dass der Mensch weitaus weniger rational handelt, als er das gerne von sich denkt. Dies erklärt nicht zuletzt auch das Verhalten vieler Börsianer. Nicht umsonst gibt es ja mittlerweile einen ganzen Forschungszweig, der sich „Behavioral Finance“ nennt.
Spitzer: Auf demotivierende Handlungen achten (das machen die meisten falsch!) und darauf, dass man die Menschen da abholt, wo sie stehen. Wer ihnen einfach einen „Change-Prozess“ überbrät, sollte sich nicht wundern, wenn keiner freiwillig mitmacht.
Spitzer: Zunächst einmal finden auch Bauchentscheidungen im Gehirn statt. Daher kann man sie ja auch mittels Methoden der Gehirnforschung (und nicht etwa durch Magen- oder Darmspiegelung) untersuchen. Man weiß, dass gute Bauchentscheidungen eines voraussetzen: lange und intensive Beschäftigung mit der Materie. Es ist nicht so, dass man hier „aus heiterem Himmel“ entscheidet. Vielmehr gibt es komplexe Probleme, deren Lösung wir nicht mehr algorithmisch angehen können, die unser Gehirn mit seinen 100 Milliarden parallel arbeitenden Nervenzellen dennoch bearbeiten kann. Unser Gehirn funktioniert eben anders als ein Computer, und genau darauf beruhen gute Bauchentscheidungen. Die Gehirnforschung hat viele Überraschungen auf Lager, besonders wenn es darum geht, wie wir Menschen funktionieren.