Iris Gleicke: Die Erfolge der Treuhand werden überschattet von zahllosen Debakeln wie beim Kali-Werk Bischofferode und von der Erinnerung an zum Teil überforderte und dilettantische Manager. Die Treuhand hat eben nicht die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen hergestellt und Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen, was ihr Auftrag war, sondern sie hat in der Hauptsache den Markt „bereinigt“. Es wurde also nicht entwickelt, sondern gnadenlos abgewickelt. Hinzu kommen die diversen kriminellen Machenschaften, die aufgedeckt worden sind. Zahllose Verfahren blieben ohne jede strafrechtliche Konsequenz, was die Ermittler zur Verzweiflung gebracht hat. Die Tatsache, dass es einen Treuhand-Untersuchungsausschuss gegeben hat, spricht ja Bände.
Gleicke: Die Treuhand hat vielen, wenn nicht den meisten Ostdeutschen traumatische Erlebnisse beschert. Sie gilt im Osten nicht als Symbol einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft, sondern als das Symbol eines brutalen, ungezügelten Kapitalismus, verbunden mit Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit. Das alles hat das Vertrauen in den neuen Staat schwer erschüttert und zu einer unglaublichen Enttäuschung geführt, deren Nachwehen wir bis heute spüren.
Gleicke: Wir haben im Osten viel erreicht und sind bei der Angleichung der Lebensverhältnisse weit gekommen, aber im Osten ist die Auffassung verbreitet, dass wir das nicht dank, sondern trotz der Arbeit der Treuhand geschafft haben. Von Erfolgen der Treuhand muss man sprechen, wo es gelungen ist, Betriebe behutsam und so zu privatisieren, dass sie heute mit konkurrenzfähigen und oft mit absoluten Spitzenprodukten erfolgreich auf dem Markt sind. Der größte Fehler war, dass man von Ausnahmen abgesehen keine industriellen Kerne erhalten hat. Wir haben heute in Ostdeutschland eine erfolgreiche mittelständische Wirtschaft, aber was fehlt, sind die großen Konzernzentralen mit starken Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.