Mit einer konzertierten Aktion geht die deutsche Bekleidungswirtschaft gegen menschenverachtende und umweltschädliche Produktionsbedingungen vor. Zwei Jahre nach dem Einsturz der maroden Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch mit mehr als 1100 Toten haben sich nahezu alle großen Händler und die Spitzenverbände der Branche dem sogenannten Textilbündnis von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) angeschlossen. Unternehmen wie Aldi und Lidl, Adidas, Adler, C&A, Kik, die Otto-Gruppe, H&M oder Hugo Boss verpflichten sich damit, ihren Herstellern und Lieferanten in Zukunft genauer auf die Finger zu sehen.
Müller selbst sprach gegenüber der Redaktion von einem wichtigen Signal, das beispielgebend für viele andere Produktionsketten sein könne. „Ich denke zum Beispiel an Coltan für unsere Handys, an Obst, Kaffee, Kakao und vieles mehr.“ Nach der jüngsten Eintrittswelle sei das Textilbündnis Vorreiter in Europa.
Kein Verzicht auf Chemikalien
Insgesamt gehören Müllers Initiative jetzt mehr als 100 Unternehmen, Verbände, Entwicklungs- und Verbraucherorganisationen an. Stefan Genth, der Geschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland, kündigte einen „ambitionierten Aktionsplan“ an, um die sozialen und ökologischen Bedingungen bei der Herstellung von Textilien in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Indien zu verbessern: „Nur im engen Schulterschluss von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft können wir in den Produktionsländern etwas bewegen.“
Einen vollständigen Verzicht auf Chemikalien wird es aber auch im Bündnis für nachhaltige Textilien, wie der Zusammenschuss offiziell heißt, nicht geben. Nach Informationen der Redaktion hat die Textilwirtschaft in den Gesprächen insgesamt zwölf Substanzen benannt, auf die sie auf keinen Fall verzichten kann.
Die Otto-Gruppe, Deutschlands größter Einzelhändler für Textilien, forderte die Bundesregierung auf, die Produktionsbedingungen in der Textilindustrie auch zum Thema des G7-Gipfels am Wochenende in Elmau bei Garmisch zu machen. „Das Ziel ist es, dieses Bündnis möglichst schnell auf eine internationale Ebene zu bringen“, erklärte Konzernchef Hans-Otto Schrader.
Erste Verbesserungen sollen bereits innerhalb der nächsten beiden Jahre sichtbar sein. Ein Sprecher des Branchenverbandes Textil + Mode beschrieb die Ziele auf Anfrage so: „Möglichst wenig Chemie und möglichst gute soziale Bedingungen.“
Müller selbst will Textilien, die so produziert werden, in Zukunft mit einem eigenen Gütesiegel kennzeichnen. Ein Kunde, der ein entsprechend zertifiziertes Hemd kauft, könnte sich dann sicher sein, dass nicht nur die Näherin in der Schneiderei in Bangladesch zu den Bedingungen des Bündnisses arbeitet, sondern auch die Lieferanten des Stoffes oder der Knöpfe. Nach Müllers Worten geht es dabei bei einer Jeans allenfalls um Mehrkosten von einem Euro.