Bereits im ersten Jahr konnte Neckermann nach eigenen Angaben 18 000 Urlauber begrüßen, die für rund acht Millionen D-Mark Umsatz sorgten. Waschkörbeweise hatten sich die Menschen per Post um die Teilnahme an den noch wenigen Trips des Reiseveranstalters beworben. Bis dahin waren die Deutschen vor allem mit Bussen, Bahn oder auch mit dem eigenen Auto in die Sommerfrische aufgebrochen. Flugreisen waren etwas für Reiche und Abenteurer.
Die Zweifel der anderen versuchte der Veranstalter im ersten Prospekt zu zerstreuen: „Eine Flugreise bietet große Vorteile, wenn sie gewissenhaft geplant und sorgfältig vorbereitet ist. Wir haben an alles gedacht.“ Am Zielort sollten sich die noch unerfahrenen Touristen fühlen wie zu Hause. „Typische Merkmale sind saubere Zimmer, reichliche Hauptmahlzeiten, eifrige Bedienung und eine kleine Bar, in der Sie viel für wenig Geld erhalten“, wurden die gebuchten Unterkünfte auf der künftigen „Putzfraueninsel“ Mallorca gelobt. Das zeigt auch: Das später so erfolgreiche Konzept „All inclusive“ war damals noch nicht erfunden.
„15 Tage alles inbegriffen“ meinte zwar die komplette Reise mit Vollpension, aber selbstredend nicht die Getränke. Dem Erfolg tat dies keinen Abbruch: Im Jahr darauf wurden bei Neckermann bereits Kreuzfahrten angeboten und ab 1965 ging es auch mit Düsenjets in den Süden. 1973 war der erste Club-Urlaub im Angebot, ein Jahr darauf führte die Ölkrise zu den ersten Treibstoffzuschlägen, doch die Reiselust blieb lange ungebrochen. Josef Neckermann zielte unter der Maßgabe „großer Umsatz, kleine Marge“ auf den Massenmarkt, die Preise lagen teils deutlich unter denen der Konkurrenz. Schnell wurde das Wort der „Neckermänner“ zum Synonym für die gelegentlich belächelten Pauschaltouristen. 1976 führte die auch im Versandhandel genutzte Billigmasche allerdings zum Kollaps des Unternehmens, das schließlich von der Karstadt-Gruppe übernommen wurde.
Aus den bescheidenen Anfängen ist längst ein Riesenmarkt geworden: Laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen leisten sich drei Viertel der deutschen Bevölkerung jedes Jahr eine Urlaubsreise von mindestens fünf Tagen. Zusammen mit den immer zahlreicheren Kurzreisen ergibt sich ein Umsatzvolumen von an die 80 Milliarden Euro, auf dem Neckermann als Hauptmarke des deutsch-britischen Reisekonzerns Thomas Cook immer noch ein wichtiger Player ist.
Vom Versandhandel längst getrennt, hatte das Unternehmen nichts mit der Neckermann-Pleite im vergangenen Jahr zu tun und steht mit rund 3 Millionen Gästen pro Jahr für 70 Prozent des deutschen Thomas-Cook-Umsatzes. „Die Pauschalreise ist einfach und bietet Sicherheit“, nennt der Tourismusexperte Harald Pechlaner von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die Hauptgründe für den Erfolg.
Doch in Zeiten von Social Media und boomenden Buchungsportalen ist Wandel gefragt. „Die Kunden beeinflussen über ihre immer kurzfristigere Nachfrage nach einzelnen Bausteinen das Angebot direkt. Die Veranstalter müssen lernen, auf das direkte Feedback der Touristen sofort zu reagieren“, meint der Wissenschaftler. Erfolge werde haben, wer die technologischen Veränderungen bewältige und das Bedürfnis nach besonderen Erlebnissen am besten befriedige.
Neckermann-Geschäftsführer Michael Tenzer sieht sich für die Herausforderungen der mächtigen Internet-Plattformen, die Reisebausteine tagesaktuell zusammenfügen, gut gerüstet. „Ich sehe diese Neuerungen eher als Weiterentwicklung der Pauschalreise mit anderen technischen Mitteln“, sagt er. Neckermann könne ebenfalls dynamisch und individuell Reisen produzieren, denen dann das gleiche Markenversprechen zugrunde liege wie der Pauschalreise im Katalog.