Rund um den Globus rollt eine gewaltige Übernahmewelle. Besonders schnell dreht sich das Karussell in der Pharmabranche. Laut Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg kletterte das Volumen dort zuletzt auf 127 Milliarden US-Dollar (92 Milliarden Euro). Dabei ist die mögliche 100 Milliarden Dollar schwere Übernahme des britischen Konzerns AstraZeneca durch den US-Riesen Pfizer nicht berücksichtigt. Sie wäre eine der größten in der Geschichte. Insgesamt schwoll das Volumen der geplanten Übernahmen in den ersten drei Monaten 2014 auf mehr als 750 Milliarden Dollar an. Das ist der höchste Wert für ein Quartal seit knapp sieben Jahren.
Traditionell wächst bei Managern der Appetit auf Zukäufe, wenn die Konjunktur anzieht oder Krisen abflauen. In stürmischen Zeiten halten sich die Konzerne dagegen üblicherweise zurück. Sie sparen und horten Geld. Genau dies geschah nach der Finanzkrise rund um den Globus. Nun sitzt etwa der US-Konzern Pfizer mittlerweile auf einem Barbestand von 70 Milliarden Dollar außerhalb der USA. Beim US-Industriegüterkonzern General Electric (GE), der derzeit mit Siemens um Alstom buhlt, liegt der entsprechende Wert in einer ähnlichen Dimension. Bei einer Rückführung in die USA würden hohe Steuern anfallen und Begehrlichkeiten bei den Investoren geweckt. Eine Übernahme wird so auch aus steuerlichen Gründen für manchen Konzern lukrativ.
Die Pharmakonzerne stehen gleich von zwei Seiten unter Druck. Neben Sparbemühungen vieler Staaten im Gesundheitswesen – etwa in den USA oder Europa – macht den Konzernen oft der Ablauf von Patenten für wichtige Produkte zu schaffen. Manch langjähriger Kassenschlager verliert so praktisch über Nacht stark an Umsatz. Sein Heil sucht mancher Konzern daher in Übernahmen. Besonders stark ist der Druck bei US-Konzernen wie etwa Pfizer und Merck & Co. Großübernahmen haben sich in der Vergangenheit aber kaum bewährt. Der Strom neuer Medikamente hatte sich dadurch nicht dauerhaft erhöht.
Wegen des langen Forschungsvorlaufs ist der Weg zu neuen Mitteln bei Pharmakonzernen besonders lang und verschlingt Milliarden. Mit Forschungskooperationen und dem Kauf spezialisierter Unternehmen wollen die Konzerne diesen Prozess beschleunigen. Je früher ein Mittel am Markt ist, desto mehr Gewinn winkt dem Konzern in der Regel. Besonders begehrt sind dabei Biotechunternehmen mit vielversprechenden Produktkandidaten. Ein weiterer Treiber bei zahlreichen Konzernen ist die zunehmende Spezialisierung auf wenige Krankheiten. Rezeptfreie Mittel sind dabei bei zahlreichen Konzernen begehrt. Sie gelten als wichtiger Stabilisator mit geringeren Risiken im Vergleich zum klassischen Pharmageschäft.
Im globalen Übernahmepoker spielen deutsche Konzerne derzeit eine untergeordnete Rolle. Von den Großkonzernen der Branche im Dax gilt keiner als mögliches Übernahmeziel. Mit eher kleineren Übernahmen sind Bayer, Merck KGaA und Fresenius zuletzt aber auch selbst aktiv geworden. So schluckte Bayer seinen norwegischen Partner Algeta und die hessische Merck will die britische Spezialfirma AZ Electronic Materials übernehmen. Allenfalls der Generikahersteller Stada wird am Markt als möglicher Übernahmekandidat gehandelt. Im Geschäft mit Nachahmerpillen rollt die Fusionswelle derzeit weltweit. Doch einzelne Großübernahmen können auch einen Dominoeffekt auslösen. Sie bewegen andere Konzerne zu Gegenmaßnahmen oder eröffnen Perspektiven durch den Kauf von Randaktivitäten. So könnte das Übernahmekarussell noch weiteren Schwung erhalten.