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Würzburg/Schweinfurt
Trauer am Arbeitsplatz: Was Chefs und Mitarbeiter tun können
Stirbt ein Mitarbeiter, verliert ein Unternehmen mehr als eine Arbeitskraft. Doch über Trauer wird in den Firmen kaum gesprochen. Es entstehen hochsensible Situationen.
In vielen Unternehmen wird über Trauer nicht gesprochen – meist aus Angst die Betroffenen zu verletzten. Dabei reicht oft schon eine kleine Geste, um den Kollegen das Gefühl zu geben, gesehen zu werden. 
Foto: Getty Images | In vielen Unternehmen wird über Trauer nicht gesprochen – meist aus Angst die Betroffenen zu verletzten. Dabei reicht oft schon eine kleine Geste, um den Kollegen das Gefühl zu geben, gesehen zu werden. 
Moritz Baumann
Moritz Baumann
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:56 Uhr

Die Nachricht kommt unerwartet. Es ist ein Vormittag im November, als die SKF-Belegschaft in Schweinfurt vom Tod ihres Kollegen erfährt – ein junger Mitarbeiter, der mit gerade mal 23 Jahren tödlich verunglückt ist. Die Betroffenheit im Werk ist groß, an eine Rückkehr zur Tagesordnung nicht zu denken.

Es ist nicht leicht, als Vorgesetzter hier den richtigen Ton zu finden. In Schweinfurt reagiert die Geschäftsführung vorbildlich: Sofort wird die betroffene Abteilung aus dem Dienst genommen und die Psychosoziale Notfallversorgung alarmiert.

Emotionale Folgen werden unterschätzt

Thomas Weiss ist an diesem Tag als Seelsorger in Rufbereitschaft und schnell vor Ort. Einsätze in Unternehmen sind für den katholischen Diakon keine Ausnahme. Doch er stellt fest, dass die emotionalen Folgen eines solchen Schicksalsschlags im Kollegenkreis immer noch unterschätzt werden.

Dabei ist der Umgang mit Trauer in Betrieben meist komplexer als im Kreis der Familie. Noch immer haben Gefühle in der Arbeitswelt wenig Platz. Auch die hierarchischen Strukturen erschweren eine Aufarbeitung.

Bei SKF überwiegt anfangs Ratlosigkeit. Die genauen Umstände sind noch unklar, viele Fragen unbeantwortet – für Thomas Weiss eine schwierige Situation. "Man geht als Seelsorger immer in Situationen, auf die du dich nicht vorbereiten kannst", erzählt er.

Im Privaten werde über den Tod kaum gesprochen, im Betrieb noch weniger. Dabei brauche es den Austausch zwischen den Kollegen, das Teilen von Erinnerungen an den Verstorbenen. "Es geht darum, Ordnung in das eigene Gedankenchaos zu bringen", so Weiss. "Der Tod ist Realität, wird aber nie zur Routine." Ein solcher Prozess brauche sensible Führungskräfte und einen langen Atem. Auch Jahre danach können alte Wunden wieder aufreißen.

"Nichts tröstet einen Trauernden so sehr wie die Anerkennung seiner Untröstlichkeit."
Stefan Philipps, Seelsorger und Supervisor

Wie eine Umfrage dieser Redaktion gezeigt hat, sind in der Region viele Betriebe vorbereitet, was das Formelle angeht: Die Größe der Todesanzeige ist festgelegt, das Grundlayout als Schablone abgespeichert. Es ist klar, wer die Grabesrede hält und wer den Trauerkranz niederlegt. Details zu Sterbegeld und Hinterbliebenenrente sind vertraglich geregelt.

Besonders Behörden sind hier gebunden. Einen Kranz bekommen "im Dienst stehende Behördenangehörige", aber auch "Beamte im Ruhestand". Der Nachruf soll sich auf ein "kurzes Wort des Gedenkens" beschränken. Alles per Verwaltungsvorschrift geregelt.

Der Platz neben einem bleibt leer.
Foto: Getty Images | Der Platz neben einem bleibt leer.

Mehr als nur eine Arbeitskraft

Doch stirbt ein Mitarbeiter, verliert ein Unternehmen mehr als nur eine Arbeitskraft. Es fehlt jemand – sei es beim gemeinsamen Feierabendbier oder dem jährlichen Betriebsausflug. Gerade für die engen Kollegen entsteht eine Lücke. Der Platz neben einem bleibt leer. Ökonomisch gedacht können darunter Effizienz und Produktivität leiden, aus emotionaler Sicht das Miteinander im Unternehmen.

Die Stadt Würzburg ermöglicht es ihren rund 3000 Mitarbeitern deshalb, auch während der Dienstzeit an der Bestattung eines Kollegen oder einer Kollegin teilzunehmen. Zusätzlich würden intern Betreuungsangebote angeboten. denn nicht jeder schaffe es, einen solchen Verlust selbst zu verarbeiten, so Pressesprecher Christian Weiß.

Doch gerade kleinere Betriebe haben meist keinen Seelsorger oder Betriebsarzt im Haus. Experten empfehlen hier, sich bei Problemen unbedingt extern Hilfe zu holen.

Was ein Seelsorger zu berichten hat

Stefan Philipps beschäftigt sich als Theologe seit vielen Jahren mit dem Thema Trauer. Als Seelsorger und Supervisor hatte er schon Einblicke in viele Betriebe. Sein Büro liegt im Schweinfurter Westen – ein heller Raum, sonnendurchflutet. Viele seiner Klienten, die auf den geschwungenen Sesseln Platz nehmen, haben einen schweren Verlust zu verarbeiten. Sie brauchen jemanden, dem sie sich anvertrauen können.

Immer wieder hat Philipps die Erfahrung gemacht, dass der plötzliche Tod eines Mitarbeiters erhebliche Irritationen im System "Arbeit" auslöst. Besonders davon betroffen: die engsten Kollegen. "Trauer ist ein komplexer Beziehungsprozess, entsprechend wichtig ist ein angemessener Umgang damit", erklärt er. "Nur so kann sich das System wieder ordnen."

Was die Geschäftsleitung im Fall der Fälle tun sollte

Vorbereiten könne man sich auf einen solchen Schicksalsschlag nicht. Eine solche Situation lasse sich nicht konstruieren, so Philipps. Aber die Geschäftsführung könne schon vorher ein Klima des Vertrauens schaffen, in dem ein offener Austausch möglich ist. "Nur so entsteht eine Ebene des Vertrauens, über die ich auch in Verlust und Trauer einen Zugang zu den eigenen Mitarbeitern finde", erklärt er.

Das Problem: Noch immer fehle der offene Umgang mit der Trauer. In vielen Unternehmen werde darüber nicht gesprochen – meist aus Angst, die Betroffenen zu verletzen. Dabei wollen Angehörige und Kollegen gesehen werden, ist sich Seelsorger Philipps sicher. "Nichts tröstet einen Trauernden so sehr wie die Anerkennung seiner Untröstlichkeit."

Innerhalb weniger Tage ersetzt

Der Schweinfurter erzählt von einem IT-Betrieb, in dem ein Mitarbeiter nach seinem Tod innerhalb kürzester Zeit ersetzt wurde. Dabei habe er sich jahrelang für den Betrieb hingegeben, sogar die Geburt seiner Tochter verpasst. Nur wenige Tage nach seinem tödlichen Autounfall war sein Schreibtisch neu besetzt. Für die Angehörigen ein schmerzhaftes Gefühl.

Dass es auch anders geht, zeigt ein zweites Beispiel von Philipps: Als der Sohn einer Bankangestellten stirbt, findet ihr Chef lange keinen Zugang zu ihr. Sie zieht sich zurück, lässt niemanden an sich ran. Ein Jahr später sitzt sie weinend in seinem Büro. Zwei Stunden hört er ihr zu. Was war passiert?

Am Geburstag ihres Sohnes legte der Chef eine Blume und eine Karte auf ihren Schreibtisch. Es brauchte nicht mehr als diese einfache Geste, um das Eis zu brechen. Ein Jahr nach dem Tod ihres Sohnes fühlte sich die Frau gesehen, wertgeschätzt. Keine Traueranzeige, kein Sterbegeld - egal wie groß, egal wie viel – ersetzt einen solchen Moment.

Welche rechtlichen Fragen stellen sich?
Grundsätzlich gilt: Wenn ein Arbeitnehmer stirbt, endet unmittelbar das Arbeitsverhältnis. Noch nicht gezahlter Lohn muss an die Erben ausgezahlt werden – genauso wie noch bestehende Urlaubsansprüche.
Der Arbeitsrechtler Tobias Schmitt von der Würzburger Kanzlei Bendel & Partner empfiehlt Angehörigen, sich in jedem Fall den Arbeitsvertrag gründlich durchzulesen. Möglicherweise steht einem über das sogenannte Sterbegeld oder eine Betriebsrente noch Geld zu. Auch ein Blick in die passenden Tarifverträge oder die Betriebsvereinbarungen kann helfen. Die Summe richtet sich meist nach Gehalt und Betriebsjahren.
"Eigentlich sollte jeder zu Hause eine Mappe zusammenstellen, in der im Todesfall alle wichtigen Unterlagen zu finden sind", so Schmitt. Man könne nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber auf einen zukommt. "Eine Rechtspflicht besteht nicht", so Schmitt.
Außerdem müssen alle persönlichen Gegenstände an die Erben übergeben werden. "Als Arbeitgeber darf ich - ohne Rücksprache – auf keinen Fall etwas wegschmeißen", so der Arbeitsrechtler. Genauso habe der Arbeitgeber Anspruch darauf, Dienstwagen und -handy, Unterlagen und Akten oder Werkzeuge ausgehändigt zu bekommen. (ori)
 
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