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WÜRZBURG
Ukraine und Russland sind wichtige Märkte – auch für fränkische Unternehmen
Michael Deppisch
Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 06.03.2014 19:45 Uhr

Was vor gut einer Woche als regionale Krim-Krise begann, hat längst globale Dimensionen bekommen. Vor allem die Wirtschaft ist aufgeschreckt. Der Einbruch der Aktienmärkte Anfang der Woche war nur das sichtbare Signal. Auch Eckhard Cordes schlug in dieser Woche Alarm. „Wir sehen bereits eine große Verunsicherung“, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Würde im Konflikt zwischen Russland und dem Rest der Welt tatsächlich eine Spirale aus gegenseitigen Wirtschaftssanktionen in Gang gesetzt, drohe „die europäische Wirtschaft nachhaltig Schaden zu nehmen“.

Die Krise im Osten bereitet auch der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) Sorge. Das stark angespannte Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland könne „drastische Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung beider Länder haben“, so Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt gegenüber dieser Zeitung, „ausländische Investoren fürchten jetzt hohe Risiken“. Die Schockwellen der Krise im Osten sind also auch für Bayerns Wirtschaft spürbar. Doch wie wichtig sind die Ukraine und Russland eigentlich für die hiesige Wirtschaft?

Leoni größter Ukraine-Investor

Im Fall der Ukraine klingt das auf den ersten Blick eher harmlos. Bayerns Unternehmen exportierten 2013 Güter im Wert von 554 Millionen Euro in die Ukraine. Das ist weniger, als der VW-Konzern weltweit an einem Tag Umsatz erzielt. Kein Wunder also, dass die Ukraine nur auf Rang 41 der wichtigsten Exportmärkte des Freistaats rangiert. Dennoch ist die Ukraine für einige bayerische Unternehmen ein wichtiger Markt beziehungsweise Produktionsstandort. Etwa für die Leoni AG, dem laut Ministerium bislang größten deutschen Investor in der Ukraine.

Der Autozulieferer fertigt in seinem Werk in der rund 600 Kilometer westlich von Kiew gelegenen Kleinstadt Stryj mit rund 5000 Mitarbeitern Kabelsätze und Bordnetze – der Sitz dieses Geschäftsbereichs ist in Kitzingen. Bislang, so Leoni-Pressesprecher Sven Schmidt auf Nachfrage, sei die Anwesenheitsquote der Belegschaft normal, „es gibt bis jetzt keine Beeinträchtigung der Produktion.“ Bislang habe es auch bei der Zollabwicklung ins nur etwa 100 Kilometer entfernt gelegene Polen keine Probleme gegeben. Auswirkungen aufs laufende Geschäft gebe daher bislang nicht.

Doch was ist, wenn sich der Konflikt verschärft? In der Leoni-Zentrale in Nürnbergs Innenstadt hat man vorgesorgt. In der Schublade liegen, berichtet Schmidt, „Notfallpläne für verschiedene Szenarien“. Zudem wurde schon mit dem Ausbruch der Unruhen Ende Januar die Materialversorgung für das Werk in Stryj erhöht. Im Fall von Grenzschließungen Richtung Westen, wohin die fertigen Produkte per Lkw gehen, zieht man gar eine Art Luftbrücke in Betracht.

Ein weiteres fränkisches Unternehmen mit Werken in der Ukraine ist die Knauf-Gruppe aus Iphofen. Der Baustofflieferant bedient den, wie es auf der Homepage heißt, „aufstrebenden ukrainischen Markt“ gleich von drei eigenen Produktionsstandorten im Land. Und so findet sich unter den zehn Unternehmen, die das bayerische Wirtschaftsministerium offiziell mit wichtigen Aktivitäten in der Ukraine einstuft, neben Leoni, Siemens und der HypoVereinsbank eben auch Knauf.

Über die aktuelle Lage in der Ukraine allerdings mag man sich bei Knauf – ein traditionell verschwiegenes Familienunternehmen mit Milliardenumsätzen – nicht äußern. Klar aber ist: Für Knauf weitaus bedeutender als die Ukraine selbst ist der weitaus größere russische Markt. Schließlich zählen die rührigen Franken seit den frühen 90er Jahren dort zu den größten ausländischen Investoren. Heute unterhält man denn auch zahlreiche Niederlassungen im ganzen Land – und 14 eigene Werke.

Bayern eng mit Russland verbandelt

Doch nicht nur Knauf hat die Chancen in Russland früh erkannt. Das Riesenland liegt heute auf Rang 12 der wichtigsten Exportmärkte des Freistaats, 2013 exportierten bayerische Unternehmen Waren im Wert von 4,4 Milliarden Euro nach Russland. Geliefert wurden Autos, Maschinen, elektrische Ausrüstungen sowie chemische Erzeugnisse. Umgekehrt ist Bayern, wie ganz Deutschland, stark auf russische Energielieferungen angewiesen: Erdöl und Erdgas machten im vergangenen Jahr rund 94 Prozent der gesamten bayerischen Importe aus Russland aus – es geht hier immerhin um ein Volumen von gut sieben Milliarden Euro.

Nackte Zahlen aber können das ganz besondere Verhältnis von Russland und Europa nicht fassen. So war es ausgerechnet ein Wladimir Putin, der bei einem Deutschlandbesuch im November 2010 eine Freihandelszone bestehend aus der EU und Russland anregte. Und er ging noch weiter: Er könnte sich gar einen gemeinsamen Währungsraum mit der Europäischen Union vorstellen. Russland und der Euro – diese Idee sorgte damals für Schlagzeilen. Bei der Podiumsdiskussion mit Putin in Berlin damals dabei: Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Knauf-Patriarch Nikolaus Knauf.

 
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