Die neue Eiszeit zwischen dem Westen und Russland lässt die deutschen Unternehmen kalt. Während die Furcht vor einer weiteren Verschärfung der Lage wächst, präsentiert sich die Wirtschaft bester Laune. Zwar warnen die Verbände weiter davor, Russland mit harten Sanktionen zum Einlenken zwingen zu wollen, in den deutschen Firmen aber scheint mit einem solchen Szenario niemand zu rechnen. Der Ifo-Index stieg im April allen Erwartungen zum Trotz und dokumentiert damit vor allem die weiter robuste Zuversicht der deutschen Wirtschaft.
Der von den Volkswirten des Münchner Ifo Instituts erhobene Geschäftsklimaindex war im März leicht gesunken, vor allem, weil die befragten Firmen skeptischer in die Zukunft blickten. Neben der Lage in der Ukraine machten die Wissenschaftler die wachsenden Probleme in vielen für die Deutschen wichtigen Wachstumsmärkten wie Brasilien, Indien oder China für die geringere Zuversicht verantwortlich.
Experten haben sich getäuscht
Im April nun kletterte der Index nach oben, getrieben von der wachsenden Zuversicht. Dabei waren die Nachrichten aus dem Osten kaum besser geworden – im Gegenteil. „Angesichts der beunruhigenden Meldungen in den Nachrichten sprach manches für eine etwas schlechtere Stimmung bei den deutschen Unternehmen im April“, schreibt Commerzbank-Analyst Ralph Solveen.
Die meisten Volkswirte hatten ein solches Minus erwartet – und sich getäuscht. Dass die Unternehmensführer die Lage im Osten nicht umtreibt, glaubt Solveen zwar nicht. Aber es spreche eben viel dafür, „dass die bei vielen Unternehmen sicherlich bestehenden Sorgen um ihr Geschäft in Osteuropa und Asien derzeit durch die gute Entwicklung im Inland und anderen Auslandsmärkten mehr als kompensiert werden“.
Christian Schulz von der Berenberg-Bank sieht das auch so. Und er geht noch weiter: Der Ifo-Index zeige, dass die Firmen es nach wie vor für unwahrscheinlich halten, dass es zum Äußersten kommen wird, wie einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Dennoch bleibe die Lage im Osten vor allem für die fragile Erholung in den Krisenstaaten der Eurozone ein großes Risiko.
Keine Abhängigkeit von Russland
Die deutsche Wirtschaft ist davon unbeeindruckt. Das hängt auch damit zusammen, dass Russland für viele deutsche Firmen zwar ein wichtiger Markt, vor allem aber ein Markt der Zukunft ist. Der wichtige Export etwa ist bisher in einem überschaubaren Maß von Russland abhängig. Das Statistische Bundesamt weist darauf hin, dass Russland zwar ein wichtiger Handelspartner sei. Angesichts der weltweiten Verflechtungen halte sich die Abhängigkeit aber in Grenzen. Nur rund jede zehnte exportierende Firma in Deutschland führt nach Angaben des Amtes überhaupt Waren nach Russland aus.
Kurzfristig dürfte die Ukraine-Krise der Wirtschaft also wenig schaden. Die Sorgen richten sich aber auf die Zukunft. Man fürchtet vor allem scharfe Sanktionen und eine Dauerkrise. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht in Sanktionen keine echte Gefahr für den deutschen Aufschwung. Diese würden kaum direkte Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Außenhandel haben, sehr wohl aber negative Folgen für das Investitionsklima in Europa, sagte er jüngst. Auch wenn niemand Sanktionen wolle, Angst habe Deutschland davor nicht.