Die mit Spannung erwartete Gläubigerversammlung des Windenergieunternehmens Prokon hat turbulent begonnen. Nach übereinstimmenden Angaben von Anleger-Anwälten wurden rund 15 000 Prokon-Gläubiger von der Ausübung ihrer Stimmrechte ausgeschlossen, weil ihre Vollmachten rechtlich unwirksam seien. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erklärte, das Amtsgericht Itzehoe sei einem entsprechenden Antrag ihres Vizepräsidenten Klaus Nieding gefolgt.
Der Konflikt auf einer der größten Gläubigerversammlungen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte dreht sich nach DSW-Angaben um Vollmachten, die einem Vertrauten des Ex-Prokon-Chefs Carsten Rodbertus erteilt worden seien. Die DSW hatte einen Interessenkonflikt ausgemacht: Die Anlegerschützer erachten es für unrechtmäßig, dass diese Stimmrechte von dem Rodbertus-Vertrauten eingesammelt worden seien. Für den Ex-Chef habe sich dadurch ein nicht zulässiger Interessenkonflikt als Geschäftsführungsorgan und Vertreter von Genussrechten ergeben. Zudem wurden in diesem Zusammenhang drei Befangenheitsanträge gegen eine Rechtspflegerin des zuständigen Amtsgerichts Itzehoe abgelehnt. Dies teilte Rechtsanwalt Daniel Vos von der Kanzlei Göddecke (Siegburg) mit. Die Kanzlei vertrete eine Zahl von Gläubigern „im zweistelligen Bereich“. Rodbertus liegt im Streit mit Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin, der auf der Gläubigerversammlung sein vorläufiges Sanierungskonzept durchbringen will. Die Versammlung entscheidet damit über die Zukunft der insolventen Windenergie-Firma Prokon Regenerative Energien, bei der rund 75 000 Anleger rund 1,4 Milliarden Euro angelegt haben. Mehr als 4000 Gläubiger kamen zu dem Treffen.
Neben der DSW hatte die Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK) die Anträge gestellt, die Stimmen zu annullieren. Damit seien die Träume des ehemaligen Prokon-Geschäftsführers Carsten Rodbertus beendet, wieder die Macht bei dem insolventen Windkraftanlagenbetreiber zu übernehmen, teilte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding mit. Da der Insolvenzverwalter bereits Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe prüfe, dürfte Rodbertus „ein überragendes finanzielles Interesse daran haben, das Insolvenzverfahren selbst zu beherrschen“, erklärte die DSW. Die rund 75 000 Gläubiger dürften trotz der geplanten Firmensanierung einen Großteil ihres Kapitals verlieren. Abgestimmt wird über ein vorläufiges Rettungskonzept des Insolvenzverwalters Penzlin, gegen das sich Prokon-Gründer Rodbertus im Vorfeld heftig zur Wehr setzte. Er will das Unternehmen als Ganzes erhalten. Etliche Gläubiger zeigten sich beim Eintreffen von dem Niedergang der Firma erschüttert. In finanzielle Schieflage kam das Unternehmen, als etliche Gläubiger ihre Genussrechte kündigten und ihr Geld zurückhaben wollten. Insgesamt lag die Summe der gekündigten Genussrechte bei rund 400 Millionen Euro, das Unternehmen konnte diese Summe aber nicht aufbringen.
Insolvenzverwalter Penzlin will das Kerngeschäft des Windparkbetreibers und 300 Arbeitsplätze von ehemals 450 erhalten. Er will nicht zum Kern gehörende Unternehmensteile (Ölmühle, Holzindustrie) verkaufen und damit Forderungen ablösen. Die Kapitalgeber sollen nach seinen ersten Plänen aus dem Unternehmen aussteigen oder aber auch Investoren bleiben können.
Seit Wochen tobte ein Kampf in der Öffentlichkeit zwischen Ex-Prokon-Chef Rodbertus und Penzlin. Der Insolvenzverwalter hatte Rodbertus als Chef der Prokon Regenerative Energien GmbH fristlos entlassen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen Rodbertus unter anderem wegen Insolvenzverschleppung.