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Teure Liquidität
Geld: Ohne Bonitätsprüfung einfach das Konto überziehen – der Dispokredit verführt zum Geldausgeben. Millionen Verbraucher nutzen diese Kreditart trotz hoher Zinsen. Dabei droht der Weg in die Schuldenfalle.

Von dpa-Korrespondentin

Monika Hillemacher

 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:07 Uhr

Mein Boot, mein Pferd, mein neuer Fernseher. Kein Geld? Kein Problem mit einem Dispokredit, so scheint es. Der Dispo, das Überziehen des Girokontos, ist eine einfache und oft genutzte Möglichkeit, an Geld zu kommen. Die bequeme Liquidität lassen Geldinstitute sich gut bezahlen: Der Dispo ist einer der teuersten Kredite, die Kunden in Anspruch nehmen können.

Der Dispokredit ist an das Girokonto geknüpft. Die Bank gewährt ihn meist, sobald auf einem neu eröffneten Konto drei bis sechs Monatsgehälter eingegangen sind. Entweder treffen Institut und Kunde dazu eine Vereinbarung oder die Bank teilt auf dem Kontoauszug mit, dass der Kredit genutzt werden kann. Der Kunde kann dann automatisch über den Kredit verfügen, wenn sein Konto ins Minus rutscht. Die Bonität wird nicht extra geprüft. „Das ist bereits mit der Kontoeröffnung passiert“, erläutert Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Das Kreditlimit beträgt meist zwei bis drei Monatsgehälter.

Die Zinsen für Dispokredite sind sehr hoch: Verlangt werden Sätze im deutlich zweistelligen Prozentbereich, wie aus einer Übersicht der FMH-Finanzberatung hervorgeht. Für einen Dispo über 3000 Euro will die günstigste Bank bei einem Filialkonto aktuell 7,49 Prozent (PSD Bank Rhein-Neckar). Andere Institute verlangen bis zu 13,99 Prozent Zinsen (Targobank). Bei einem online geführten Konto ist das Überziehen weniger teuer: Hier variiert der Dispozins derzeit zwischen 5,00 Prozent (Deutsche Skatbank) und 10,25 Prozent (Sparda Bank Hessen). Das Gros der Banken setzt an die zehn Prozent an.

Ohne vereinbarten Dispokredit sind in der Regel Überziehungszinsen fällig, die im Schnitt fünf Prozentpunkte über dem Dispo liegen. Über das Jahr gesehen summieren sich die Zinsbeträge. „Man kann schnell den Überblick verlieren“, warnt Niels Nauhauser. Die Kündigung flattert ins Haus, der Kühlschrank geht kaputt, das Auto in Reparatur, Klassenfahrt muss bezahlt werden. Die Schuldenfalle droht erst recht, wenn das Konto ständig im Minus steht und jemand auf Dauer ohne den kostspieligen Dispo gar nicht mehr über die Runden kommt.

Höherer Aufwand, höheres Risiko

Aber warum eigentlich muss ein „Dispo“ so teuer sein? Die Stiftung Warentest kritisiert die Banken und spricht gar von „Abzocke“. Aussagen, die man bei regionalen Geldinstituten nicht gerne hört. Dispokredite würden hohe Kosten verursachen, sagt etwa Rainer Wiederer, Vorstandssprecher der VR-Bank Würzburg. „Der laufende Aufwand, um Dispositionskredite vorzuhalten und zu überwachen, ist für uns höher als bei anderen Privatkrediten“. Hinzu kämen deutlich höhere Risikokosten. „Dispokredite sind im Gegensatz etwa zu Wohnungsbaukrediten immer unbesichert und enthalten höhere Risiken“. Ähnlich argumentiert man bei der Sparkasse Mainfranken Würzburg. Und man verweist auf eine dritten Kostenfaktor, die dauerhafte Absicherung mit Eigenkapital. „Diese Kapitalkosten entstehen auch dann, wenn der Kreditrahmen vom Kunden nicht ausgeschöpft wird“, sagt Pressesprecher Stefan Hebig. Und bei der Castell-Bank, der älteste Privatbank Bayerns, spricht man gar von einem „Randprodukt“. Man empfehle Kunden in der Regel andere Finanzierungsformen, heißt es auf Anfrage.

Doch trotz höherer Kosten ist der „Dispo“ ein gutes Geschäft für die Geldhäuser. Denn die geforderten Zinssätze liegen deutlich über denen der Europäischen Zentralbank. So beträgt der EZB-Zinssatz seit der jüngsten Senkung nur noch 0,25 Prozent, der Dispozins hingegen liegt im Schnitt bei rund zehn Prozent. Den oft gehörten Vorwurf, Zinssenkungen nicht an ihre Kunden weiterzugeben, wollen mainfränkische Banker aber so nicht stehen lassen. „Der maximale Zinssatz für Dispositionskredite ist in unserem Haus seit Jahren angelehnt an die Höhe der Geld- und Kapitalmarktzinsen“, sagt Jürgen Hain von der Flessabank in Schweinfurt. Zinsänderungen würden monatlich weitergegeben werden, damit würden die Kunden „letztendlich doch von der Veränderung der Marktzinsen profitieren“. Auch die Deutsche Bank legt Wert darauf, festzustellen, dass man „seit Mitte 2009 Senkungen des EZB-Leitzinses vollumfänglich an unsere Kunden weitergegeben“ habe, heißt es auf Anfrage dieser Zeitung. Und bei der VR Bank Würzburg wurde der Zinssatz für Dispokredite Mitte November gar um einen ganzen Prozentpunkt gesenkt.

Doch ein Dispokredit sollte sowieso nur in Notfällen genutzt werden, rät der Würzburger Banken-Experte Professor Franz-Josef Eichhorn im Interview mit dieser Zeitung (siehe Online-Tipp). Doch es gibt Alternativen. Etwa einen sogenannten Abrufkredit, den einige Banken anbieten. Dabei handelt es sich um ein eigenes Kreditkonto, das dauerhaft bis zu einer vereinbarten Kreditlinie in Anspruch genommen werden. Eine andere Möglichkeit sich Ratenkredite – zumindest bei längerfristig höherem Geldbedarf. „Niedrigere Zinsen plus feste Rate“, nennt Stephanie Pallasch von der Zeitschrift „Finanztest“ als deren Vorteile. Ratenkredite bringen aber nur etwas, wenn der Dispo auf null gesetzt wird: „Umschulden in Raten und dann Dispo behalten, führt langfristig wieder in die Schulden.“

Kreditrahmen freiwillig beschränken

Kunden, die zum günstigeren Ratendarlehen wechseln wollen, müssen hartnäckig verhandeln. Banken haben nach Beobachtung von Niels Nauhauser wenig Interesse an einer Ablösung. Max Herbst wertet als Nachteil des Ratenkredits, dass zusätzlich zu den Zinsen das Darlehen getilgt werden muss. Werde dazu wieder der Dispo genutzt, beginne die typische Schuldenspirale. Probleme mit dem Dispo lassen sich mit etwas Weitsicht umgehen. Verbraucher können zum Beispiel mit ihrem Geldinstitut schon bei Eröffnung des Girokontos vereinbaren, dass es nicht überzogen werden darf. Alternativ kann der Kreditrahmen freiwillig beschränkt werden – etwa auf 500 Euro. Dann ist für Abbuchungen ausreichend Spielraum da und Kosten für eventuell fällige Rücklastschriften vermieden. Tipp: Kunden können den eingeräumten Dispo bei der Bank jederzeit kündigen.

Mitarbeit: Michael Deppisch

Fragen zum Dispozins

Was eigentlich sind Dispozinsen?

Dispo- und Überziehungszinsen werden fällig, wenn ein Bankkunde kein Geld mehr auf dem Girokonto hat, es aber weiter belastet wird und ins Minus rutscht. Zunächst gewährt die Bank in der Regel einen Dispositionskredit – kurz: Dispokredit oder Dispo. Limit sind oft zwei oder drei Monatsgehälter. Für Überziehungen in diesem Rahmen gilt der Dispozinssatz.

Wo erfahren Bankkunden, wie hoch ihre Dispozinsen sind?

Banken informieren unter anderem mit Aushängen in ihren Filialen oder auf ihren Internetseiten. Auch die Berater erteilen Auskunft. Um die Dispozinsen verschiedener Institute zu vergleichen, gibt es Internetseiten wie biallo.de.

Wie können Bankkunden hohe Dispozinsen umgehen?

Verbraucher können mit ihrem Institut vereinbaren, dass ein Konto nicht überzogen werden darf. Finanzexperten raten aber dazu, zumindest einen Dispo-Rahmen von 500 Euro einzurichten. So ist es möglich, dass regelmäßig fällige Beträge wie Telefonrechnungen auch etwa während einer Urlaubsreise abgebucht werden können. Dadurch lassen sich unter Umständen teure Mahngebühren sparen. text: dpa

ONLINE-TIPP

Interview mit dem Würzburger Professor Franz-Josef Eichhorn zu teuren Dispo-Krediten:

www.mainpost.de/online-tipp

 
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